Bochum. Die IT ist allgegenwärtig im modernen Leben – und macht uns abhängig von Produkten digitaler Anbieter. In Bochum hat der Kampf dagegen begonnen.

Bedeutende Unternehmen wie Volkswagen, Bosch und DHL, namhafte Forschungseinrichtungen wie das Max-Planck-Institut, Wissenschaftsbetriebe wie die Ruhr-Universität: Viele große Player sind mittlerweile im früheren Opel-Werk in Bochum zu Hause. Eingezogen ist dort, in die frühere Opel-Verwaltung, dem O-Werk, vor einigen Wochen auch das Zentrum für Digitale Souveränität (Zendis).

Klingt sperrig. Aber die noch kleine Mannschaft ist in einer wichtigen Mission unterwegs. Sie will dazu beitragen, öffentliche Verwaltungen im In- und Ausland unabhängig zu machen von den digitalen Angeboten einzelner Unternehmen. Deren Einfluss sei mit Gefahren verbunden – und kann mitunter auch ziemlich teuer sein.

Bund und Länder machen sich Sorgen über Abhängigkeit von Unternehmen

„Nehmen wir folgendes Beispiel“, sagt Zendis-Geschäftsführer Andreas Reckert-Lodde (42). „In Deutschland nutzt jede Kommune zur Erfassung der Hundesteuer die gleiche Software. Und jede Stadt bezahlt dafür Lizenzgebühren.“ Nur ein Beispiel von vielen, so der gebürtige Münsteraner und stellt gleichzeitig die rhetorische Frage in den Raum: „Wäre es nicht besser, wenn alle auf eine kostenfreie Open-Source-Lösung zurückgreifen könnten?“ Will sagen, auf eine frei zugängliche Softwarelösung, die nicht nur die Abhängigkeit von einem Anbieter verhindern, sondern den Steuerzahler auch deutlich weniger Geld kosten würde.

Klein, aber fein ist das Zendis-Team bislang. Es soll aber deutlich wachsen. Aufgereiht hat es sich im Flur der früheren Opel-Verwaltung. An dessen Wänden des sonst runderneuerten Gebäudes kleben noch die Fliesen aus alten Zeiten.
Klein, aber fein ist das Zendis-Team bislang. Es soll aber deutlich wachsen. Aufgereiht hat es sich im Flur der früheren Opel-Verwaltung. An dessen Wänden des sonst runderneuerten Gebäudes kleben noch die Fliesen aus alten Zeiten. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Vor fünf Jahren hat Reckert-Lodde eine vom Bund beauftragte Marktanalyse mitbetreut. „Und dabei ist herausgekommen, wir sind abhängig, zum Beispiel von Microsoft.“ Aber natürlich auch von anderen Soft- und Hardware-Anbietern. Nicht nur aus Sicht des studierten Kommunikationselektronikers ist das fatal.

Bund und Länder machen sich längst Sorgen über die Abhängigkeit ihrer Verwaltungen. „Mit zunehmender Digitalisierung steigt auch die Abhängigkeit von der IT in der Verwaltung. Dabei besteht auch die Gefahr, die Kontrolle über die eigene IT zu verlieren und den notwendigen Informations- und Datenschutz nicht mehr gewährleisten zu können“, heißt es in einem Papier des NRW-Kommunalministeriums. Und: „Wenn die digitale Souveränität nicht ausreichend gewahrt ist, kann die Handlungsfähigkeit eingeschränkt werden“. Länderübergreifend herrscht mittlerweile die Einschätzung, es sei „erforderlich, gemeinsame Standards für bestehende und zukünftige föderale Cloudlösungen zu definieren“, so der IT-Planungsrat.

Plattform „Open Code“ schafft Zugang zu frei verfügbaren Lösungen

Bochum nimmt dabei eine zentrale Stellung ein. Denn die seit kurzem hier beheimatete Zendis GmbH, nach eigener Darstellung ein „Start-Up im Staat“, soll die Entwicklung und Verwendung von Open-Source-Lösung in der IT fördern. „Wir wollen mit Herstellern von Open-Source-Lösungen dafür sorgen, dass Produkte den Bedarf der öffentlichen Hand decken“, so Zendis-Geschäftsführer Reckert-Lodde.

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Gerade Kommunen arbeiten zwar bereits mit frei zugänglicher Software. Üblich ist allerdings eher, lizenzierte Software zu kaufen. Mitunter von einem oder nur wenigen Anbietern. Und das birgt Risiken. Um das zu verhindern, werben die Bochumer nicht nur in den Verwaltungen, offen für Open-Source-Lösungen zu sein, sondern haben mittlerweile auch eine Plattform namens „Open Code“ eingerichtet, über die frei zugängliche Software ausgetauscht werden kann. Ein weiterer Vorteil: Die Kommunen können sich maßgeschneiderte Lösungen fertigen lassen.

Zendis setzt in Bochum auf Nähe zur Forschung und Unternehmen

Auf Bochum als Standort fiel die Wahl geradezu zwangsläufig. Als Kriterien für das Zentrum galten der Zugang zu Forschung und Unternehmen, ein großes Einzugsgebiet, um Personal anzuwerben und einige andere Punkte. Das frühere Opel-Gelände mit seinem neuen Ökosystem rund um IT und IT-Sicherheit, aber auch die Nähe zu Forschungseinrichtungen, scheint daher optimal zu sein. „Wir wachsen gerade“, sagt der Zendis-Geschäftsführer. Acht Mitstreiter hat er momentan, insgesamt bis zu 66 sollen es werden.