Bottrop. Vor 30 Jahren sorgten Werner Boschmann, Markus Günther und Alfons Winterseel für einen fulminanten Abschied von Bottrops Kino-Theater. Das Trio erinnert sich.

„Zappendusta“! So hieß das szenische Spektakel, mit dem am 4. April 1987 eine lange Bottroper Kino- und Theatertradition zu Ende ging. In den letzten Märztagen vor 30 Jahren liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Begonnen hatte die Organisation für den Schlussakkord aber bereits im Jahr zuvor.

Ein Stück Kulturgeschichte verschwindet

Zwei Bottroper und ein Duisburger sorgten damals zusammen mit vielen freiwilligen Helfern aus der Stadt für eine „würdige Beerdigung“, die auch heute noch öfter für Gesprächsstoff sorgt. Markus Günther, Werner Boschmann und Alfons Winterseel schrieben damals mit „Zappendusta – vom Tod eines Reviertheaters“ - ein Stück Kulturgeschichte der Stadt .

Alfons Winterseel (62), damals Kulturredakteur der WAZ, hatte die Idee, die alte Schauburg mit einer Gala in den unvermeidlichen Abriss zu „entlassen“. In Werner Boschmann (65), ehemals Lehrer am Albers-Gymnasium, und WAZ-Autor Markus Günther (52) fand er engagierte Mitstreiter.

Der altehrwürdige Schauburg aus den 20er Jahren wollte das Trio mit Unterstützung einer großen Helferschar einen denkwürdigen Abschied bereiten. Winterseel dachte daran, Prominente für den „letzten Schauburgvorhang“ zu holen. So setzte sich der Duisburger unter anderem mit dem Kabarettisten Werner Schneyder und Schauspieler Dietmar Schönherr in Verbindung. Die winkten jedoch ab: „Keine Zeit.“ Auch der damalige Chef der bayerischen Staatstheater, der aus Bottrop stammende August Everding, sollte 1987 an dem großen Bühnenspektakel teilnehmen. Aber der Ehrenbürger der Stadt übersandte den jungen „Kulturrevoluzzern“ eine Grußbotschaft.

Eine haarsträubende Fehlentscheidung

Am großen Galatag in der Schauburg waren alle 800 Sitze besetzt, als heimische Laiendarsteller, Mitglieder der Theater Recklinghausen und Essen, Musiker und unzählige Helfer – unentgeltlich - eine Abschiedsrevue zu Gunsten des Bottroper Gambia-Projektes auf die Bühne brachten.

Markus Günther, heute freier Autor u.a. in den USA: „Wir waren damals jung, ich war 21, rech, übermütig und vielleicht in manchem zu sehr von uns selbst überzeugt. Aber im Kern war der Kampf für den Erhalt der Schauburg richtig. Dass Bottrop das einzige Theater und einzige Kino der Stadt aufgegeben hat, ist für mich auch im Rückblick nach all den Jahren eine haarsträubende Fehlentscheidung.“

Auch der in Duisburg lebende Journalist Alfons Winterseel erinnert sich an die Gala: „Wir waren damals ganz schön verrückt, so ein Projekt zu starten, aber wir waren jung - und hatten kein Geld. Es wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht so viele auf der Bühne und hinter den Kulissen ehrenamtlich mitgezogen hätten.

Es herrschte Aufbruchstimmung trotz Abriss

Es herrschte damals in Bottrop trotz des Abrisses der Schauburg eine Aufbruchstimmung unter den Kulturschaffenden, die uns auch mitgetragen und ermutigt hat. Wir waren natürlich aufgeregt, ob alles gut gehen würde.“

Natürlich lief bei der mehrstündigen Gala, die mit einem Bauschuttregen auf der Bühne endete, nicht alles glatt. „War auch nicht zu erwarten und gewollt, es war für mich jedenfalls das erste Mal, dass man sich in Bottrop gegen den von offizieller Seite verordneten und kontrollierten Kulturbetrieb auflehnte – ich habe danach so etwas nie wieder in unserer schönen Stadt erlebt“, sagt Werner Boschmann.

Heute würde man die Schauburg von offizieller Seite vermutlich als Kleinod ansehen, sie unter Denkmalschutz stellen und sich Gedanken über eine alternative Nutzung als Kulturstätte machen, als sie abzureißen. Aber das entsprach damals nicht dem Zeitgeist, ist sich das Trio Winterseel, Günther, Boschmann einig.

Mit dem Satz „Kein Mensch in dieser Stadt weiß mehr, wo das Theater ist, endete am 4. April 1987 kurz vor 24 Uhr die Ära Schauburg, am folgenden Tag rollte nämlich schon der Abrissbagger an. Dann war es endgültig „zappendusta“.