Bottrop. Das größte Bottroper Kino, die Schauburg, hatte mal einen Saal mit 1200 Plätzen. Was aus den elf Lichtspielhäusern in der Stadt geworden ist.
Bottrop war einmal eine Kino-Hochburg. Das lag nicht nur an der Schauburg, dem Flaggschiff der alten Kino-Kultur, in der 1987 endgültig die Lichter ausgingen. In den Hochzeiten der 1950er-Jahre hatte Bottrop bis zu elf Kinos. Damals stellte sich niemand die Frage, ob und wie diese größeren und kleineren Säle zu füllen waren, sondern eher, ob noch ein Platz zu ergattern war. Die Zahlen, die zum Beispiel Heimatforscher Wilfried Krix in seinem Buch „Film ab in Bottrop“ (erschienen in der Stadtarchiv-Reihe „Geschichtsstunde“) vorstellt, sprechen für sich.
Dieser Artikel ist erstmals im Sommer 2023 erschienen.
Die Besucherzahl von fast zwei Millionen im Jahr 1947 erreichte Bottrop nie mehr. Aber immerhin „noch“ 1,6 Millionen Besucherinnen und Besucher strömten demnach 1956 in Bottrops Lichtspielhäuser. Die standen natürlich vor allem in der Innenstadt. Allein an der Hochstraße gab es neben der Schauburg das Capitol und ab 1955 auch die Scala mit schicker Bar und immerhin 600 Plätzen. Die Scala ersetzte damals das ältere Thalia-Theater, „das ohne besonderen Komfort war“, wie Holger Klein-Wiele in seiner Untersuchung „Die Kinoarchitektur der frühen 50er Jahre im Ruhrgebiet“ schreibt.
Zur Eröffnung der Scala mit dem Heimatfilm „Der Förster vom Silberwald“ (bis heute ein Synonym für vorgespielte Idylle aber auch den angeblichen „Muff“ der frühen Nachkriegszeit) kam auch der damalige Oberbürgermeister Ernst Wilczok.
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Diese City-Kinos waren auch die Häuser, die das erste Kinosterben überstanden haben und nach 1967 noch spielten. Mit dem Fernsehen als neuer Massenunterhaltung konnten viele Betreiber nicht mehr konkurrieren. Exotische Namen wie Alhambra, das seit den 20er-Jahren bereits mit dem Palast-Theater und der Schauburg in der City spielte, oder Bali verströmten Geheimnisvolles, Internationales und versprachen Unterhaltung von nachmittags bis in den späten Abend.
Spielpausen, Sommerlöcher? Fehlanzeige. Selbst an den Weihnachtstagen gab es prall gefüllte Spielpläne, vor allem auch für Kinder. Lediglich am Karfreitag blieb es dunkel. Das wurde strengstens beachtet. Der Kino-Boom hat aber auch vor den Vororten nicht Halt gemacht. Dies beschreibt nicht nur Wilfried Krix im erwähnten Band.
Das Kinosterben überlebte kein Lichtspielhaus – Einige wurden sogar Supermärkte
Auch Vororte wie Fuhlenbrock, Batenbrock, Lehmkuhle oder Eigen hatten ihre Kinos. Zum Teil waren das umgebaute Wirtshaussäle wie das Glückauf-Kino bei Große-Wilde an der Gladbecker Straße oder das Bali-Kino am Ostring. Ein Foto aus den 60er-Jahren zeigt noch die alte Fassaden-Werbung für Bottroper Westfalia-Bier. Das Corso im Fuhlenbrock war übrigens eins der ersten Kinos, die schon früh wieder dicht machten. Auch das Universum in Lehmkuhle oder die Kamera in der Boy mit gut 200 Plätzen überstanden die 60er-Jahre nicht. Einige wurden sogar zu Super- oder Baumärkten umgewandelt.
Von 1956 bis 1960 hatte sich laut Wilfried Krix die Besucherzahl halbiert, von 1,6 Millionen auf rund 785.000. Bottrops größtes Kino, das seit seiner Eröffnung 1926 auch als Theater- und Konzertsaal genutzt wurde, überlebte am längsten. Die Pläne der Ur-Schauburg von 1926 mit ihren 1.200 Plätzen stammen von dem Essener Architekten Ludwig Becker, der zuvor schon das Bottroper Rathaus entworfen hatte. Die Schauburg erfuhr später zahlreiche Umbauten und Veränderungen.
Der große Saal, in dem 1926 sogar die erste komplette Oper mit großem Orchester und Bühnenbildern (Mozarts „Hochzeit des Figaro“) in Bottrop als Gastspiel aufgeführt wurde, überstand im Kern sogar den Bombenkrieg. Viele Bottroperinnen und Bottroper erinnern sich nicht nur an die Theatergastspiele oder Konzerte in der Nachkriegszeit, sondern auch an die Abrissdiskussionen oder die große Abschiedsgala „Zappendusta“ vor 26 Jahren.
Deren Initiatoren waren WAZ-Redakteur Alfons Winterseel, der spätere WAZ-Korrespondent in Washington, Markus Günther (damals freier Mitarbeiter in Bottrop), und Werner Boschmann, Lehrer am Josef-Albers-Gymnasium. All das half nichts. Mit der Entscheidung fiel auch die alte Schauburg. Seither steht dort das Textilkaufhaus C&A. So hält bis heute einzig das kommunale Kino „Filmforum“ im Kulturzentrum die cineastische Flagge hoch.
Besitzer von Bottrops erstem Kino gab 1913 den ersten Film über Bottrop in Auftrag
Einer der seltenen Glücksfälle, in denen beim Abbruch nicht alles vernichtet wurde, erlebte Bottrop in den 70er Jahren. Damals wurde die alte Gaststätte Zum Gambrinus an der Hochstraße abgerissen. Deren früherer Besitzer, Theodor Beulmann, hat 1911 nicht nur das erste Kino der Stadt eröffnet. Er gab 1913 auch den ersten Film über Bottrop in Auftrag. Dieser Zelluloidstreifen ist samt Vorführprojektor wie durch ein Wunder erhalten geblieben.
Beim „Tag der Westfälischen Geschichte“ 2019 stellte Paul Hofmann, Leiter der Kinemathek im Ruhrgebiet, diesen Film und dessen wundersame Rettung und Restaurierung noch einmal vor. Zum Glück sei das empfindliche Material nicht durch falsche Behandlung zerstört worden, sondern durch den Einsatz von Arno Heinrich, Gründungsdirektor des Bottroper Museums, Hanns-Wilhelm Große-Wilde von der Historischen Gesellschaft und der Bottroper Filmproduktionsfirma „Montevideo“ gerettet worden, so Hofmann.
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Der Film zeigt den Alltag vor dem Ersten Weltkrieg auf der Hochstraße, einen Festzug des örtlichen Kutschervereins und immer wieder auch Gastwirt Beulmann selbst. Damit verfügt Bottrop über eines der ältesten Filmdokumente der Region überhaupt. An das alte Gasthaus erinnert außerdem der Gambrinus auf der Gladbecker Straße – eine Nachbildung der aus dem Abrissschutt des Wirtshauses geborgenen Giebelfigur des Bierpatrons.