Bottrop. Seit Januar gibt es eine neue EU-Richtlinie. Alte Textilien dürfen nicht mehr in die Restmülltonne. Stimmt das? In Bottrop herrscht Verwirrung.

Es gibt eine neue EU-Richtlinie für Altkleider, die seit dem 1. Januar gilt: die Getrenntsammlungspflicht. Demnach dürfen Altkleider nicht mehr über die Restmülltonne entsorgt werden. Das hat zur Folge, dass auch beschädigte, dreckige und schimmelige Klamotten zusammen mit tragbarer Kleidung in den Altkleidercontainern landen. Die bisherige Restmülltonne ist tabu.

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Die EU verfolgt mit der neuen Richtlinie ein Ziel. Alte Textilien sollen wiederverwertet, die Müllmenge reduziert werden. Kaputte Kleidung aus der Restmülltonne landet gewöhnlich in der Verbrennung. Auch Bettwäsche, Gardinen oder Handtücher sollen in den Altkleidercontainern entsorgt werden.

Kommunale Entsorger wie die Bottroper Entsorgung und Stadtreinigung (Best) sind nun in der Pflicht. „In der Tat beschäftigen wir uns derzeit mit dem Thema. Wir gehen derzeit davon aus, dass wir die Voraussetzungen der neuen Richtlinie einhalten“, erklärt Best-Prokurist Jannik Hohmann.

Bottroper Entsorger ist im Austausch mit der Unteren Abfallbehörde der Stadt

Noch ist unklar, wie das passieren soll. „Wir befinden uns mit der Stadt Bottrop, als Unterer Abfallbehörde, in Gesprächen zu dem Thema“, erklärt Hohmann. „Ziel ist es, zu überprüfen, ob und gegebenenfalls was wir im Sinne der neuen Richtlinie im Betriebsablauf anpassen beziehungsweise verbessern müssen.“

Die Bottroper Entsorgung und Stadtreinigung (Best) betreibt 126 Altkleidercontainer im Stadtgebiet, hier ein Container am Lamperfeld.
Die Bottroper Entsorgung und Stadtreinigung (Best) betreibt 126 Altkleidercontainer im Stadtgebiet, hier ein Container am Lamperfeld. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Denn wie der Name schon sagt, es handelt sich um eine EU-Richtlinie und nicht zum Beispiel um eine EU-Verordnung. „Eine Verordnung ist bindend“, erklärt der Prokurist. Eine Richtlinie müsste in nationales Recht umgesetzt werden. Hier wäre also der Gesetzgeber gefragt. Der Bund müsste ein entsprechendes und konkretes Gesetz erlassen. „Deutschland ist bei dem Thema sehr zurückhaltend“, sagt Hohmann.

Verwirrung über die neue EU-Richtlinie: Best will Stichproben vornehmen

„Die Richtlinie muss umgesetzt werden. Die Frage ist nur, wie?“, sagt Jannik Hohmann. Die Best selbst betreibt 126 Altkleidercontainer im gesamten Stadtgebiet. Mit einem Dienstleister, der Firma Wittmann, besteht ein zwei Jahre laufender Vertrag. Wittmann übernimmt die Leerung der Container und die Verwertung der Altkleider.

Ob unbrauchbare Kleidung trotz EU-Richtlinie weiterhin in der Bottroper Restmülltonne entsorgt wird, lässt sich wahrscheinlich kaum kontrollieren. „Wir machen Stichproben“, sagt Jannik Hohmann. Das habe man aber auch schon vor der Richtlinie und auch bei anderen Abfällen getan.

„Die Richtlinie muss umgesetzt werden. Die Frage ist nur, wie?“

Jannik Hohmann, Prokurist der Best

Wenn Tonnen ungewöhnlich schwer oder leicht sind, werden sie von den Best-Mitarbeitern kontrolliert. Tonnen mit offensichtlichen Fehlbefüllungen werden nicht geleert und stehen gelassen. Mit der Folge, dass der Nutzer der Tonne für die Nachsortierung verantwortlich ist.

Wie der Verbraucher jetzt reagieren soll, bleibt unklar. Die NRW-Verbraucherzentrale bezieht sich nämlich auf eine Aussage des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU). Damit die Entsorgungsbetriebe das ohnehin schon aufwändige Sortieren und Recyceln der Textilien überhaupt noch leisten können, seien Qualität und sorgfältige Trennung der Alttextilien laut VKU besonders wichtig. „Aus diesem Grund sollten stark zerschlissene, verdreckte oder anderweitig kontaminierte Textilien weiterhin über die Restmülltonne entsorgt werden.“

Was eine Fachfirma für Textilrecycling bei der Entsorgung empfiehlt

Und was sagt die Firma Wittmann, der Dienstleister der Best? „Besser und nachhaltiger ist es, Bekleidung und Textilien, die nicht mehr verwendet werden können, nach wie vor über den Restmüll zu entsorgen. Gute Bekleidung und Textilien jedoch müssen in die Altkleidercontainer gegeben werden und dürfen nicht mehr im Restmüll landen“, schreibt Martin Wittmann, Geschäftsführer der Lorenz Wittmann GmbH, auf WAZ-Nachfrage.

