Bottrop. Peter Stadtmann ist 2018 wegen Streckens von Krebsmedikamenten zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Schon in diesem Jahr könnte er freikommen.
- Der Bottroper Apotheker Peter Stadtmann ist 2018 zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden.
- Er war schon vorher in Untersuchungshaft und hat bald zwei Drittel seiner Strafe abgesessen.
- Das Gericht prüft nun seine vorzeitige Entlassung.
Sein Name steht noch an der Klingel in der Bottroper Innenstadt, wo er sich früher während seiner Mittagspausen ausgeruht haben soll: P. Stadtmann, dritter Stock. Bis zum 29. November 2016, als die Polizei das Labor des Apothekers in der früheren Alten Apotheke durchsuchte, Peter Stadtmann festnahm und der Richter Haftbefehl erließ. Knapp zwei Jahre Untersuchungshaft folgten, bis der frühere Apotheker im Sommer 2018 zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden ist.
In mindestens 14.537 Fällen hatte Peter Stadtmann Krebsmedikamente gestreckt und damit gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen. Ihm wurde zudem Betrug in 59 Fällen nachgewiesen und seine Approbation entzogen. Ende dieses Jahres wird er zwei Drittel seiner Haftstrafe abgesessen haben, die Untersuchungshaft wird angerechnet – und es ist nicht unwahrscheinlich, dass er noch in diesem Jahr das Gefängnis verlässt.
Er hatte es schon mal versucht, früher als angeordnet wieder auf freien Fuß zu kommen. Im Spätsommer vergangenen Jahres stellte er einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung, kurz zuvor war er mit einer Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe gescheitert. Angesichts geringer Chancen auf Erfolg, zog Peter Stadtmann vor einem Dreivierteljahr den Antrag wieder zurück.
Bottroper Skandal-Apotheker: Entlassung Ende des Jahres wird geprüft
Nun wird seine Entlassung aber von Amts wegen geprüft, ein Standardverfahren, das bei jedem Häftling nach zwei Dritteln der Haftzeit eingeleitet wird. Die Staatsanwaltschaft Essen ist die zuständige Vollstreckungsbehörde. Sie sendet das sogenannte Vollstreckungsheft an die zuständige Strafvollstreckungskammer, die in diesem Fall am Landgericht Bielefeld angesiedelt ist.
Denn Peter Stadtmann soll in Ost-Westfalen in der größten europäischen Haftanstalt für offenen Vollzug, inhaftiert sein, auch wenn die Behörden das aufgrund des Persönlichkeitsschutzes nicht bestätigen. Die JVA, so erklärt es Leif Seeger, Sprecher der Essener Staatsanwaltschaft, muss eine schriftliche Stellungnahme zur Einschätzung des Inhaftierten verfassen. „Die soll möglichst aktuell sein“, sagt Leif Seeger.
Voraussichtlich Ende September werden die Akten auf den Weg gebracht, damit noch ausreichend Zeit ist bis Ende des Jahres, wenn der Zwei-Drittel-Termin ansteht. Das Verfahren muss so geführt werden, dass es bis dahin abgeschlossen ist. Peter Stadtmann muss im Zuge dessen die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.
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Peter Stadtmann soll in Bottrop gesehen worden sein
Die Entscheidung über die vorzeitige Entlassung fällt die Strafvollstreckungskammer in Bielefeld. Eine Einschätzung kann der Essener Staatsanwalt Leif Seeger nicht geben, grundsätzlich äußern sich die Behörden nicht zu konkreten Fällen. Nur so viel: Ersttäter hätten grundsätzlich eine gute Chance, vorzeitig freizukommen. Dem gegenüber steht aber die lange Zeit der Haftstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt würde: vier Jahre.
Grundlage für die Entscheidung ist der Paragraf 57 des Strafgesetzbuches. Unter anderem müsse „dem Verurteilten eine günstige Prognose für eine Legalbewährung in Freiheit gestellt werden“ können.
Wenngleich sich niemand öffentlich zu den Haftbedingungen des Bottroper Skandal-Apothekers äußert, ist bekannt, dass sich Peter Stadtmann im offenen Vollzug befindet und regelmäßig Freigang hat. Betroffene Opfer seiner Medikamenten-Pfuscherei sagen, dass sie ihn im vergangenen Sommer in Bottrop gesehen haben – deutlich schlanker und mit Perücke.
Die Berichterstattung über Peter Stadtmann
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Martin Porwoll: „Er wäre glücklicher, wenn er woanders hingeht“
Einer, der ihn gut kennt, vermutet, dass der verurteilte Apotheker auch nach seiner Haftstrafe wieder nach Bottrop zurückkehrt. „Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass, wenn jemand seine Strafe abgesessen hat, auch gut ist“, sagt Martin Porwoll. Der Whistleblower, früherer kaufmännischer Leiter der Alten Apotheke, hatte 2016 die Ermittlungen ins Rollen gebracht. Er kennt Peter Stadtmann seit Kindheitstagen.
Sollte Stadtmann, dessen Eltern in Bottrop leben und Immobilien besitzen, tatsächlich in die Stadt zurückkehren, würden das viele als Provokation empfinden, sagt Porwoll. Fast jeder hier kennt jemanden, der von dem Apotheken-Skandal betroffen war, hat Angehörige oder Freunde, die unter der zu niedrigen Dosierung der Krebsmedikamente gelitten haben. „Es sind so viele Menschen betroffen und viele sind der Auffassung, dass er nicht hart genug bestraft worden ist“, sagt Martin Porwoll, der der Überzeugung ist: „Er wäre glücklicher, wenn er woanders hingeht.“