Essen. Auf drei juristischen Wegen will die AfD ihren Bundesparteitag in der Grugahalle Essen doch noch retten. Fällt die Entscheidung kommende Woche?

Am Donnerstag (6. Juni), zu vorgerückter Stunde, da versuchten sie es noch ein letztes Mal im Guten: Schrieben eine E-Mail an den Essener Messe-Chef und forderten Oliver P. Kuhrt auf, die ausgesprochene Kündigung der Grugahalle für die AfD zurückzunehmen und die Bühne für deren geplanten Bundesparteitag Ende Juni doch noch freizugeben. Diesmal war es die Messe, die das gesetzte Ultimatum, bis Freitag früh um zehn, ungenutzt verstreichen ließ. Und deshalb fällt die Entscheidung für oder gegen den umstrittenen Parteitag der „Alternative für Deutschland“ nun – vor Gericht.

AfD-Bundesparteitag: Noch am Freitag sollte das Landgericht Post von der AfD bekommen

Michael Fengler, als Anwalt der Kölner Kanzlei Höcker mit der Materie betraut, wähnt sich dabei auf der sicheren Seite. Gleich auf drei juristischen Pfaden ist er in diesen Tagen unterwegs, und jedes einzelne der drei Verfahren, glaubt Fengler, könnte ihn zum Ziel führen: dem freigeräumten Weg zum AfD-Bundesparteitag am 29. und 30. Juni in der Grugahalle.

Schon vor neun Jahren hielt die AfD ihren Bundesparteitag in der Essener Grugahalle ab: Damals putschte sich die längst aus der Partei ausgetretene Frauke Petry gegen den damaligen Vorsitzenden Bernd Lucke an die AfD-Spitze.
Schon vor neun Jahren hielt die AfD ihren Bundesparteitag in der Essener Grugahalle ab: Damals putschte sich die längst aus der Partei ausgetretene Frauke Petry gegen den damaligen Vorsitzenden Bernd Lucke an die AfD-Spitze. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Dabei mögen die AfD-Advokaten nicht allzu viel Zeit verlieren: Schon an diesem Freitag (7. Juni) wird das erste der drei Verfahren gestartet, indem Fengler beim Essener Landgericht einen Antrag auf Einstweilige Verfügung gegen die Messe Essen einreicht, die Grugahalle „vertragsgemäß“ zu überlassen: „Das geht heute noch raus.“

AfD-Parteitag in Essen: Am Montag dann der zweite Schritt vors Verwaltungsgericht

AfD-Parteitag in Essen:

Am Montag führt der Weg dann zum Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen: Dort beantragen einerseits der AfD-Bundesverband und andererseits die AfD-Fraktion im Rat der Stadt Essen per Einstweiliger Anordnung, das Gericht möge im Eilverfahren den am 29. Mai ergangenen Ratsbeschluss einkassieren. Mit diesem hatte das Stadtparlament erst eine strafbewehrte Selbstverpflichtung der AfD gegen geäußerte NS-Parolen eingefordert und zugleich eine automatische Kündigung des Hallenvertrags verknüpft, sollte diese Unterschrift bis zum 4. Juni nicht eingegangen sein.

Strafbare Äußerungen von vornherein unterbinden zu können, sei illusorisch, sagt der stellvertretende Bundessprecher der AfD Peter Boehringer.
Strafbare Äußerungen von vornherein unterbinden zu können, sei illusorisch, sagt der stellvertretende Bundessprecher der AfD Peter Boehringer. © dpa | Guido Kirchner
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Die AfD weigerte sich ausdrücklich, so zu verfahren. Es sei schließlich eine „Unmöglichkeit, bei 1800 Teilnehmern und externen, parteifremden Besuchern einer Veranstaltung jede strafrechtlich heikle Wortmeldung vorab kennen und verhindern zu können“, meinte etwa Parteivize Peter Boehringer gegen über der Deutschen Presse-Agentur. Er sprach von einem „politisch und rechtlich hoch bedenklichen Verhalten der Stadt“.

