Duisburg-Laar. Die Duisburgerin Melekper Tokgür aus Laar wurde überraschend Bezirksvertreterin für die SfD. Dieses Wählerbündnis wird jedoch skeptisch beäugt.
Mit dem Politikneuling Melekper Tokgür hatte bei der Kommunalwahl im September 2020 kaum jemand gerechnet, dennoch schaffte sie es bei ihrer ersten Kandidatur in die Bezirksvertretung Meiderich/Beeck. Für niemanden war das wohl überraschender als für die 45-Jährige selbst, die im Stadtbezirk als Spitzenkandidatin für die Wählerinitiative „Solidarität für Duisburg“ (SfD) antrat.
„Ich habe gar keinen Wahlkampf gemacht“, sagt Tokgür. Sie hat kein Plakat aufgehängt, keinen Flyer verteilt und ihr Foto war ohnehin darauf nicht zu sehen. Dass ihr Name auf dem Wahlzettel stand, schildert sie als Gefallen an SfD-Gründer Bekir Sipahi. Der jetzige Ratsherr prägt bisher die Wahrnehmung der Wählergruppe. Er gilt als türkischer Nationalist und rückte 2017 international ins Rampenlicht, weil er nach der der „Armenien-Resolution“ des Bundestages den türkischstämmigen Abgeordneten Cem Özdemir als Verräter beschimpfte, ihm den Tod wünschte und ihn auf einem Hundefriedhof begraben wollte. Dafür wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt.
Bezirksvertreterin Melekper Tokgür hilft in Duisburg misshandelten Frauen
Dagegen ist Melekper Tokgür zuhause in Laar für ihr Engagement im Bürgerverein und in der Ditib-Moschee bekannt. Als Politikerin muss sie erst noch einen Eindruck hinterlassen, hatte in der Bezirksvertretung noch nicht mal einen Wortbeitrag. „Ich bin gebürtige Kurdin, aber ich bin sehr deutsch“, sagt die Gastarbeitertochter und meint damit, dass sie Perfektionistin sei und sich deshalb lieber erstmal zurückhalte, bis sie mehr über das Politikgeschäft gelernt hat.
Mit Behörden kennt sich die freiberufliche Sozialarbeiterin allerdings aus, weil sie zuvor fürs Stadtteilbüro Laar gearbeitet hat und ehrenamtlich seit Jahren traumatisierten und misshandelten Frauen hilft, was viel Bürokratie und Amtsgänge mit sich bringt.
Eine Freundin von Fraktionszwang ist Melekper Tokgür indes nicht. „Ich stimme immer so ab, wie ich will, nicht wie die SfD das will“, sagt sie entschieden. In der Wählerinitiative ist sie eine von stadtweit drei Mandatsträgern neben Ratsherr Bekir Sipahi und Tunay Altuntas im Integrationsrat. Offen vertritt sie, dass sie Peter Hoppe (SPD) im November als Bezirksbürgermeister mit wählte und hinter dem „Konsens gegen Rechts“ steht.
Wählerbündnis SfD hat mutmaßlich mit der AfD zusammengearbeitet
Doch nicht jeder in der Bezirksvertretung kauft ihr noch diese Überzeugung ab, seitdem Sipahi für die SfD im Stadtrat mutmaßlich mit den Rechtspopulisten der AfD zusammen abstimmte, als es um Gremiumsposten ging. Deshalb schloss man SfD-Frau Tokgür bewusst aus, als sich die Mehrheit der Bezirksvertreter vor der Sitzung einigte, wie sie rund 20.000 Euro Fördergeld für Vereine und Veranstaltungen ausgibt.
„Ich bin hart im Nehmen, und ich fühle mich nicht isoliert“, sagt Melekper Togkür, die nichts über Absprachen mit der AfD wisse. Sie versichert, nichts mit den Rechten zu tun haben zu wollen. Tatsächlich hat sie schon früh nach der Kommunalwahl darauf eingewirkt, dass sie nicht neben der AfD-Fraktion sitzt.
