Bochum. Roland Fischer-Dahl sollte in Bochum Leiter des Sozialdezernats werden. Jetzt zog er die Bewerbung zurück. Kritiker sehen ihre Zweifel bestätigt.
Paukenschlag im Bochumer Rathaus: Roland Fischer-Dahl, der im Mai auf Vorschlag der Grünen die Nachfolge von Sozialdezernentin Britta Anger übernehmen sollte, hat seine Bewerbung überraschend zurückgezogen. Der Grünen-Politiker begründet diesen Schritt mit der öffentlichen Kritik von der CDU. Die Christdemokraten hatten ihm öffentlich die Qualifikation für dieses Amt abgesprochen. SPD und Grünen kritisieren das scharf. Die CDU hingegen verweist auf ein Schreiben von der Bezirksregierung Arnsberg von Donnerstag, 6. Februar, das ihre Zweifel bestätige.
Kandidat sagt nach Querelen ab: Bochum sucht einen neuen Sozialdezernenten
Fischer-Dahl war im November in geheimer Abstimmung gewählt worden. 45 Ratsmitglieder hatten sich für ihn ausgesprochen, 25 dagegen. Darunter ziemlich sicher die gesamte CDU-Ratsfraktion, die Fischer-Dahl für nicht geeignet hält, einen Aufgabenbereich mit 1100 Beschäftigten und einen Etat von etwa 600 Millionen Euro zu verantworten.
CDU-Fraktion in Bochum zweifelt Führungserfahrung des künftigen Sozialdezernenten an
Noch am Tag der Wahl hatte die CDU den Regierungspräsidenten gebeten, zu prüfen, ob Fischer-Dahl „die Wählbarkeitsvoraussetzungen nach Paragraf 71 der Gemeindeordnung erfüllt“, wie es in einer Mitteilung der Fraktion heißt. „Aus Sicht der CDU bringt der Bewerber bei aller Sympathie nicht die notwendige Führungserfahrung für das Amt mit“, so Fraktionschef Karsten Herlitz.
Zuletzt machte die CDU weiter Druck. Da sie bislang noch keine Antwort aus Arnsberg bekommen hatte, wollte sie Einsicht in die Akten nehmen. Bis zur nächsten Ratssitzung am 13. Februar wollte die Fraktion von Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) wissen, ob und wie sich der Regierungspräsident in der Personalsache geäußert hat. Sieben Fragen hat sie eingereicht, darunter auch die nach möglichen Bedenken gegen die Wahl.
„Die Angelegenheit vor Abschluss der Prüfung in die Öffentlichkeit zu zerren, ist jedoch gegenüber dem vom Rat gewählten Bewerber menschlich schäbig.“
In der Folge hat Roland Fischer-Dahl nun den Rückzug angetreten. Wie die Grünen mitteilen, zog der 57-Jährige Wattenscheider seine Bewerbung für das Amt des Bochumer Sozialdezernenten am Donnerstagmorgen, 6. Februar, gegenüber dem Oberbürgermeister zurück. Grund: „Die öffentlichen Spekulationen der CDU zum Verfahren machen es für Fischer-Dahl unmöglich, mit der CDU-Fraktion im Rat vertrauensvoll zusammenzuarbeiten.“
Grüne und SPD äußern scharfe Kritik am Vorgehen der CDU. Dies sei „ein bemerkenswerter Vorgang“, heißt es von den Grünen. Die Wahl eines Dezernenten einer Prüfung unterziehen zu lassen, sei zwar das gute Recht einer Ratsfraktion. „Die Angelegenheit vor Abschluss der Prüfung in die Öffentlichkeit zu zerren, ist jedoch gegenüber dem vom Rat gewählten Bewerber menschlich schäbig.“
Aus für Sozialdezernent: Rot-Grün und CDU schieben sich gegenseitig die Schuld zu
Burkart Jentsch (SPD) spricht von „schlechtem Stil“ und meint, dass die CDU auch früher Zweifel am Kandidaten hätte äußern können. „Skandalös“ nennt er es, „die Antwort der Bezirksregierung gar nicht abzuwarten, sondern Roland Fischer-Dahl vorher öffentlich in einer Pressemitteilung die Tauglichkeit für das Amt abzuerkennen und für die kommende Ratssitzung eine zusätzliche Anfrage zu stellen.“
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SPD und Grüne werfen der CDU vor, Wahlkampf auf dem Rücken von Roland Fischer-Dahl zu betreiben. Auch schädige man damit die Stadt. Beide Parteien fürchten, das Ganze könnte qualifizierte Interessenten davor zurückschrecken lassen, sich bei der Stadt Bochum zu bewerben.
Kommunalaufsicht hat geprüft und berichtet von „mehreren Rechtsverstößen“
Die Christdemokraten hingegen weisen all die Kritik von sich und fühlen sich durch ein Schreiben der Bezirksregierung Arnsberg – ebenfalls von Donnerstag, 6. Februar – in ihrem Tun bestätigt. Darin heißt es: „Im Ergebnis liegen der Wahlentscheidung des Rates vom 21. November 2024 mehrere Rechtsverstöße im Ausschreibungs- und im Auswahlverfahren zugrunde, darunter die fehlende Qualifikation.“
Christoph Söbbeler, Sprecher der Bezirksregierung, bestätigt dieser Zeitung gegenüber, dass man als Kommunalaufsicht nach der CDU-Beschwerde das Verfahren geprüft habe. Mit dem Ergebnis, dass dieses zu beanstanden sei.
