Bochum. Bei den ausverkauften Konzerten zum neuen Jahr setzen die Bochumer Symphoniker auf ein ungewöhnliches Programm. Im Mittelpunkt: ein Top-Talent.
Natürlich könnte man das alte Jahr mit den üblichen Verdächtigen verabschieden: etwa mit den großen Strauß-Melodien und den Operetten-Klassikern, die zu Silvester und Neujahr derzeit landauf, landab mit Inbrunst gefiedelt werden. Doch Bochums Generalmusikdirektor Tung-Chieh Chuang war noch nie ein Freund ungebremster Schunkelstimmung. Er fordert sein Publikum lieber, statt es nur gediegen zu unterhalten.
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Stücke bewegen sich auf Top-Niveau
Entsprechend groß ist die Neugierde beim ersten von stolzen fünf Konzerten zum Jahreswechsel im Musikforum: Denn die Stücke etwa von Bartók, Borodin und Ravel, die hier erklingen, bewegen sich musikalisch auf Top-Niveau und sind für ein launiges Silvesterprogramm absolut ungewöhnlich. „Ungewöhnlich gut“, ergänzt ein sichtlich begeisterter Besucher während der Pause.
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Schon mit den „Gezabo Dances“ des zeitgenössischen Komponisten John Corigliano, der vor allem durch Filmmusiken bekannt wurde, weiß das Orchester den ausverkauften Saal gehörig zu überraschen. Die kleinen Stücke besitzen eine spielerische Leichtigkeit und zugleich eine gehörige Tiefe und Melancholie. Während der Proben scheinen die Musiker an den Stücken einen solchen Gefallen gefunden zu haben, dass sie gleich vier von ihnen spielen. Ursprünglich geplant waren nur drei.
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Große Bühne für 20-jährigen Ausnahmegeiger aus Bochum
Fast schon zu einer kleinen Tradition ist es geworden, dass die Symphoniker zum Jahreswechsel dem Bochumer Nachwuchs die große Bühne bereiten. Nach dem schillernden Auftritt der Violinistin Liv Migdal vor zwei Jahren ist diesmal der erst 20-jährige Darius Preuß an der Reihe. Der Ausnahmegeiger aus Bochum-Hamme studiert an der Musikhochschule Berlin und steht womöglich am Beginn einer großen Solisten-Karriere.
Für seinen Auftritt vor heimischem Publikum hat er sich zwei Stücke ausgesucht, die höllisch schwer zu spielen sind und selbst altgedienten Violinisten Respekt einjagen. Doch Preuß stellt sich den Meisterwerken mit ganzer Kraft: Bei der Rhapsodie Nr. 1 von Béla Bartók wirkt er zu Beginn noch etwas nervös und findet erst im zweiten Teil zupackender ins Spiel. Dafür gelingt ihm mit „Introduction et Rondo Capriccioso“ von Camille Saint-Saëns nach der Pause ein fulminanter Ritt.
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Die leisen Zwischentöne meistert er ebenso neugierig und bravourös wie das donnernde Finale, das die Zuschauer begeistert von den Sitzen springen lässt. Ein gelungenes Heimspiel für den jungen Geiger! Nebenan am Dirigentenpult ist Tung-Chieh Chuang sichtlich stolz auf seinen Schützling.
Bei Bartóks Rhapsodie wird übrigens ein Instrument auf die Bühne geschoben, das man eher selten sieht: Das Cimbalom sieht aus wie eine riesige Zither und wird mit Klöppeln geschlagen. Weil die Symphoniker keine Musiker in ihren Reihen haben, die dieses Instrument beherrschen, wurde dafür eigens der Solist Luigi Gaggero verpflichtet.
Im Saal herrscht andächtige Stille
Mag das Silvesterprogramm der Bosy diesmal also weniger gefällig sein, wohlüberlegt ist es schon. Die berühmte „Pavane“ von Gabriel Fauré besitzt eine der bezauberndsten Melodien der Musikgeschichte, die das Orchester wunderbar herausarbeitet. Die „Polowetzer Tänze“ von Alexander Borodin bringen auch das Schlagwerk in den hinteren Reihen auf Hochtouren. Am Ende sorgt Maurice Ravels „La Valse“, geschrieben während des Ersten Weltkriegs, noch einmal für andächtige Stille im Saal. Bei diesem hochklassigen Programm wirkt der unvermeidliche „Radetzkymarsch“ als Zugabe fast schon entbehrlich. Großer Jubel!
Letztes Neujahrskonzert am Donnerstag
Das Konzert zum Jahreswechsel der Bochumer Symphoniker ist noch einmal am Donnerstag, 2. Januar, um 20 Uhr im Musikforum, Marienplatz 1, zu erleben (ausverkauft).
Bei den „Meisterstücken“ am Donnerstag und Freitag, 30./31. Januar, um 20 Uhr dirigiert Generalmusikdirektor Tung-Chieh Chuang unter anderem das Vorspiel zu „Lohengrin“ von Richard Wagner und „Ein Heldenleben“ von Richard Strauss. Karten (25 bis 44 Euro): 0234 910 8666.