Bochum. Emil Schneider war 30, als er mit dem Opel-Aus in Bochum den Job verlor. Wie er die letzte Schicht erlebte und warum er Opel bis heute „liebt“.

„Ich habe bis zum letzten Tag gearbeitet“, sagt Emil Schneider. Ziemlich genau zehn Jahre ist das her. Am 5. Dezember 2014 läuft in Bochum der letzte Opel über das Fließband. An die letzte Schicht erinnert sich Schneider noch ganz genau. „Ich habe den letzten Opel in den Händen gehabt“, sagt der heute 40-Jährige.

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Seine Ausbildung macht der Bochumer damals in einer Druckerei. „Nach einer Umschulung zum Kfz-Mechatroniker habe ich über eine Bekannte eine Stelle bei Opel bekommen und wurde fest angestellt. Dort wollte ich eigentlich auch nicht mehr weg“, erzählt er.

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Einige Jahre vor der Werksschließung kommt Schneider zu Opel

Fünf oder sechs Jahre vor der Schließung ist das. Schneider baut damals Türen und Heckklappen ein, kümmert sich um den Karosseriebau. Mit Ende 20 ist er einer der Jüngsten unter den Kollegen, viele andere sind damals 50 oder älter. Am Zusammenhalt ändert das nichts. „Wir waren wie eine Familie, haben füreinander eingestanden, wie es für den Ruhrpott bekannt ist. Wenn irgendwas war, haben wir gesprochen“, erinnert er sich. Das Arbeitsklima sei besonders gewesen, das könne man gar nicht beschreiben. Nie wieder habe er so etwas erlebt.

Emil Schneider bei der Arbeit am Band bei Opel. Er hat seinerzeit Dauernachtschicht gearbeitet. „Ich fand das gut, ich liebe Nachtschicht.“
Emil Schneider bei der Arbeit am Band bei Opel. Er hat seinerzeit Dauernachtschicht gearbeitet. „Ich fand das gut, ich liebe Nachtschicht.“ © . | Emil Schneider

Schneider erinnert sich gerne zurück. Er ist damals auf Dauernachtschicht. „Ich fand das gut, ich liebe Nachtschicht“, sagt er. Zur Arbeit geht er gerne. Immer nach Feierabend haben er und die Kollegen sich an der Tankstelle getroffen, nahe dem Werk 2. „Wir haben zusammengestanden, ein Feierabendbierchen getrunken, sind dann alle nach Hause gefahren.“

Die Marke Opel prägt den heute 40-Jährigen schon seit Kindheitstagen

Opel – für Schneider ist das mehr als ein ehemaliger Arbeitgeber, die Marke prägt ihn schon seit Kindheitstagen. „Das erste Auto, an das ich mich erinnere, ist ein Ascona A in Grün.“ Mit dem sei seine Familie in den Urlaub nach Bayern gefahren, da war er sechs oder sieben Jahre alt. „Hinten gab es noch diese Scheiben zum Herunterkurbeln. Das habe ich gemacht, dann ist die Scheibe rausgefallen.“ Noch im Urlaubsort geht es für die Familie in die Werkstatt, der junge Emil beobachtet das Geschehen ganz genau. „Da ist die Liebe entbrannt“, sagt er nun, mehr als 30 Jahre später. Er schätzt die Marke, weil sie gut und einfach strukturiert sei, „ohne viel Trara“.

Über die Zeit bei Opel zu sprechen, das macht Schneider wehmütig. Er erinnert sich, dass die Stimmung zum Ende hin oft betrübt gewesen sei. „Manchmal wurden Sätze gesagt, bei denen man Hoffnung geschöpft hat“, erinnert er sich. Doch letztlich hat all die Hoffnung, haben auch die vielen kleineren und großen Proteste, die es in Bochum gab, nicht geholfen. Am 17. April 2013 segnet der Opel-Aufsichtsrat die Schließung des Werks zum Jahresende 2014 ab.

