Bottrop. Die Caritas gibt Langzeitarbeitslosen in der Stöberstube eine Perspektive. Drei Teilnehmer erzählen, wie sie wieder in die Gesellschaft fanden.
Es ist noch nicht lange her, da saß Doris Machoczek täglich „auf der Platte“. So nennen die, die dort ihre Tage verbringen, den Unterstand am Berliner Platz. Drogen genommen habe sie nicht, aber bei der Trinkerszene viel Zeit verbracht. Heute ist die 59-Jährige, die alle nur Doris nennen, „die gute Seele des Kinderladens“ in der Stöberstube, dem sozialen Kaufhaus der Caritas in der Glückaufstraße in Batenbrock.
Es ist eine Einrichtung, von der viele profitieren: Die, die dort Gebrauchtes sinnvoll abgeben können; die, die dort Praktisches günstig kaufen können – und die, die dort Arbeit gefunden haben und viele sogar mehr als das: wieder einen Sinn im Leben.
+++ Wollen Sie keine Nachrichten mehr aus Bottrop verpassen? Dann abonnieren Sie hier unseren WhatsApp-Kanal
Bottroper Stöberstube: „Menschen da abholen, wo sie stehen“
Horst Mienert hat früher selbst anderen geholfen. Er arbeitete mit Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen, im Schichtdienst, mit hoher Belastung, anspruchsvoll und fordernd. „Aber das war meine Berufung“, sagt er. Ein Schicksalsschlag warf ihn zurück, er verlor seine Arbeit, erlitt „schwerste Zusammenbrüche“, wie er sagt. Er habe lange nicht begriffen, dass er jetzt derjenige ist, der Hilfe braucht.
Bis er zum Zentrum zur Arbeitsorientierung (ZArbO), zu dem die Stöberstube gehört, kam. Hier werden Menschen, die schwer in Arbeit zu vermitteln sind, langsam wieder an einen strukturierten Alltag herangeführt. 2007 begann das Projekt der Caritas, damals mit 20 Männern und Frauen, die gesundheitlich eingeschränkt und von Drogen-Substitution abhängig waren.
„Die Menschen werden hier leistungsmäßig da abgeholt, wo sie stehen“, sagt Frank Baldigowski, der das Projekt vor 17 Jahren mit auf den Weg gebracht hat und es für das Jobcenter betreut. Der Schlüssel zum Erfolg ist der soziale Zusammenhalt – und dass die Teilnehmer einen Sinn in ihrer Aufgabe sehen. „Es muss ihnen etwas bringen, damit sie gerne für 1,50 Euro die Stunde arbeiten“, sagt Baldigowski.
Projekt für Langzeitarbeitslose: Keine Zuweisungen und Zwänge
Doris kommt jeden Morgen gerne in die Stöberstube. „Hier kann man Spaß machen, damit fange ich schon morgens an“, sagt sie. Im Kinderladen ist sie die Chefin, kennt die Kundinnen und Kunden, die hier mit dem Caritas-Pass einkaufen dürfen. Da bleibt auch schon mal ein Kind für ein Weilchen bei ihr, damit die Mutter in Ruhe einkaufen gehen kann. Hier kümmert sich jeder um jeden.
Am liebsten würde sie hier weiterarbeiten, doch die Zeit im ZArbO ist auf drei Jahre angelegt. In der Zeit lernen die Teilnehmer, wieder einem geregelten Tagesablauf nachzugehen, Verantwortung zu übernehmen. „Wir versuchen, den Menschen dahin zu bringen, den nächsten Schritt zu gehen“, sagt Frank Baldigowski. Da gehe es nicht um Zuweisungen und Zwänge, sondern um Unterstützung und Wertschätzung.
„Jeder bekommt die Möglichkeit, sich hier vorzustellen“, sagt Nicole Berger, eine von zwei Sozialarbeiterinnen in dem Caritas-Projekt. „Unsere Tür steht immer offen.“ Sie begleiten die Teilnehmer auch zu Ärzten oder Ämtern, unterstützen bei bürokratischen Fragen. Man biete ihnen einen Raum zur freien Entscheidung. Hier muss niemand befürchten, bei einem gescheiterten Jobversuch Leistungen gekürzt zu bekommen.
„Keine Arbeit zu haben, lässt dich in Tagträumen verlieren“
Einer, für den die Stöberstube das Sprungbrett in eine reguläre Arbeit war, ist Thomas Meyer. Seit 16 Jahren ist er alleinerziehend, rückte immer mehr aus dem gesellschaftlichen Leben raus, bekam psychische Probleme und verlor seinen Job als Gas- und Wasserinstallateur. „Keine Arbeit zu haben, lässt dich in Tagträumen verlieren“, sagt der 57-Jährige.
- Sozialkaufhaus: Hier gibt es auch Luxus im Angebot
Dann kam er in die Stöberstube, war drei Jahre lang Fahrer für Möbel. Denn in dem Sozialkaufhaus gibt es neben Kleidung, Spielzeug und Geschirr auch die Möglichkeit, günstige Schränke oder Betten zu erwerben. Die Mitarbeiter der Stöberstube fahren bei Angeboten raus, begutachten die Möbel und transportieren sie an die Glückaufstraße.
- Marienhospital soll Knappschaftskrankenhaus werden
- Depressive Kinder: „Manche gehen monatelang nicht zur Schule“
- Vestische-Geschäftsführer am Steuer: ZOB ist eine enge Kiste
- Nach Bombensprengung: Diakonie muss hohen Schaden zahlen
Langzeitarbeitsloser ist jetzt für 400 Wohnungen in Bottrop zuständig
Thomas Meyer fand zurück ins Leben, war „der Mann für alle Fälle“, wie er sagt. Als ein Mitarbeiter der Wohnungsverwaltung der Caritas in den Ruhestand ging, rückte der 57-Jährige nach. Heute ist er als Haustechniker für rund 400 Wohnungen zuständig. „Für mich passte das super, mir liegt es, auf die Leute zuzugehen“, sagt Thomas Meyer glücklich. „Ich kann jetzt wieder an der Gesellschaft teilnehmen.“
Auch Horst Mienert hat den Übergang geschafft und arbeitet jetzt als Bürokraft in der Stöberstube. Früher habe er schon freitags nach dem Feierabend Angst vor Montag gehabt, heute freut er sich jeden Abend schon wieder auf den nächsten Tag. „Ich kann nicht in Worte fassen, wie dankbar und erfüllt ich bin.“