Bottrop. Aus einem alten Kohlenkeller wird vor 30 Jahren ein Kino. Im September feiert das VHS-Filmforum Jubiläum.

Dass Bottrop nicht den zweifelhaften Ruf hat, Deutschlands einzige Großstadt ohne Kino zu sein, ist dem Filmforum zu verdanken. Nachdem die traditionsreiche Schauburg mit ihren zuletzt noch 800 Plätzen im großen Saal nicht nur dichtmachte, sondern zugunsten des Texthändlers C&A sogar abgerissen wurde und kurz darauf das letzte kommerzielle Kino ebenfalls auf der Hochstraße schloss, hält das Filmforum als kommunales Kino die Fahne für die Cineasten hoch. Und das seit nunmehr 30 Jahren.

Grund für den scheidenden VHS-Direktor Uwe Dorow und Filmforum-Leiter Maurice Liesner, ab September mit einem Film- und Konzertprogramm das 80-Plätze-Haus neu ins Licht zu rücken. Dass es am 6. September mit der beliebten Reihe des Seniorenkinos losgeht, freut beide besonders. Auch wenn es an diesem und wohl auch noch am Dienstag im Oktober nur den Film ohne Kaffee und Kuchen gibt. Denn zum Jubiläum kann das Haus nicht nur mit neuer Sound-Technik und frisch restaurierten alten 35-Millimeter-Projektor aufwarten. Auch das Bistro wird umgebaut und mit neuem Konzept wiedereröffnet. „Zwar erst im November, aber zum Filmfestival ,Bosnien Herzegowina looks around’ soll alles startklar sein“, hofft Maurice Liesner.

Den Platz neben dem gerade frisch restaurierten 35-Millimeter-Projektor kennt Filmforum-Leiter Maurice Liesner nur zu genau. Als Student war er hier selbst einmal Vorführer - und hatte den Saal immer fest
Den Platz neben dem gerade frisch restaurierten 35-Millimeter-Projektor kennt Filmforum-Leiter Maurice Liesner nur zu genau. Als Student war er hier selbst einmal Vorführer - und hatte den Saal immer fest © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Er ist der fünfte Leiter und Programmplaner des kuscheligen 80-Plätze-Kinos, das 1992 an den Start ging - und zwar als integraler Bestandteil des damals ebenfalls neuen Kulturzentrums, dessen Mitinitiator kein geringerer als der renommierte Theatermacher und gebürtige Bottroper August Everding war. Wie Everding wollten auch der damalige Kulturdezernent Klemens Kreul, der gerade frisch ins Amt berufene Kulturamtsleiter Dieter Wollek sowie VHS-Chef Dieter Nellen Kultur und Bildung an einem Ort mitten in der Stadt bündeln. VHS, Stadtarchiv, Bibliothek, Musikschule, Jugendkunstschule, Kammerkonzertsaal und das Filmforum machen aus dem alten Gymnasium mit seiner traditionsverbundenen Fassade bis heute ein modernes Kulturzentrum.

Beim Aufbau der von Bernhard Küppers geplanten transparenten Eingangskonstruktion fürs Filmforum ging 1992 in der Blumenstraße nichts mehr.
Beim Aufbau der von Bernhard Küppers geplanten transparenten Eingangskonstruktion fürs Filmforum ging 1992 in der Blumenstraße nichts mehr. © Repro: Thomas Gödde | Georg Höneß

Das i-Tüpfelchen sollte damals ein 800-Plätze-Theatersaal als Ersatz für die verlorene Schauburg werden. Den hatte „Quadrat“-Architekt Bernhard Küppers schon mitgeplant, wie alte Entwürfe zeigen. Wie bekannt kam vieles anders. Mit dem neuen, bespielbaren Kulturhof, der neuen Ausstellungshalle B12 nebst gläserner Verbindung zu den älteren Bauteilen landeten die Pläne für einen großen Saal - zumindest für diesen Ort - erst einmal in der Schublade.

