Bochum. Heribert Kalthoff (66) spielte Bratsche bei den Bochumer Symphonikern. Nun geht er in den Ruhestand – und erinnert sich an aufregende Zeiten.

Wer bei den umjubelten „Silent Night“-Konzerten kurz vor Weihnachten im Musikforum genau aufgepasst hat, der dürfte sich etwas gewundert haben: Denn auf der Bühne ganz links im Kreis der Streicher saß Heribert Kalthoff an der Bratsche, den die treuen Besucher der Bochumer Symphoniker bestens kennen.

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Kalthoff bleibt seiner Bratsche treu

Der versierte Musiker gehörte fast 40 Jahre lang zum Orchester – und ist eigentlich im vergangenen Sommer in den Ruhestand gegangen. „Doch wenn ich gefragt werde, ob ich gelegentlich einspringen möchte, dann mache ich das natürlich gern“, erzählt der 66-Jährige. Er kenne Kollegen, die direkt am ersten Rententag ihr Instrument in die Ecke gestellt und danach nie wieder angerührt hätten. Kalthoff hingegen bleibt seiner Bratsche treu: „Ich übe nicht mehr so viel wie zu Dienstzeiten, aber ein gewisses Niveau möchte ich schon noch halten.“

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Heribert Kalthoff stammt aus Köln, ging in Bergisch Gladbach zur Schule und entdeckte sein Herz für klassische Musik fast durch Zufall: „Während des Musikunterrichts hörten wir die fünfte Symphonie von Beethoven“, erzählt er. „Das hat mich so fasziniert, dass ich gedacht habe: Ich möchte Teil eines Orchesters werden.“

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Gesunde Mischung aus Fleiß und Talent

Zunächst lernte er Geige. So tun es die meisten Musiker, die später zur etwas größeren und schwereren Bratsche wechseln. „Ihr Ton ist dunkler und wärmer, die Bogentechnik ist etwas anders, aber sonst ist die Bratsche der Geige schon recht ähnlich.“ Mit einer gesunden Mischung aus Fleiß und Talent, wie er sagt, schaffte es Kalthoff nach dem Abitur auf die Musikhochschule: Er studierte zunächst in Köln, danach in Düsseldorf und war anschließend Solo-Bratschist in Augsburg, ehe er Mitte der 80er nach Bochum kam.

Blues Machine
In der Bochumer Bluesrock-Band „Blues Machine“ ist Heribert Kalthoff (links) seit 2018 als Schlagzeuger aktiv. © Blues Machine

Unzählige Konzerte hat er seither mit den Symphonikern gegeben, und nicht alle gingen leicht von der Hand. „Der frühere Generalmusikdirektor Eberhard Kloke war dafür bekannt, sehr moderne Stücke aufführen zu wollen, die wahnsinnig schwer zu spielen waren“, erinnert er sich. Doch auch gängige Werke der klassischen Musik etwa von Haydn und Mozart spielen sich nicht von allein: „Jeder Musiker hat den Ehrgeiz, beim Konzert das Beste zu geben, aber niemand ist unfehlbar. Natürlich kann auch mal etwas schiefgehen, glücklicherweise fangen einen die Kolleginnen und Kollegen dann auf.“

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An einige Auftritte erinnert sich Kalthoff besonders gern: etwa an die Tour der Symphoniker mit Weltstar Sting, die sie 2011 bis nach Montreux führte, und an das Benefizkonzert von Herbert Grönemeyer 2009 im Ruhrstadion, mit dem Geld für den Bau des Konzerthauses gesammelt wurde. „Als der Vorhang auf der Bühne fiel und 30.000 Menschen im Stadion jubelten: Das werde ich nie vergessen.“

„Für die Zuschauer sieht es immer so einfach und elegant aus, wenn wir da auf der Bühne sitzen und musizieren, aber in Wahrheit ist das durchaus auch Knochenarbeit.“

Heribert Kalthoff, Bratschist

Kalthoff ist froh, die vielen Jahre als Profimusiker gesundheitlich halbwegs unbeschadet überstanden zu haben, was nicht bei jedem Kollegen der Fall ist. „Das stundenlange Spielen von Geige und Bratsche geht total auf Nacken und Schulter und kann echte Schäden verursachen“, erzählt er. Doch mithilfe des Bochumer Vitalzentrums habe er das gut in den Griff bekommen. „Für die Zuschauer sieht es immer so einfach und elegant aus, wenn wir da auf der Bühne sitzen und musizieren, aber in Wahrheit ist das durchaus auch Knochenarbeit.“

In dem Bratschisten steckt in Wahrheit ein Hardrocker

Jetzt freut sich Heribert Kalthoff auf etwas mehr freie Zeit als bisher: etwa in seinem Schrebergarten und mit seiner siebenjährigen Enkeltochter. Und er geht mit ganzem Herz seinem liebsten Hobby nach: als Schlagzeuger der Blues-Rock-Band „Blues Machine“, in der er seit 2018 spielt. Dabei ist die Bluesmusik gar nicht unbedingt sein Ding, denn in dem passionierten Bratschisten steckt in Wahrheit ein echter Hardrocker. „Mein erstes Album war ‚Made in Japan‘ von Deep Purple. Danach war es um mich geschehen.“

Und so machten ihm seine Orchesterkollegen zum Abschied nach 40 Jahren Dienst auf der Bosy-Bühne eine besondere Freude: Sie schenkten ihm Karten fürs Deep-Purple-Konzert in Essen inklusive „Meet and Greet“ mit Schlagzeuger Ian Paice. „Grandios!“

Die nächsten Konzerte im Musikforum

Beim Kammerkonzert „Bosy Camera“ am Sonntag, 19. Januar, um 18 Uhr im kleinen Saal des Musikforums bilden Hye-Bin Kim (Violine), Jaewoo Jeong (Violoncello) und James Maddox (Klavier) ein Trio. Gemeinsam spielen sie unter anderem das Klaviertrio C-Dur von Joseph Haydn und ein Piano-Trio der Komponistin Judith Weir. Karten: 18 Euro.

Bei den „Meisterstücken“ am 30. und 31. Januar erklingen große Stücke der Klassik wie „Ein Heldenleben“ von Richard Strauss und das Vorspiel aus „Lohengrin“ von Richard Wagner. Karten (16 bis 39 Euro): 0234 910 8666.

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