„Ich kann mich an viele Kollegen erinnern, die gesagt haben, dass sie Opel alles verdanken, was sie besitzen. Ihre Autos, ihre Häuser. Wir haben alles gegeben und dann wird man vor die Tür gesetzt.“

Emil Schneider
Ehemaliger Opel-Mitarbeiter

Schneider erzählt: „Ich kann mich an viele Kollegen erinnern, die gesagt haben, dass sie Opel alles verdanken, was sie besitzen. Ihre Autos, ihre Häuser. Wir haben alles gegeben und dann wird man vor die Tür gesetzt.“

Emil Schneider steht in seinem Opel-Flur. Hier erinnert viel an seinen ehemaligen Arbeitgeber.
Emil Schneider steht in seinem Opel-Flur. Hier erinnert viel an seinen ehemaligen Arbeitgeber. © . | Emil Schneider

Die letzte Schicht bei Opel: „Manche haben sich gefreut, andere waren tieftraurig“

Durchmischt ist die Stimmung, als Schneider im Dezember 2014 zur letzten Schicht im Opel-Werk geht. Genau beobachtet er damals, schaut von einem Spind zum nächsten. „Manche haben sich gefreut, sie hatten nicht mehr so lange bis zur Rente, freuten sich, die letzten Jahre ein schönes Leben machen zu können“, erzählt der ehemalige Opelaner. „Und dann gab es Leute wie mich, die tieftraurig waren. Die gehofft haben, ihr ganzes Arbeitsleben dort zu verbringen.“

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Wie viele andere Kollegen nimmt auch Schneider den Opel-Gedenkstein als Andenken mit. Der steht noch heute in seinem Opel-Flur. „Ich habe das Opel-Zeichen dran gemalt, daneben hängen Ausschnitte aus der WAZ.“ Auf seinem Fuß trägt Schneider ein Opel-Tattoo. „Die Marke ist meine Passion“, macht er klar und muss lachen. „Ich brenne dafür. Auch wenn meine Frau immer sagt, ich habe einen Haschmich.“

An seinem Fuß trägt Emil Schneider ein Opel-Tattoo. 
An seinem Fuß trägt Emil Schneider ein Opel-Tattoo.  © . | Emil Schneider

Der 40-Jährige lebt mittlerweile mit seiner Familie, dazu gehören auch die beiden Kinder (14 und 10), in Niedersachsen, in der Nähe von Osnabrück. Nach Opel hat er zuerst in einer kleinen Kfz-Werkstatt gearbeitet, ist dann aus beruflichen Gründen aus Bochum weggezogen. Heute ist er wieder in der Druckindustrie tätig.

Ein Besuch am früheren Opel-Werk als Pflichttermin

„Das Ruhrgebiet habe ich nur ungern verlassen“, sagt Schneider. Auch wenn es mittlerweile nicht mehr dasselbe sei. In vielen Unternehmen habe es gekrieselt, bei Opel, aber auch bei Nokia und Thyssen, Zechen seien geschlossen worden. „Das macht mich unfassbar traurig.“

„Ich bin mit Opel geboren und ich werde mit Opel sterben. Ich liebe diese Marke.“

Emil Schneider
hat die letzten Jahre vor dem Aus bei Opel in Bochum gearbeitet.

Trotzdem, wenn in wenigen Wochen Weihnachten ist, kommt Schneider wieder nach Bochum. „Ich habe noch Familie dort, fahre ständig runter“, sagt er. Bei jedem Besuch gibt es einen Pflichttermin für ihn: Er fährt am ehemaligen Opel-Werk vorbei. „Dann werde ich immer etwas wehmütig.“ Vieles habe sich verändert. Statt Opel ist dort nun der Schriftzug O-Werk zu lesen.

Unabhängig davon, für Schneider ist einer klar: „Ich bin mit Opel geboren und werde mit Opel sterben. Ich liebe die Marke Opel.“ Und da verwundert es nicht, dass Schneider auch heute noch nur Opel fährt. Derzeit gehören seiner Familie ein „Meriva A Opc“ und ein „Mokka A“.

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