Bottrop. Ein Sportplatz verwildert, die Stadt hat ihn vor Jahren aufgegeben. Warum bisher nichts passiert und wo eine neue Sportstätte entstehen könnte.

Die Welheimer Mark hat einen Lost Place. Also einen Ort, der früher das blühende Leben darstellte und seit langem nicht mehr genutzt wird und immer mehr in Vergessenheit gerät. Der frühere Sportplatz an der Klopriesstraße war die Heimat des SSV 1951. Der einzige Fußballverein im Stadtteil, der für die Menschen vor Ort schon immer mehr war als nur ein Verein. Er war ein Treffpunkt für Kinder, Jugendliche und Familien.

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Zweite Daten haben sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Der Rat der Stadt beschloss in seiner Sitzung am 28. November 2017 das Ende für den Sportplatz. Zugleich entschied man sich für den Neubau eines Kunstrasenplatzes in Welheim. Zum 30. Juni 2019 wurde der Platz in der Welheimer Mark schließlich endgültig aufgegeben. Vom SSV 1951 existierte nur noch eine Mannschaft – zu wenig für eine Zukunft.

Doch der Abstieg zeichnete sich schon Jahre vorher ab. „Es fing an, als im Stadtgebiet die ersten Kunstrasenplätze entstanden“, meint Jürgen Döblitz, der jahrzehntelang so gut wie alle im Verein trainiert hat, von den Kleinen bis zu den Erwachsenen.

Unten sieht man das frühere Vereinsheim des SSV 1951. Das Gebäude wird nicht mehr genutzt, der Sportplatz verwildert immer mehr.
Unten sieht man das frühere Vereinsheim des SSV 1951. Das Gebäude wird nicht mehr genutzt, der Sportplatz verwildert immer mehr. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Inzwischen wird etwa beim VfB Bottrop oder bei Rhenania, SV 1911, Blau-Weiß Fuhlenbrock oder beim VfB Kirchhellen auf feinstem künstlichen Geläuf gekickt. Kinder und Jugendliche aus der Welheimer Mark wechselten zu Vereinen mit Kunstrasenplätzen. Da konnte der SSV 1951 nicht mithalten.

In der Welheimer Mark ist seit der Aufgabe des Platzes nichts passiert. Pflanzen und Sträucher haben das Sagen. Das Tor zum Platz ist abgeschlossen. Luftbilder zeigen, dass die Asche an einigen Stellen kaum noch zu erkennen ist. Die Natur erobert sich ihren Raum zurück.

Ex-Spielern blutet das Herz, wenn sie den Fußballplatz jetzt sehen

Wilfried Küllmer, auch früher Spieler beim SSV 51, „blutet das Herz“, wenn er sieht, in welchem Zustand, sich der Platz befindet. „Es ist heute eben eine andere Zeit“, sagt Herbert Matthes. Gefühlt schnürte er schon seit seiner Geburt die Fußballschuhe für den Verein wie der Rest seiner Familie. „Früher gab es nur Fußball, Fußball und Fußball. Jede freie Minute hat man auf dem Fußballplatz verbracht.“ 

Niemand dachte an Kunstrasen – schon gar nicht in der Welheimer Mark. Mit aufgeschürften Knien und Asche am Trikot gingen die Spieler nach Sieg oder Niederlage vom Platz, egal bei welchem Wetter.

„Erst als klar war, dass der Sportplatz aufgegeben werden würde, reifte – insbesondere in der Politik – die Idee, hier ein Wohngebiet zu entwickeln. Die Aufgabe des Sportplatzes in der Welheimer Mark erfolgte nicht, um dort Wohnungen zu bauen, sondern, weil der Platz eben nicht mehr intensiv genutzt wurde und eine Erhaltung finanziell nicht mehr haltbar war.““

Pressestelle der Stadt Bottrop

Aber für Fußballromantik kann man sich heutzutage nichts mehr kaufen. Das gilt im Breiten- wie im Profisport. Man denke nur jüngst an die Diskussionen an Jürgen Klopp und seiner neuen Funktion bei Red Bull.

Der SSV 1951 ist Geschichte. Was bleibt, sind die Erinnerungen. Die Gründung eines neuen Fußballvereins im Stadtteil nach einer Renaturierung des verwilderten Platz: Undenkbar. „Das ist unheimlich schwierig“, sagt Marian Krzykawski, stellvertretender Bezirksbürgermeister, Welheimer Marker und einst auch SSV-51-Spieler. Zu viele Spieler seien in den vergangenen Jahren gewechselt. Von Kosten und Finanzierung ganz zu schweigen. „Der Aufbau eines neuen Vereins würde Jahre dauern.“

Die Stadt plant anders. Auf WAZ-Nachfrage schreibt die Pressestelle: „Erst als klar war, dass der Sportplatz aufgegeben werden würde, reifte – insbesondere in der Politik – die Idee, hier ein Wohngebiet zu entwickeln. Die Aufgabe des Sportplatzes in der Welheimer Mark erfolgte nicht, um dort Wohnungen zu bauen, sondern, weil der Platz eben nicht mehr intensiv genutzt wurde und eine Erhaltung finanziell nicht mehr haltbar war.“