Denn anhand von Hautfarbe, Herkunft oder Religion bewerte sie niemanden, „mich kümmert nur, dass man Mensch ist“. Ihr Migrationshintergrund und ihr Kopftuch rufe aber oft die Vorurteile hervor, dass sie rückständig und konservativ sei. Dabei versteht sie sich als Frauenrechtlerin und weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, sich als junge Mutter scheiden zu lassen und die Tochter alleine großzuziehen.
Probleme traumatisierter Frauen lassen sich in Duisburg oft nicht politisch lösen
Auf hilfesuchende Frauen trifft Tokgür auch in der Laarer Moschee, weshalb für sie jedes Gotteshaus „ein Zufluchtsort und ein Ort fürs Miteinander“ sein sollte. „In einer Moschee hat Politik nichts zu suchen“, findet sie deshalb, will dies aber nicht als Forderung missverstanden wissen, dass der türkische Staat sich aus den deutschen Moscheen zurückziehen soll.
Ob bei traumatisierten Frauen oder Flüchtlingen, die Laarer Neupolitikerin muss bislang erkennen, dass viele Probleme der Betroffen sich in Duisburg „nicht politisch lösen lassen“.
Laar braucht mehr Geschäfte und Gastronomie
Das sieht sie bei Missständen in ihrem Stadtteil aber anders. „Laar soll schöner werden“, gibt sie das Hauptziel nach ihrem politikfreien Urlaub vor, doch dabei sollten Migrantinnen und Migranten ebenfalls berücksichtigt werden müssen.
Zumal deren Interessen gar nicht so unterschiedlich seien: Die Kriminalität findet Togkür in Laar, wo sie mit ihrer erwachsenen Tochter hinter dem Rheindeich lebt, zu hoch. Zudem müsse die Friedrich-Ebert-Straße weiterentwickelt werden, damit sie attraktiv genug wird, um neue Geschäfte und Gastronomie anzuziehen.
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Dies will sie begleiten, aber durch ihr Mandat von den Duisburgern nicht plötzlich anders behandelt werden: „Ich bin und bleibe die Melli.“
>> WÄHLERBÜNDNIS OHNE PROGRAMM UND OHNE WEBSEITE
● Das noch junge Wählerbündnis „Solidarität für Duisburg“ wird skeptisch beäugt. Der Ruf von Ratsherr Bekir Sipahi als türkischer Nationalist darauf abfärbt. Seinen Wahlkampf führte er vor allem auf Türkisch, was einen Großteil der Duisburger Wähler ausschloss. Zudem verhehlt er nicht seine Bewunderung für den türkischen Präsidenten Erdoğan. Bei der Kommunalwahl hat die SfD für den Rat 0,69 % der Stimmen erhalten und 2,9 % im Bezirk Meiderich/Beeck.
● Bezirksvertreterin Melekper Tokgür sieht die SfD, deren Migrationsbeauftragte sie ist, aber nicht als migrantisches Bündnis wie die WGD. „Wir sind offen für alle.“ Derzeit haben die zehn Mitglieder demnach aber tatsächlich einen türkischen, kurdischen oder arabischen Migrationshintergrund. Dass es bisher, räumt sie ein, keine Webseite gibt, mache es natürlich nahezu unmöglich, die Positionen der SfD kennenzulernen.
● „Wir alle wollen, dass Duisburg lebenswerter und schöner wird“, fasst sie den Kern ihres Wählerbündnisses zusammen und wünscht sich, dass alle Duisburger unabhängig ihrer Herkunft daran gemeinsam arbeiten. Ein echtes Wahlprogramm gebe es aber noch nicht, denn die Mitglieder seien fast alle Politikneulinge „und wir sind sehr verschieden“. Die Corona-Pandemie habe einen Austausch schwierig gemacht.