Die Gerichtsentscheidungen zum AfD-Bundesparteitag fallen vermutlich am Schreibtisch

Wer am Ende richtig liegt, könnten die Gerichte hier wie dort theoretisch wohl schon nach Aktenlage entscheiden. Kenner der Juristerei vermuten aber eher, dass die Stadt Essen bzw. ihre Messe-Gesellschaft wenigsten zwei, drei Tage Zeit eingeräumt bekommen, noch einmal ihre Sicht der Dinge darzulegen.

Eines der drei Gerichtsverfahren, mit dem die Partei sich wieder in die Grugahalle einklagen will, strengt die Essener AfD-Ratsfraktion an: Wortführer ist unter anderem Essens AfD-Vorsitzender Günter Weiß.
Eines der drei Gerichtsverfahren, mit dem die Partei sich wieder in die Grugahalle einklagen will, strengt die Essener AfD-Ratsfraktion an: Wortführer ist unter anderem Essens AfD-Vorsitzender Günter Weiß. © dpa | David Young

Weil die Zeit drängt, gilt es zugleich als eher unwahrscheinlich, dass es noch zu mündlichen Verhandlungen kommt. Stattdessen dürften die Entscheidungen der Gerichte wohl vom Schreibtisch aus erfolgen – vielleicht Ende der kommenden Woche, spätestens aber Anfang der übernächsten Woche.

Anders gäbe es für die jeweils unterliegende Partei ja auch kaum Zeit, die nächste Instanz anzurufen: im Falle der beiden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen wäre dies das Oberverwaltungsgericht in Münster, im Falle des Landgerichts Essen das Oberlandesgericht in Hamm.

Ob die Stadt Essen bei einer Niederlage weiter streitet, ist noch offen

Dass die AfD sich in der ersten Instanz nicht geschlagen geben würde, will sie ihren Parteitag am letzten Juni-Wochenende in Essen noch retten, liegt auf der Hand. Ob auf der anderen Seite die Stadt Essen sich gegen eine Niederlage stemmen würde, ist dagegen noch offen: „Das wäre nicht nur eine juristische, sondern auch eine politische Entscheidung“, heißt es im Rathaus. Möglicherweise bittet Oberbürgermeister Thomas Kufen dann auch die Ratsparteien noch einmal um ein Meinungsbild.

Sie versuchen auf gleich drei Wegen zum Ziel zu kommen, dem Bundesparteitag der AfD in der Grugahalle: die beiden Rechtsanwälte Michael Fengler (links) und Christian Conrad.
Sie versuchen auf gleich drei Wegen zum Ziel zu kommen, dem Bundesparteitag der AfD in der Grugahalle: die beiden Rechtsanwälte Michael Fengler (links) und Christian Conrad. © dpa | Guido Kirchner

Verdammt knapp würde es allemal: Immerhin hatte die AfD sich die Grugahalle im Januar vergangenen Jahres bereits ab dem 25. Juni gesichert. „Wir selbst sind dann noch gar nicht vor Ort“, sagte ein Sprecher der Partei am Freitag auf Nachfrage, diverse Dienstleister aber würden den Vorlauf brauchen, um die Halle herzurichten. Die Partei sucht den großen Bühnenauftritt, schließlich steht die Wahl des kompletten Bundesvorstands an, das Gremium, das die Partei 2025 in die Bundestagswahl führt.

AfD-Parteitag: Ein nachträglicher Kompromiss gilt als „eher hypothetisch“

Als „eher hypothetisch“ gilt übrigens die Variante, die AfD könnte für den Fall einer Niederlage vor Gericht gar noch nachträglich jene geforderte Selbstverpflichtung unterzeichnen, die sie bis dato rigoros abgelehnt hat: Denkbar wäre dies allenfalls als Kompromiss, bei dem allerdings auch Stadt und Messe einlenken müssten. Der Pachtvertrag ist nun mal außerordentlich und fristlos gekündigt.

So weit, glaubt Höcker-Anwalt Michael Fengler, wird es eh nicht kommen. Wie übrigens auch ein großer Kreis der AfD-Gegner setzt er darauf, dass sich der Triumph der Stadt Essen in einem politischen Signal erschöpft und die Gerichte der AfD die Grugahalle zusprechen.

Die Partei würde er damit glücklich machen, seine eigene dagegen eher nicht: AfD-Anwalt Fengler ist nämlich SPD-Mitglied.

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