Bottrop. Die Schüler des Bottroper Berufskollegs wehren sich in einem offenen Brief gegen den AfD-Bürgerdialog an ihrer Schule. Das sagt die Stadt.

Die Schülerinnen und Schüler des Bottroper Berufskollegs sind besorgt. Die Alternative für Deutschland will am kommenden Mittwoch (18. September) einen Bürgerdialog im Lichthof der Schule abhalten. Gleich vier Abgeordnete der Bundestagsfraktion der Partei sollen dabei auf der Bühne stehen. Die Schülervertretung will sich dagegen nun wehren – und hat deshalb einen langen Brief an die Stadt geschrieben.

Bottroper Schüler sorgen sich vor Unruhe wegen AfD-Bürgerdialog

Die Veranstaltung sorge in der Schule für viele Gespräche, teils sogar für Spaltung. „Viele Schülerinnen und Schüler waren verwirrt, als sie erfahren haben, dass die AfD hier eine Veranstaltung abhalten will, einigen gefällt das so gar nicht“, erklärt eine Sprecherin der Schülervertretung (SV) gegenüber der Redaktion. Seither steigt, auch innerhalb der Schülerschaft, die Sorge vor Unruhe. Deshalb wandte man sich an die Stadt.

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In ihrem offenen Brief an Oberbürgermeister Bernd Tischler und die Stadtverwaltung haben die Schüler ihre Besorgnis nun konkretisiert und kundgetan: „Am Berufskolleg lernen rund 2000 Schülerinnen und Schüler aus mehr als 50 Nationen friedlich mit- und voneinander. Für uns ist es unvereinbar, dass eine zum Teil als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Partei, im Lichthof unserer Schule tagen darf.“

Schüler des Berufskollegs fordern: „Vermietung unterlassen“

„Wir sind der Ansicht, dass durch die Veranstaltung eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu befürchten ist“, heißt es in dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt, weiter. In diesem Fall, so erklären sie anhand der Benutzungs- und Entgeltordnung der Stadt Bottrop für die Vermietung von Schulraum an außerschulische Nutzer (BuEO Schulraum 2019), könne eine Vermietung nicht erfolgen. Die Schülervertretung fordert die Stadt daher dazu auf, die „Vermietung zu unterlassen“.

Im Innenhof des Berufskollegs prangt ein Schild, hinter dem die SV geschlossen steht:  „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“
Im Innenhof des Berufskollegs prangt ein Schild, hinter dem die SV geschlossen steht: „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ © Wischermann / WAZ

Gerade der geschichtsträchtige Veranstaltungsort, der Lichthof des Berufskollegs, sei aus Sicht der SV unpassend. „Wir haben erst kürzlich eine Gedenktafel in unserem Lichthof verlegt. Diese erinnert an die schrecklichen Taten von NS-Schlägern und den Gräueltaten während der Reichspogromnacht in Bottrop. An derselben Stelle, an der die Gedenktafel verlegt wurde, tagt nun die AfD“, gibt sie zu bedenken.

Stadt reagiert auf Brief: Vermietung kann nicht verhindert werden

Dass die Verhinderung einer Vermietung der Schulräumlichkeiten nicht wirklich umsetzbar ist, bestätigt die Stadt auf Nachfrage und verweist auf einen Fall, über den am 14. Juni am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschieden worden ist. Damals hatte die Stadt Essen versucht, den Bundesparteitag der AfD in der Essener Gruga-Halle zu verhindern. Per Gerichtsbeschluss ist infolge festgestellt worden, dass der Partei der Veranstaltungsort überlassen werden muss.

„In Bottrop ist es“, so klärt Pressesprecherin Jeanette Kuhn auf, „politischen Parteien generell erlaubt, auch Schulgebäude für politische Veranstaltungen zu nutzen.“ Hierbei müsse die Stadt als Behörde alle Parteien gleich behandeln, andernfalls wäre ebenso mit einer Niederlage vor dem Verwaltungsgericht zu rechnen. Außerdem sei die Partei vom Bundeswahlleiter zugelassen und nicht verboten. Damit scheint die Stadt machtlos.

Bottrops Oberbürgermeister begrüßt Engagement

Der Bottroper Oberbürgermeister Bernd Tischler, der selbst auf der Kundgebung des Bündnis Buntes Bottrop vor dem Berufskolleg reden wird, begrüßt das Engagement der Schülervertretung dennoch. Er habe den offenen Brief aufmerksam gelesen und will auf der Veranstaltung mit den Schülerinnen und Schülern ins Gespräch kommen und auf den Brief eingehen.

Er wolle dort zudem noch einmal deutlich machen, „dass uns Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit wichtig sind und dass es nur ein kleiner Teil der Bevölkerung ist, der diese Werte nicht teilt“. Oft sei, so der Oberbürgermeister, es aber so, dass sich diese Minderheit geschickt inszeniere und durch besonders reißerische und laute Meinungsäußerungen Stimmung mache. „In solchen Momenten ist es unsere Aufgabe als Bottroperinnen und Bottroper, uns dem Lärm der Minderheit entgegenzustellen und zu zeigen, dass sie genau das ist, eine Minderheit, deren Ideen vom Großteil der Bürgerinnen und Bürger nicht geteilt werden.“ 

Bottroper Schüler fordern neue Regelungen für Vermietung

Die Schülervertretung hofft aber weiterhin, dass der Bürgerdialog der AfD gar nicht erst stattfindet. Ihr wäre es grundsätzlich recht, dass alle Parteien aus dem Lichthof – und auch aus anderen Schulgebäuden in Bottrop – ausgeschlossen werden. „Der Schulraum sollte neutral bleiben. Wir wollen nicht, dass in unserer Schule Hass und Hetze auf Minderheiten verbreitet werden! Egal von wem.“

Daher fordern die Schülerinnen und Schüler des Berufskollegs, das den Siegel „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ tragen darf, die Stadt weiterhin dazu auf, neue Regelungen für die Vermietung des Gebäudes aufzustellen.

Hierzu teilt die Stadtverwaltung mit, dass das Thema in der Vergangenheit mehrfach im Rat diskutiert und von der Verwaltung erläutert wurde. Als SV, so verrät eine Sprecherin, habe man immerhin „alles gegeben“, auch wenn die Veranstaltung letztlich möglicherweise nicht verhindert werden kann. „Wir wollen wenigstens versuchen, die Stadt zu überzeugen, und die Meinung der gesamten Schüler abbilden.“ Deshalb werde die Schülervertretung selbst auch stellvertretend auf der Kundgebung des Bündnis Buntes Bottrop sein und dort Flagge zeigen.

Die Kundgebung (Motto: „Bottrop lebt Vielfalt“) startet auf dem Hans-Sachs-Platz, direkt vor dem Berufskolleg, am Mittwoch (18. September) um 18 Uhr. Der Bürgerdialog der Alternative für Deutschland im Inneren des Berufskollegs soll um 19 Uhr beginnen.