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Für das Filmforum aber wählte Küppers einen ebenso ungewöhnlichen und am Ende doch sehr der Umgebung zugewandten Ort: den ehemaligen Kohlenkeller der Schule. Alles wurde entkernt. Die ursprüngliche Kellerlage ist für ein Kino nicht einmal nachteilig. Mit den ansteigenden Sitzreihen und kleiner Bühne entsteht sogar Theateratmosphäre. Lediglich die Eingangssituation stellte den Architekten damals vor eine größere Herausforderung. Die historische Fassade darf nicht zu sehr beeinträchtigt werden, der Zugang sollte dennoch einladend sein. Küppers setzte auf eine transparente Stahl- und Plexiglaskonstruktion, die - vor fünf Jahren noch renoviert - die historische Front belebt, aber nicht verdeckt. Die Bögen erinnern dabei an ein Kameraobjektiv, durch das die Besucher nun seit 30 Jahren in die Filmwelt eintauchen.

Fast fertig: Die Stahl- und Plexiglaskonstruktion des neu geschaffenen Eingang zum Filmforum erinnert an ein Objektiv. Kurze Zeit später konnten 1992 die ersten Besucher den Eingang bereits nutzen. Bis heute prägt er die dahinter liegende historische Front des ehemaligen Gymnasiums.
Fast fertig: Die Stahl- und Plexiglaskonstruktion des neu geschaffenen Eingang zum Filmforum erinnert an ein Objektiv. Kurze Zeit später konnten 1992 die ersten Besucher den Eingang bereits nutzen. Bis heute prägt er die dahinter liegende historische Front des ehemaligen Gymnasiums. © Georg Höneß / Repro: Thomas Gödde

Demnächst sogar mit besserem Klang. Der kommt aus einer neuen Sound-Anlage, die die klobigen alten Boxen ersetzt, die bislang die ohnehin kleine Bühne weiter begrenzen. „Das wurde durch Spenden von der Egon-Bremer-Stiftung, dem Kulturförderverein und der Kulturstiftung der Sparkasse ermöglicht, so dass die Stadt nur ein Drittel beisteuern musste“, sagt Maurice Liesner. Die Unternehmervereinigung Konjungtur hat die Instandsetzung des alten 35-Millimeter-Projektors, ein Bauer B11, übernommen. Der kommt bei erstmals am 15. und 17. September zum Einsatz, wenn historische Streifen gezeigt werden, die aus dem Medienarchiv Bielefeld - Franz Becker Stiftung stammen, der wohl umfangreichsten privaten Filmsammlung Deutschlands. Darunter der Film, der damals zur Eröffnung des Filmforums lief und ein Film, der im selben Jahr entstand. Außerdem möchte Maurice Liesner die sogenannten Sneak-Previews und -Reviews neu beleben. Im September geht es los mit Action, Thriller und Drama: Klassiker aus den 90ern, der Frühzeit des Filmforums also. Auch der Jazz behält weiter ein Standbein im Filmforum.

Fast wäre einmal ein Pornofilm im VHS-Filmforum gedreht worden

Das Vorführer-Team, bislang fast immer Azubis oder Studenten, könnte demnächst sogar wachsen. Derzeit verhandeln Maurice Liesner - der selbst einmal als Vorführer hier anfing - und die VHS noch mit zwei älteren Damen, die sich gerne kulturell engagieren und das Filmforum durch ihre Mitarbeit unterstützen möchten. „Wenn’s klappt, wäre das toll“, sind sich Dorow und Liesner einig. Der erinnert sich auch an die wohl skurrilste Kooperationsanfrage, die überhaupt einmal an das Kino mit seinen roten Plüschsitzen gestellt wurde: „Es kamen mal Leute, die hätten das Filmforum gerne als Setting für einen Pornofilm gemietet“, so der heutige Leiter. Aber daraus sei nichts geworden.

So geht es los im September

Nach dem Seniorenkino am 6. September gibt es erst einmal ein Wochenende mit Musik im Filmforum an der Blumenstraße: Am 8. September spielt das Sebastian Reimann Quartett seine „Hommage à Stéphane“. Tags darauf spielt im Rahmen von Stadtflimmern die Formation „Lapplaender“ auf dem Kulturhof und am Samstag 10. September tritt das Duo „TWO for US“ and Friends auf.

Die historischen 35mm-Filme stehen am 15. und 17. September, jeweils 20 Uhr auf dem Programm. Am 22. September folgt die Sneak-Reviwe mit Action, Thriller und Drama aus den 90ern (FSK 16). Infos: bottrop.de.