„Das ist ein Ablenken von eigenen Fehlern und allein vom OB und von der rotgrünen Koalition zu verantworten. Das hätten sie im Vorfeld wissen müssen.“
Von daher reagiert der CDU-Ratsfraktionsvorsitzende Karsten Herlitz entsprechend „sauer“ auf die Kritik von SPD und Grünen. „Das ist ein Ablenken von eigenen Fehlern und allein vom OB und von der rotgrünen Koalition zu verantworten. Das hätten sie im Vorfeld wissen müssen.“ Man habe Fischer-Dahl nicht diskreditieren wollen, hege sogar große Sympathie für ihn. Aber ein Dezernent habe bestimmte Qualifikationskriterien zu erfüllen, so CDU-Ratsherr Roland Mitschke. „Da sind wir in unserer Rolle als Opposition gefordert.“
„Es geht da um den menschlichen Umgang. Ein Kandidat hat einen Anspruch darauf, dass das Ganze erstmal im Vertrauen geprüft wird.“
SPD und Grüne zeigen sich überrascht, man habe von diesem Ergebnis des Prüfverfahrens der Bezirksregierung bislang nichts gewusst. Das ändere aber nichts an ihrer Kritik. „Es geht da um den menschlichen Umgang“, bekräftigt Burkart Jentsch. Ein Kandidat habe „einen Anspruch darauf, dass das Ganze erstmal im Vertrauen geprüft wird“. Ihn schon vorab zu diskreditieren, sei „schäbig“.
„Eine Zusammenarbeit von Grünen und CDU wird es in Bochum auf absehbare Zeit nicht geben.“
Ähnlich sieht es Sebastian Pewny, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Rat. Die CDU habe im Vorfeld keine Zweifel an Roland Fischer-Dahl geäußert und auch der Ausschreibung zugestimmt. Er komme deshalb zu dem Schluss: „Eine Zusammenarbeit von Grünen und CDU wird es in Bochum auf absehbare Zeit nicht geben.“
„Ich appelliere an Rot-Grün und CDU, die sehr scharfe Auseinandersetzung nicht noch weiter zu eskalieren lassen.“
„Dieser Vorgang ist ein schwerer Schlag für Rot-Grün und schadet der Stadt auch insgesamt“, sagt Felix Haltt, Vorsitzender der FDP-Ratsfraktion Bochum. „Wenn jetzt der SPD-Fraktionsvorsitzende den Schwarzen Peter für diese Entwicklung allein der CDU zuschieben will, spricht das Bände. Vielleicht sollte Rot-Grün besser vor der eigenen Haustür kehren.“ Haltt appelliert an Rot-Grün und CDU, „die sehr scharfe Auseinandersetzung nicht noch weiter zu eskalieren lassen“.
Aus dem Rathaus war am Freitagnachmittag nur eine kurze Stellungnahme zu bekommen: „Herr Fischer-Dahl hat der Stadt Bochum gegenüber erklärt, dass er für das Amt des Sozialdezernenten nicht mehr zur Verfügung steht. Damit sind alle weiteren Fragen obsolet.“
Fischer-Dahl selbst wollte sich zu seinem Schritt dieser Redaktion gegenüber nicht äußern.
Grüne: „Ein sehr qualifizierter Bewerber“
Die Grünen halten Roland Fischer-Dahl weiterhin für „einen sehr qualifizierten Bewerber, der durch seine langjährige Tätigkeit bei der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement in Köln genau weiß, wie man Verwaltungen managt und Probleme angeht“. Durch seine kommunikative Art sei er in der Lage, unterschiedliche Akteure zusammenzubringen.
Roland Fischer-Dahl hat seine Ausbildung 1990 bei der Stadt Bochum begonnen und dann bis 2008 Aufgaben im Kassen- und Steueramt, im Hauptamt und in der Wirtschaftsförderung übernommen. Absolviert hat der Diplom-Verwaltungswirt danach ein Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung des Landes NRW in Dortmund. Er kommt nun von der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) in Bonn, wo er bislang als Referent im Geschäftsbereich Beratung und Vergleiche tätig ist. Zu seinen Schwerpunktthemen gehören dort Personalmanagement und -marketing, Organisationsmanagement, Verwaltungsdigitalisierung und Finanzmanagement.
Dem Bochumer Stadtrat gehört Fischer-Dahl seit November 2020 als Mitglied der Grünen-Fraktion an. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses sowie des Ausschusses für Kinder, Jugend und Familie.
Die Grünen haben weiterhin das Vorschlagsrecht für einen Sozialdezernenten-Kandidaten und erwarten von der Verwaltung einen zeitnahen Neustart des Auswahlverfahrens. „Es kommt nun darauf an, dass im Sozialdezernat mit über 1000 Beschäftigten keine lange Vakanz an der Spitze entsteht und die Position zügig besetzt wird“, heißt es in einer Pressemitteilung.
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