Bottrop. Bottrop darf den Hebesatz differenzieren, um Mehrbelastungen von Wohnungsbesitzern zu vermieden. Das rät der Grundeigentümerverband.

Das Finanzamt Bottrop meldet Vollzug bei der Grundsteuer. Für alle 36.714 Bottroper Grundstücke hat die Behörde Wertfeststellungs- und Messbescheide erlassen. Sie verpflichten noch keinen Grundbesitzer zur Zahlung. Dennoch gibt es schon 10.046 Einsprüche gegen die Bescheide. Dabei steht die tatsächliche Höhe der Grundsteuer noch gar nicht fest. Warum die Debatte ebenso kompliziert wie wichtig ist? Jeder Bottroper wird davon betroffen sein, weil Eigentümer die Grundsteuer zu 100 Prozent an die Mieter weitergeben (umlegen) können.

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Um eine unendlich komplizierte Geschichte so kurz wie möglich zu erzählen: Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes hat der Bund die Grundsteuer reformiert, weil sie auf uralten Werten beruhte. Im Westen auf Zahlen von 1964, im Osten sogar von 1935. Das reformierte Gesetz sieht jetzt vor, dass die Bewertung sich orientiert an Mietspiegeln und Bodenrichtwerten aus dem Jahr 2022.

Logisch, dass der Wert der Grundstücke nach dieser Beerchnung viel höher liegt als nach der alten. Deshalb hat der Gesetzgeber die so genannte Steuermesszahl, mit dem der Grundstückswert multipliziert wird, auf ein Zehntel abgesenkt.

Auf dieser Basis hat das Finanzamt in den vergangenen Jahren in einem Kraftakt von allen Grundbesitzern Grundsteuererklärungen gefordert und mit Bescheiden versehen (siehe Grafik). Wer keine Erklärung abgegeben hat, den hat das Finanzamt geschätzt. In 2541 Fällen in Bottrop ist das passiert, und die Schätzung dürfte eher nicht zugunsten des Besitzers ausgefallen sein.

Grundsteuer bringt der Stadt Bottrop 23,2 Millionen Euro im Jahr

Gleichzeitig hat das Finanzamt für den Kämmerer und den Rat der Stadt den „aufkommensneutralen“ Hebesatz ausgerechnet: Bei einem Hebesatz von 741 Prozent kassiert Bottrop nach der neuen Berechnung ab 2025 ebenso viel Steuern wie nach der alten mit dem aktuellen Hebesatz von 680 Prozent.

Herausgekommen bei der ganzen Rechnerei ist eine Unwucht, die in Bottrop allerdings nicht ganz so stark ausfällt wie anderswo. Ulrich Straub, der Geschäftsführer des Eigentümerverbandes „Haus & Grund Bottrop“, spricht von einer „Privilegierung der Gewerbeimmobilien“: Für Wohnhäuser müssen die Eigentümer mehr Grundsteuer zahlen als für gewerblich genutzte Gebäude.

Bottrop darf jetzt Hebesätze differenzieren

Seit dem 5. Juli ist in NRW ein Gesetz in Kraft, das den Kommunen ermöglicht, diese Unwucht auszugleichen mit „differenzierenden Hebesätzen“. Bottrop könnte zwei verschiedene Hebesätze festlegen für Wohngebäude (Empfehlung: 619 Prozent) und Gewerbeimmobilien (1168 Prozent). Bei diesen Sätzen bekommt die Stadt auch ab 2025 weiter jährlich rund 23,2 Millionen Euro an Grundsteuern.

Wie geht es jetzt weiter? Die mehr als 10.000 Einsprüche aus Bottrop haben zusätzliches Gewicht erhalten durch zwei Urteile des Bundesfinanzhofes zur Wertermittlung für die Grundsteuer, sagt der „Haus & Grund“-Geschäftsführer. Aber das wird nicht das letzte Wort sein, sagt Straub: „Die Musterklage wird vor dem Bundesverfassungsgericht landen.“ Deshalb empfiehlt Straub den 2500 Mitgliedern seines Vereins: Weiter Einspruch einlegen. Eine aufschiebende Wirkung werden die Einsprüche aber nicht haben, sagt er: „Wenn die Grundsteuerbescheide von der Stadt kommen, gilt erst mal Zahlungspflicht.“

Was in den Bottroper Bescheiden stehen wird, entscheidet sich bis Jahresende. Im Oktober will Kämmerer Jochen Brunnhofer dem Rat die Entscheidung vorlegen: einheitlicher oder differenzierender Hebesatz? Bis dahin braucht der Kämmerer Klarheit vom NRW-Finanzminister: „Wir brauchen Muster für rechtssichere Bescheide.“ Auf der Basis dieser Entscheidung muss der Rat spätestens im Dezember die neue Satzung beschließen. Denn das Ultimatum des Bundesverfassungsgerichtes läuft aus: Ab Januar 2025 muss nach neuem Recht besteuert werden.