Essen. Die Grundsteuerreform treibt die Kosten in der Wirtschaft „Zur Bredde“ in Essen-Byfang nach oben. Die Vermieterin fragt: „Was kann ich machen?“

Christa Stiller Lüttenberg und ihre Tochter Britta Stiller Harding sehen ihre Familientradition in Gefahr. Der Familie gehört seit 1905 die Gaststätte „Zur Bredde“. Heinrich Lüttenberg hatte das Gebäude einst gekauft und dort eine Gastwirtschaft eröffnet. Heute ist es das einzig verbliebene Restaurant im ländlich geprägten Essener Stadtteil Byfang. Doch ausgerechnet im 120. Jahr des Bestehens befürchten die beiden Frauen das Aus für das einst beliebte Ausflugslokal. Die neue, deutlich gestiegene Grundsteuer könnte der Gaststätte den letzten Rest geben.

Vor allem für Christa Stiller Lüttenberg wäre das wohl ein äußerst emotionaler Abschied, wenn Britta Stiller sagt: „Meine Mutter hängt an dem Lokal, schließlich hat ihre Mutter, also meine Großmutter, ihr ganzes Leben dafür aufgeopfert.“ Zu ihrer Zeit, in den Fünfzigern, brummte das Geschäft. Bergleute aus der benachbarten Zeche löschten hier nach getaner Schicht ihren Durst. Seit Mitte der 1960er Jahre ist das Lokal verpachtet. Ein Verkauf kam für Christa Stiller Lüttenberg nicht infrage.

Pächterin der Gaststätte „Zur Bredde“ in Essen-Byfang kämpft seit 2019

Die derzeitige Pächterin stieg 2019 ein und kämpft seither, wie Britta Stiller weiß. Erst kam Corona mit den Zwangsschließungen, dann schnellten die Energiepreise in die Höhe und zu guter Letzt fehlt wie in der gesamten Branche Personal. Seither hat das abgelegene Lokal nur noch für besondere Anlässe wie Hochzeiten, Beerdigungen, Geburtstage oder Kommunionsfeiern geöffnet. Der Tagesbetrieb ist eingestellt, nur einen Partyservice gibt es noch.

Zu all dem kommt obendrauf jetzt die höhere Grundsteuer. Aufs Jahr gerechnet müsste die Betreiberin 2800 Euro zahlen, über 400 Prozent mehr als bislang. Britta Stiller vermutet, dass es schwer werden dürfte, das zu erwirtschaften. „Wenn die Pächterin aufgeben müsste, hätten wir hier einen Leerstand und müssten selbst die Kosten tragen“, meint sie. Ob sie angesichts dieser Belastungen überhaupt wieder einen Betreiber finden würden, daran zweifelt Britta Stiller: „Das wird schwer.“

Mehr zum Thema Grundsteuer in Essen

Als Verpächterin der Gaststätte ist sie besonders auf die städtische Politik sauer. Diese hatte sich dafür entschieden, den Hebesatz zwischen Wohnen und Gewerbe aufzuteilen: Während Wohnimmobilien mit nur 655 Prozent belastet werden, trifft es das Gewerbe mit einem Hebesatz von 1290 Prozent umso härter. Im Fall ihrer Gaststätte hingen daran auch berufliche Existenzen, betont Britta Stiller. „Das geht so nicht“, meint sie und hat deshalb gegen den Grundsteuer-Bescheid der Stadt, wie Hunderte andere Essener auch, Widerspruch eingelegt. Noch bis 13. Februar ist das möglich. Dann läuft die Frist ab.

Die höhere Grundsteuer wird sie auf die Gaststätte umlegen müssen, eine Minderung der Miete im Gegenzug sei nicht möglich. Schon heute nehme sie gerade einmal 5 Euro Pacht pro Quadratmeter. „Weniger geht nicht, wir bilden damit schon jetzt kaum Rücklagen“, betont Britta Stiller.

Grundsteuer: Höherer Hebesatz gilt auch für gemischt genutzte Gebäude

Den hohen Hebesatz für Gewerbeimmobilien muss die Pächterin der Gaststätte „Zur Bredde“ zahlen, obwohl es in dem Gebäude auch noch vier Wohnungen gibt. Denn es handelt sich damit um eine gemischt genutzte Immobilie. In der Stadt Essen gibt es über 4000 solcher Grundstücke, die in die Abteilung „geschäftlich genutzt“ fallen, obwohl dort der Wohn-Anteil bis zu 80 Prozent betragen kann. Die Einsortierung ist dabei eine Entscheidung des Gesetzgebers, auf die die Stadt keinen Einfluss hat. 

Schon im vergangenen Jahr, noch vor dem Inkrafttreten der Grundsteuerreform, hatte sich der Verband Unternehmer NRW kritisch geäußert: „Besonders nachteilig wird die Reform für die vielen Mittelständler wirken, die gemischt genutzte Grundstücke besitzen. Denn diese unterliegen künftig dem höheren Hebesatz, obwohl das Grundstück auch für Wohnzwecke genutzt wird.“

  • Die Lokalredaktion Essen ist auch bei WhatsApp! Abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Kanal: direkt zum Channel!

Und das trifft nicht nur die Unternehmer in solchen Immobilien. Auch die Wohnungsmieter zahlen den höheren Hebesatz. So steigt die Grundsteuer nicht nur die Gaststätte um über 400 Prozent, sondern für alle Mieter. Britta Stiller kommentiert dies mit Kopfschütteln: „Das geht doch so nicht.“

Hohe Grundsteuer macht Immobilienbesitzer ratlos

Sie überlegt derzeit, wie sie die Belastungen für ihre Mieter senken könnte. Eine Möglichkeit wäre, das Flurstück zu teilen und den dazu gehörenden Garten als Grünland in die Grundsteuer A zu überführen. Das würde die Fläche des vermieteten Wohngrundstückes verkleinern und somit die Steuerlast drücken. Ob das allerdings möglich ist, müsste erst geprüft werden – und würde für sie zusätzliche Kosten für Gutachter, Notar etc. bedeuten.

Die Auswüchse der Grundsteuersteuerreform lassen derzeit so einige Immobilienbesitzer wie Britta Stiller ratlos und gleichermaßen wütend zurück. Seit Wochen stellt sie sich immer wieder die eine Frage: „Was kann ich machen?“

[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]