Ziel eines Stadtplaners ist eine hohe Lebensqualität. Stadtplaner Hendrik Jansen erklärt, wie das funktioniert und woran es in Altenessen hakt.

Wenn Menschen sich in ihrem Stadtteil wohlfühlen, führt das zu einer besseren Lebensqualität. Der Dortmunder Stadtplaner Hendrik Jansen weiß: „Dadurch wird die Demokratie gestärkt und es gibt weniger Probleme.“ Warum ist das in Altenessen schwierig zu erreichen?

1. Die Mischung sozialer Milieus

Durch den Strukturwandel gibt es laut Jansen oft eine Konzentration bestimmter Milieus. „Ganz natürlich ergibt sich keine Mischung“ erklärt Jansen. Die öffentliche Hand müsse eingreifen, bezahlbaren geförderten Wohnungsbau anbieten und auch höherpreisige Wohnungen.

Stadtplaner Dr. Ing. Hendrik Jansen arbeitet an der Technischen Universität Dortmund.
Stadtplaner Dr. Ing. Hendrik Jansen arbeitet an der Technischen Universität Dortmund. © Jansen

Viele Wohnungen in Altenessen sind typische Arbeiterwohnungen: klein, praktisch, günstig. Jansen: „Die Grundrisse sind für bestimmte Milieus ausgelegt, da müssen andere Angebote geschaffen werden.“ Er sieht dabei die öffentlichen Immobilienunternehmen in der Pflicht.

Der Altenessener Bürger und frühere Essener SPD-Vize Karlheinz Endruschat findet, dass hier in den vergangenen Jahrzehnten viel versäumt wurde. Die Bürger seien gezielt und bewusst in bestimmte Stadtteile geführt worden. Bei der Flüchtlingswelle 2015 wurden zwar stadtweit Einrichtungen geschaffen, aber „wenn die aus dem Flüchtlingsheim ausgezogen sind, kamen die hierhin, weil es hier günstigen Wohnraum gibt.“ Jetzt das Rad umzudrehen sei schwierig. Man könne höchstens versuchen hochwertigen Wohnungsbau anzubieten, um die Mittelschicht zu halten.

2. Die Fünf-Minuten-Stadt

Dinge des täglichen Bedarfs müssten innerhalb von fünf Minuten zu erreichen sein, erklärt Hendrik Jansen. Dazu gehören der Einzelhandel, Freizeitangebote, Schulen und Arbeitsplätze. Der Einzelhandel in Altenessen konzentriert sich im Allee-Center. Viele Metzger, Bäcker und Bankfilialen haben dicht gemacht. Inhabergeführte Geschäfte gibt es kaum noch und wird es wohl auch nicht mehr geben - eine Entwicklung, mit der Altenessen nicht alleine ist.

Mit der Schließung des Marienhospitals fallen Arbeitsplätze weg, die Nutzungsmischung ist ausbaufähig. Und Schulen? „In manchen Klassen gibt es nur ein Kind, das Deutsch spricht“, weiß Endruschat und bilanziert: „Wer an guter Bildung interessiert ist, kann hier nur weg.“

3. Öffentliche Räume

Öffentliche Plätze, die als Treffpunkt dienen, muss sich laut Jansen die Bevölkerung aneignen. Und zwar nicht nur von bestimmten Milieus, wie es aktuell beim Marktplatz der Fall ist, um den viele Familien einen Bogen machen, wenn nicht gerade Markt ist.

„Wir überlassen die öffentlichen Räume zu oft denen, die wir dort nicht haben wollen“, findet Arndt Wülfing, Vorsitzender der Altenessener Interessensgemeinschaft. So werden diese Plätze als Angstraum wahrgenommen. „Ich sehe die Bewohner in der Verantwortung“, erklärt Jansen. Sie müssten die Initiative ergreifen und die Räume äußerlich, etwa durch Bepflanzungen, und aktiv durch Nachbarschaftsfeste, beleben. „Auf den Plätzen trifft man sich, man tauscht sich aus, sie spielen eine wichtige Rolle beim Thema Integration“, so der Stadtplaner.

4. Mischung von Mobilität

Das Ruhrgebiet ist vom Autoverkehr geprägt. Studien zeigen aber, dass die Lebensqualität höher ist, wenn es unterschiedliche Mobilität gibt. „Dort, wo der Radverkehr ausgebaut ist, zeigt sich eine höhere Frequenz im Einzelhandel“, weiß Jansen. Oft seien diese Kunden auch zahlungskräftiger. Es ergebe sich Lebensqualität, wenn in einigen Straßen nur wenige Autos parken. Doch Jansen weiß: „Hier muss Überzeugungsarbeit geleistet werden.“ Tatsächlich ist Altenessen gar nicht schlecht aufgestellt, wenn es um Radwege geht, allerdings sind das meist Freizeit-Trassen.

Diese Punkte sind laut Jansen Grundvoraussetzungen für einen attraktiven Stadtteil. Einzelne Maßnahmen brauchen aber oft jahrelang, bis sich entsprechende Effekte zeigen. „Das ist manchmal schwierig zu vermitteln.“ Die Belohnung sei aber ein besserer Zusammenhalt, weniger Kriminalität, ein höheres Sicherheitsempfinden, eine höhere Wahlbeteiligung und zufriedene Menschen, die gerne in ihrem Stadtteil leben.