Essen. Die Mehrkosten fürs Wohnen wo irgend möglich stutzen: Das ist das Ziel des Ratsbündnisses, das mit seinem Vorschlag sogar den Kämmerer unterbietet.
Darf‘s noch ein bisschen weniger sein? Aber ja doch, signalisieren in Essen CDU und Grüne, wenn es um die neu kalkulierte Grundsteuer fürs Wohnen in der Stadt geht. Vor dem Hintergrund massiv steigender Gebühren im kommenden Jahr – Müllabfuhr, Entwässerung, Straßenreinigung und Winterdienst werden auf breiter Front teurer – will die schwarz-grüne Ratskoalition die Belastung durch die geänderte Grundsteuer so weit es geht herunterschrauben.
Noch einmal 15 Prozentpunkte weniger als der Stadtkämmerer ausgerechnet hat
Profitieren würden davon viele Wohneigentümer genauso wie Mieter, denen die Steuer als ein Posten der Nebenkosten in Rechnung gestellt wird. Um die Bürgerinnen und Bürger nicht über Gebühr zu strapazieren, hatte schon die Stadtverwaltung empfohlen, die anfallenden Kosten im Zuge der Neukalkulation ab 2025 spürbar zu senken: Kämmerer Gerhard Grabenkamp warb – anders als viele seiner Amtskollegen im Land – für gesplittete Hebesätze und veranschlagte dabei den für Wohngrundstücke mit 670 Prozent.
Das wäre in etwa halb so viel, wie man für Geschäftsgrundstücke kassieren will. Doch eine Woche vor dem erforderlichen Ratsbeschluss am Mittwoch der kommenden Woche (27. November) gehen CDU und Grüne jetzt sogar noch ein Stück weiter: Sie senken den Hebesatz für Wohn-Grundstücke um weitere 15 Punkte auf 655 Prozent.
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Entsprechend muss der Steuersatz für Geschäfts-Grundstücke etwas höher ausfallen: Er soll auf 1290 Prozent festgezurrt werden – statt jener 1260 Prozent, die Stadtkämmerer Gerhard Grabenkamp ins Auge gefasst hatte.
Fabian Schrumpf (CDU): „Wir steuern hier bis an die Grenze des Vertretbaren gegen“
„Wohnen darf sich nicht immer weiter verteuern“, begründet Fabian Schrumpf, Fraktionschef der CDU im Stadtrat, den politischen Vorstoß. Die Bürgerinnen und Bürger würden ja nicht nur durch die neue Bemessungsgrundlage bei der Grundsteuer, sondern auch durch Gebühren und gestiegene Energiepreise belastet. „Hier steuern wir bis an die Grenze des Vertretbaren gegen, ohne dabei unverantwortbare Risiken für den Haushalt einzugehen.“
Sandra Schumacher pflichtet bei: „Wohnen darf in unserer Stadt nicht zum Luxus werden“, betont die Co-Fraktionsvorsitzende der grünen Ratsfraktion und legt Wert auf die Feststellung, dass sich nun der Anteil am Grundsteueraufkommen für baureife, aber unbebaute Grundstücke erhöhe: „Damit steigt der finanzielle Anreiz für Investoren, mit der Bautätigkeit zu beginnen. Dies ist angesichts dringend benötigten Wohnraums auch ein wichtiges soziales Signal.“
Unterm Strich bleibt es bei Einnahmen von knapp 138 Millionen Euro
Ob Einheits- oder gesplitteter Hebesatz, ob der Vorschlag des Kämmerers oder die Korrektur durch CDU und Grüne – unterm Strich geht es gleichwohl überall nur um eine Verschiebung der Belastung, und das ist auch so gewollt. Denn stets wurde als politisches Ziel für die Kommunen eine „aufkommensneutrale“ Regelung ausgegeben. In Essen sollen also nur jene knapp 138 Millionen Euro eingenommen werden, die auch bisher schon bei der Stadt landeten.
Und doch ist es eine Regelung mit einem Pferdefuß. Denn als sicher gilt, dass eine ganze Reihe von Betroffenen versuchen wird, auf dem Klageweg die Neukalkulation der Grundsteuer in Frage zu stellen. Die Berechnungs-Systematik will es schließlich, dass zu den Geschäftsgrundstücken, die etwa elf Prozent der Immobilien in Essen ausmachen, auch solche mit einem beachtlichen Umfang an Wohnungen gehören: Häuser etwa, in denen im Erdgeschoss ein Ladenlokal eingerichtet ist, während sie darüber Wohnungen enthalten.
In der Stadt Essen gibt es über 4000 solcher gemischt genutzten Grundstücke, die in die Abteilung „geschäftlich genutzt“ fallen, obwohl dort der Wohn-Anteil bis zu 80 Prozent betragen kann. Die Einsortierung ist dabei eine Entscheidung des Gesetzgebers, auf die die Stadt keinen Einfluss hat. Sollten Klagen gegen das Hebesatz-Splitting am Ende Erfolg haben, müsste Essen für alle Grundstücke einen einheitlichen Hebesatz, und zwar den niedrigeren von beiden einführen.
Das finanzielle Ausfall-Risiko erhöht sich noch einmal um 1,5 bis 2 Millionen Euro
Das Ausfall-Risiko dafür beziffert Kämmerer Grabenkamp schon bei seinem eigenen Vorschlag mit zuletzt errechneten 27 Millionen Euro. Die von CDU und Grünen geplante weitere Korrektur der Hebesätze zugunsten der Wohn-Grundstücke erhöht dieses finanzielle Risiko noch einmal um rund 1,5 bis 2 Millionen Euro.
Die Stadt sieht sich gleichwohl auf der sicheren Seite, verweist auf ein Gutachten des Landes, das die Zulässigkeit gesplitteter Hebesätze bestätigt. Sie schildert allerdings auch die andere juristische Position und benennt als Alternative, dass sich die Politik durchaus für einen Einheits-Hebesatz zur Grundsteuer B entscheiden könnte. Der läge dann allerdings bei beachtlichen 839 Prozent.
Für viele deutlich mehr statt weniger.