Duisburg. Aldi hat im Duisburger Süden seine neue Filiale eröffnet. Kritiker protestieren – und sprechen von heuchlerischer Doppelmoral. Der Konzern antwortet.
Vor dem neu eröffneten Discounter herrscht reges Treiben: Der Parkplatz ist gefüllt, zahlreiche Menschen passieren die Luftballon-Girlande, um die Aldi-Filiale in Hüttenheim zu betreten. Sie sind die Ersten, die sich einen Eindruck von der Vorzeige-Filiale an der Mündelheimer Straße verschaffen, die am Donnerstag, 12. Dezember, eingeweiht wurde. Nachhaltig soll sie sein und ein „Vorbild für alle weiteren Neubauten“ werden, hat Projektmanagerin Christina Spaniol vor der Eröffnung erklärt. Abgesehen von der Bodenplatte ist sie komplett aus Holz gebaut. Wärmepumpe und Photovoltaikanlagen sorgen für Energieeffizienz. Doch nicht für alle ist das ein Grund zur Freude. Vor Ort regt sich an diesem Morgen Protest – der Vorwurf: „Doppelmoral“.
Zugegebenermaßen stehen sie etwas einsam neben der Einfahrt zum Parkplatz von Aldi Süd in Duisburg. Fünf Aktivisten und Aktivistinnen der Tierschutzorganisation „Animal Equality“ protestieren gegen die quälerische Tierhaltung des weltweit agierenden Unternehmens in den USA. Schon seit 6.30 Uhr stehen sie dafür in der Kälte. Der Discounter-Riese agiere scheinheilig. Ihre Botschaft: „Hier erzählen sie, dass ihnen Tierschutz wichtig ist und in einem anderen Land treten sie ihn mit Füßen“, sagt Daniela Fiegel (32), zuständig für Kampagnen der Organisation.
„Hier erzählen sie, dass ihnen Tierschutz wichtig ist und in einem anderen Land treten sie ihn mit Füßen.“
Aldi Süd: Tierschützer kritisieren in Duisburg Käfighaltung in den USA
Der Vorwurf: In den USA beziehe Aldi Süd weiterhin tierische Produkte aus Käfighaltung von Hühnern und trächtigen Schweinen. Letztere würden über die Zeit ihrer Schwangerschaft in einem Kastenstand eingepfercht, ein Metallkäfig, kaum größer als der Körper der Tiere. Hühner seien ihr ganzes Leben in Legebatterien mit Käfigen, die ihnen weniger Platz lassen als die Fläche eines DIN/A4-Blattes. Für „Animal Equality“ unhaltbare Zustände in amerikanischen Zulieferbetrieben des Discounters. Beide Vorrichtungen seien in Deutschland verboten.
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Die Organisation sieht einen Widerspruch zwischen der hiesigen Haltungskampagne und den Haltungsformen in den USA. „Das ist Doppelmoral und untergräbt die Glaubwürdigkeit der Versprechen an die Kundinnen“, macht Fiegel deutlich. Der Discounter sei vor allem darauf bedacht, sein Image aufzupolieren.
Aldi Süd äußert sich auf Anfrage nicht direkt zum Vorwurf der Doppelmoral, sondern antwortet in einer Stellungnahme eher generell: „Animal Equality bezieht sich mit seinem Anliegen auf die Haltungsbedingungen in den USA. Aufgrund struktureller und kultureller Begebenheiten, beispielsweise der landwirtschaftlichen Strukturen, kommt es im internationalen Kontext zu marktspezifischen Unterschieden. Die Marktbedingungen in den USA sind anders als in Deutschland und Entscheidungen treffen die Länder daher eigenständig.“
Tierschützer werfen Aldi Süd Doppelmoral vor: Protest in Duisburg
Die Tierschützer wollen nun auf die Missstände in den USA und das Leid der Tiere hinweisen. Eingebettet ist die Protestaktion in die Kampagne „Aldi: Eine Frage der Haltung“. Die Eröffnung in Duisburg sei dafür ein guter Anlass. „Das Interesse ist groß an der sogenannten Vorzeige-Filiale.“
Doch das strahlt nur wenig auf den Erfolg der Aktivistinnen ab. So „aufsehenerregend“, wie angekündigt, ist die Aktion nicht. Ein Flugzeug sollte über der Filiale kreisen, musste jedoch wegen schlechten Wetters abgesagt werden. Es bleiben fünf Aktivistinnen, die mit Plakaten und Flyern vor dem Aldi-Gelände stehen und mit der Forderung „Stoppt die Tierquälerei in den USA, Aldi Süd!“ bedruckte Einkaufstüten an die Aldi-Kundinnen verteilen.