Warum die neue Nutzung des Fußballplatzes so lange dauert

Passiert ist seit fünf Jahren nichts. „Wir wollen natürlich nicht, dass ein Lost Place entsteht“, so die städtische Pressestelle. „Grundsätzlich sollte die Unterhaltung der Fläche bis zur späteren Verwendung gering gehalten werden, aber wenn es Beschwerden gibt, werden wir natürlich tätig.“

Man will „auch prüfen, ob die noch vorhandenen Gebäude möglicherweise eingezäunt werden. Die Abrisskosten sollten eigentlich in den Haushalt eingestellt werden, sind aber aufgrund der Finanzsituation zurückgestellt worden.“

Seit der Platzaufgabe vor fünf Jahren ist nichts passiert

Der Bau von Wohnungen lässt seit der Platzaufgabe weiter auf sich warten. „Von Anfang an war klar, dass dazu der Flächennutzungsplan geändert und ein Bebauungsplan aufgestellt werden muss. Diese Bauleitplanverfahren dauern erfahrungsgemäß im besten Falle drei Jahre“, teilt die Stadt schriftlich mit.

Weiter wird ausgeführt: „Wenn die Rahmenbedingungen nicht einfach sind, kann es aber deutlich aufwändiger sein. Dies ist hier der Fall: Eine Lösung der Immissionsschutzproblematik im Hinblick auf die nahe gelegene Kokerei muss entwickelt und abgestimmt werden und der Untergrund ist nicht ohne weiteres bebaubar, da hier eine mit Bauschutt verfüllte Abgrabung vorliegt.“

Laut Stadt Bottrop müssen diverse Gutachten beauftragt werden

Darüber hinaus müssen Gutachten eingeholt werden. Die Stadt zählt auf: „Entwässerung des Niederschlagswassers, Verkehr, Lärm, Altlasten, Kampfmittel, Artenschutz sowie naturschutzrechtlicher Ausgleich.“ Bei diesen Themen seien laut Stadt die rechtlichen Hürden mittlerweile enorm hoch, was ein Verfahren erheblich in die Länge ziehen kann. „Häufig baut auch ein Gutachten auf dem anderen auf, sodass nicht alles gleichzeitig erarbeitet werden kann“, heißt es.

Und weiter: „Hinzu kommt hier, dass die Stadt Bottrop als Eigentümerin der Fläche alle Gutachten selber beauftragen muss. Dazu sind anders als bei privaten Entwicklern öffentliche Ausschreibungen erforderlich, die gewisse Zeiten in Anspruch nehmen.“

Forderung: Eine neue Sport- und Bewegungsfläche muss geschaffen werden

Dabei hat sich die Welheimer Mark in den vergangenen Jahren gewandelt. Marian Krzykawski nennt als ein gutes Beispiel den zuletzt wieder sprudelnden Brunnen am Döckelhorst, ein neuer Treffpunkt ist entstanden. Immer mehr Familien mit Kindern sind in den Stadtteil gezogen. Doch es fehlt noch mehr Wohnraum und seit der Aufgabe des Fußballplatzes auch der benötigte Platz für sportliche Aktivitäten.

Das soll sich ändern. Die SPD hat auch schon eine Fläche ausgemacht. Sie liegt hinter der Schule am Tetraeder. Die dortige grüne Wiese würden sich nach Ansicht der SPD dafür eignen, zum Beispiel ein Platz für Sport und Bewegung mit einem Kleinfeld.

Links sind im Anschnitt die Container der Schule am Tetraeder zu sehen. Auf der grünen Wiese soll nach Forderung der SPD eine Fläche für Sport und Bewegung entstehen.
Links sind im Anschnitt die Container der Schule am Tetraeder zu sehen. Auf der grünen Wiese soll nach Forderung der SPD eine Fläche für Sport und Bewegung entstehen. © li | li

„Wenn man die Grundschule und die Schule am Tetraeder zusammenfasst, ist dort eine der größten Schulstandorte der Stadt. Aber die Kinder haben kaum eine Möglichkeit, sich sportlich zu bewegen“, meint Andreas Morisse, der in der Welheimer Mark wohnt und Sprecher der SPD im Betriebsausschuss des Sport- und Bäderbetriebs ist.

„Der Platz soll so gestaltet werden, dass auch die Menschen aus der Siedlung ihn nutzen können“, sagt Andreas Morisse. Noch stehen allerdings Schulcontainer auf einem Teil der Fläche. Seit 2020 wird der erhöhte Raumbedarf mit zwei Klassenräumen so aufgefangen. Ein Anbau zur Erweiterung der Schule am Tetraeder ist jedoch geplant.

Die Forderung der SPD: Wenn die Baumaßnahme an der Schule soweit beendet ist, dass die Container abgebaut werden können, soll in die Planung und Umsetzung eingestiegen werden. Die Nachfrage an Sportflächen in der Welheimer Mark ist da. Andreas Morisse: „Es ist unsinnig, dass Kinder sich in einen Bus setzen und quer durch die halbe Stadt fahren müssen, wenn man draußen an der Schule die Möglichkeit hat, sich zu bewegen. Das gilt insbesondere für die Schülerinnen und Schüler der Schule am Tetraeder.“

Denn deren Transport gestaltet sich mitunter aufwändiger. Die Schule am Tetraeder ist eine Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung, teils sind die Schülerinnen und Schüler auf einen Rollstuhl angewiesen.