Das Unternehmen für Textilrecycling existiert seit 1966, hat seinen Firmensitz in Geisenhausen im bayrischen Landkreis Landshut und beschreibt sich als „eines der größten deutschen Unternehmen im Bereich Altkleidersammlung und -Verwertung“ und engagiert sich „in deutschen und europäischen Recyclingverbänden“.

Firma für Textilrecycling äußert sich zur Getrenntsammlungspflicht

Martin Wittmann erklärt: „Bei den Meldungen um die sogenannte Getrenntsammlungspflicht handelt es sich um eine Fehlinformation. Die Getrenntsammlungspflicht verpflichtet den Staat beziehungsweise die öffentlich-rechtlichen Entsorger (Landkreise und kreisfreie Städte) lediglich, ein vom Restmüll abgetrenntes Sammelsystem für Altkleider und Schuhe vorzuhalten, wie zum Beispiel für Altglas und Altpapier.“

Wittmann führt aus: „Es bedeutet nicht, und es steht auch nirgends im Gesetz, dass kaputte, verschlissene und auch verschmutzte Textilien jetzt auch in die Altkleidercontainer gegeben werden müssten.“

Markt für Altkleider steckt in einer Krise: Das sind die Gründe

Das etablierte Sammelsystem für Altkleider und Schuhe existiere laut Wittmann in Deutschland seit langem und basiere auf drei Säulen: gemeinnützige Sammlung (durch zum Beispiel Rotes Kreuz oder Kolping), gewerbliche Sammlung (zum Beispiel bei Supermärkten) und kommunale Sammlung (auf Wertstoffhöfen und -Inseln).

Für Recycling-Firmen ist es offensichtlich keine gute Zeit. „Das Sammelsystem hat sich bislang finanziell selbst getragen. Jetzt befindet sich der Altkleidermarkt in einer beispiellosen Krise“, erklärt Martin Wittmann und nennt die Gründe: „Verdrängung des Secondhandhandels von zu starker Konkurrenz durch billigste Neuwaren aus dem fernen Osten, Kriege und Krisen in den wichtigsten Importländern (Ukraine, Russland, naher Osten, afrikanische Staaten) und ein starker Anstieg des Müllanteils in den Sammelcontainern (schon vor der sogenannten „Getrenntsammlungspflicht“), der zu sehr hohen Kosten in die Müllverbrennung geht.“

„Das Sammelsystem hat sich bislang finanziell selbst getragen. Jetzt befindet sich der Altkleidermarkt in einer beispiellosen Krise.“

Martin Wittmann, Geschäftsführer der Lorenz Wittmann GmbH

Aus seiner Sicht hätte eine „falsch verstandene Getrenntsammlungspflicht“ in der Zukunft entsprechende Folgen: „Zusätzlich landen mehr defekte und stark verschmutzte, also nicht mehr tragbare Textilien in den Altkleidercontainern.“ Eine weitere Befürchtung: „Noch mehr unbrauchbare Textilien gehen in die Müllverbrennung, entsprechender Anstieg der Umwelt- und Entsorgungskosten.“

Der Geschäftsführer malt ein schlimmes Szenario: „Textilrecycling in der heutigen Form rentiert sich dann nicht mehr, was zum Kollaps der etablierten Altkleidersammlung- und Verwertungsstrukturen führt, vor allem betrifft dies die gewerbliche und gemeinnützige Sammlung.“ Die Kommunen müssten einspringen. „Die Kosten dafür trägt dann der Steuerzahler über gestiegene Müllgebühren.“

„Das widerspricht in eklatanter Weise dem Kreislaufwirtschaftsgesetz“

Martin Wittmann weiter: „Es gibt bereits Kommunen, denen der Auftragnehmer abgesprungen ist, und wo Altkleider gerade ohne weitere Behandlung zu hohen Kosten verbrannt werden. Das widerspricht in eklatanter Weise dem Kreislaufwirtschaftsgesetz und seiner fünfstufigen Abfallhierarchie (Vermeidung, Wiederverwendung, Recycling, Verwertung, Beseitigung).“

Es verstoße auch in großem Maße gegen den Klimaschutz. „Die Kommunen werden sich an den stark steigenden Entsorgungskosten beteiligen müssen“, mahnt der Geschäftsführer.

Bei der „Stöberstube“, einem Sozialkaufhaus der Caritas an der Glückaufstraße, wird unter anderem gespendete Kleidung angenommen und bei guter Qualität wieder verkauft und somit der Kreislaufwirtschaft zugeführt. Nicole Berger, Sozialarbeiterinnen in dem Caritas-Projekt, glaubt, dass diese neue EU-Richtlinie noch nicht in den Köpfen der Bevölkerung angekommen ist.

Die gespendeten Altkleider werden in brauchbar und unbrauchbar aussortiert. Die Möglichkeit besteht, dass anstatt in der Restmülltonne vermehrt schlechte und kaputte Kleidung bei der Stöberstube landet, die diese dann wiederum vermehrt entsorgen müsste. „Das ist durchaus vorstellbar, ist bei uns bisher aber nicht vorgekommen. Wenn es so kommen sollte, wäre das für uns eine Herausforderung“, sagt Nicole Berger.