Sie protestieren ruhig, ohne Krawall und großes Aufsehen. Für die meisten Menschen ist es daher ein Leichtes, einfach mit dem Auto an den Plakaten vorbeizufahren. Gespräche mit Aldi-Kunden zeigen: Manche ignorieren die Aktion, andere bemerken sie gar nicht erst, so fokussiert sind sie auf ihren ersten Einkauf in der neuen Holz-Filiale.
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Protest vor Aldi Süd in Duisburg: Positive Bilanz der Tierschützer
Trotzdem ziehen die Tierschützer eine positive Bilanz. Einige Passanten seien überrascht gewesen, dass Aldi in einem anderen Land solche Bedingungen zulässt, erzählt Fiegel. „Krass, das hätte ich nicht gedacht. Neulich hab’ ich noch gelesen, dass Aldi Tierschutz so wichtig wäre und dann sowas“, habe eine Kundin zu ihr gesagt. Sie erfahren auch Zustimmung: „Das ist wirklich schlimm, was Aldi macht, ich finde es klasse, dass ihr da seid.“ Die Haltungsbedingungen widersprechen „den Erwartungen deutscher Verbraucher an das Tierschutz-Engagement von Aldi Süd“, hält Fiegel. „Die meisten gehen danach zwar im Aldi einkaufen, tragen aber den Protest mit den Tüten in den Laden.“
Auf die Vorwürfe entgegnet der Discounter, Gründungsmitglied der „Initiative Tierwohl“ zu sein und verweist auf Erfolge der Haltungswandel-Kampagne in Deutschland sowie dem Bekenntnis zur Europäischen Masthuhn-Initiative. Aldi Süd habe „große Verantwortung im Bereich Tierwohl in Deutschland in den vergangenen Jahren getragen und zu tiergerechteren Haltungsbedingungen in der gesamten Branche beigetragen.“ Damit gehe er „weit über die gesetzlichen Rahmenbedingungen hinaus“.
Haltungsbedingungen widersprechen den Erwartungen deutscher Verbraucher
Die NGO spricht Aldi Süd diese Fortschritte nicht ab. Vielmehr ist sie mit den Haltungsstandards in Deutschland prinzipiell sogar einverstanden. „Wir finden es grundsätzlich immer toll, wenn der Einzelhandel Initiativen für Tierschutz vorantreibt.“ Ihr gehe es, wie beschrieben, vor allem um die Diskrepanz dazwischen, sich als tierfreundlich zu präsentieren, ohne ein entsprechendes Handeln innerhalb des gesamten Konzerns durchzusetzen. Bisherige Gespräche zwischen „Animal Equality“ und Aldi Süd seien ergebnislos verlaufen. „Seit einem Jahr ignoriert uns das Unternehmen“, so Fiegel. Der Discounter gibt darauf keine Antwort.
„Wir finden es grundsätzlich immer toll, wenn der Einzelhandel Initiativen für Tierschutz vorantreibt.“
Langfristig habe die Organisation zwar die Vision, dass jedes Tier vor industrieller Ausbeutung geschützt ist. Sie weiß jedoch: „Es ist unrealistisch zu fordern, dass Aldi Süd keine tierischen Produkte mehr verkauft. Wir arbeiten Schritt für Schritt.“ Die Forderung der Tierschutzorganisation bleibt daher bestehen: „Jetzt Käfige in den US-Lieferketten abschaffen.“ Und weiter: „Der Riesen-Discounter muss die Verantwortung übernehmen, die er für Millionen von Tieren hat.“
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