Bottrop. Ludwig Becker plant noch vor dem Rathaus den Bau des alten Jungengymnasiums. Bei beiden Projekten übernimmt er auch die Bauleitung. Vor 80 Jahren stirbt er in der Nachbarstadt.


Er gilt bis heute als einer der eher unbekannten unter den Architekten der Region. Obwohl Ludwig Becker - nicht zu verwechseln mit dem Mainzer Dombaumeister gleichen Namens - in Bottrop mit dem Rathaus-Neubau von 1916, das Zentrum nachhaltig veränderte, ist es schwierig, überhaupt ein Foto von ihm zu finden. Dabei stammt er aus der Nachbarstadt Essen. Genauer gesagt aus dem damals noch selbstständigen Borbeck, das in Beckers Geburtsjahr 1876 mehr Einwohner zählte als Bottrop zu jener Zeit. Gestorben ist Ludwig Becker am 31. März vor nunmehr 80 Jahren im Südviertel - heute steht dort das Aalto-Theater - in Essen, das bereits 1915 Borbeck „geschluckt“ hatte.

Aber nicht nur die Rathauspläne - die, wie die WAZ berichtete, immer noch verschwunden sind - stammen von Becker. Neben den frei historisierenden Neo-Renaissance-Formen des repräsentativen und bis heute stadtbildprägenden Verwaltungsbaus, schuf Becker 1923 auch das neobarocke Torbogenhaus als Eingang zum alten Teil des Stadtgartens und bereits 1908/09 das alte Jungengymnasium an der Böckenhoffstraße, das heute das Kulturzentrum August Everding beherbergt.

Auch in seiner Heimat, dem Essen-Borbecker Raum, war Becker , Sohn eines Schreinermeisters und Wirts, mit Bauten vertreten. Sicher auch ein Grund, weshalb Bibliothekar und Lokalhistoriker Andreas Körner in den Mitgliedsheften des Kultur-Historischen Vereins Borbeck sich näher mit Ludwig Becker und dessen Schaffen auseinandersetzte.

Neben alten Adressbüchern, Fachzeitschriften, Kirchenblättern und Zeitungen bekam Körner auch Informationen durch einen damals noch lebenden Neffen des Architekten sowie von Mitgliedern der alteingesessenen Borbecker Familien Bouvier und Wüstenhöfer.

Bereits 1910 - kurz nach Einweihung des alten Jungengymnasiums, - übernimmt Becker auch die Bauleitung des Rathauses. Später, 1914, noch während der Bauarbeiten am Bottroper Rathaus, übernimmt Becker, laut Körner, zumindest teilweise auch die Bauleitung der evangelischen Friedenskirche im benachbarten Essen-Dellwig, die noch vor dem Bottroper Rathaus im Jahr 1915 fertiggestellt wird.

Becker, spätestens seit 1910 auch Mitglied des 1903 gegründeten Bundes Deutscher Architekten (BDA). Becker beteiligt sich aber auch deutschlandweit an Entwürfen und Wettbewerben, darunter für Rathäuser in Bremen und im sächsischen Döbeln.

Das vor 100 Jahren fertiggestellte Bottroper Rathaus gehört aber bis heute zu den großen und vor allem am besten erhaltenen Umsetzungen von Entwürfen Ludwig Beckers.