Bochum. Seit Jahren hilft ein Verein Bedürftigen in Bochum. Unterstützung lehnen Stadt und Politik ab. Die Begründung macht die Ehrenamtlichen wütend.
„Das macht mich richtig sauer.“ Sabine Kleemann kann es immer noch nicht fassen. Erstmals hatte die Gründerin des Vereins „Menschen ohne Bleibe“ einen Antrag auf finanzielle Unterstützung bei der Stadt Bochum eingereicht. In der Hoffnung, ein bisschen was von den Haushaltsmitteln für 2025 und 2026 abzubekommen. Doch die Hilfsorganisation wird keine Gelder bekommen. Auf Anraten der Verwaltung wurde der Antrag von der Politik abgelehnt. Sabine Kleemann kann das nicht verstehen. Ohne Finanzspritze sieht sie ihre Obdachlosenhilfe in Gefahr. Vor allem die Begründung für die Ablehnung macht sie fassungslos – und wütend.
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Schon in den 90er Jahren hatte Sabine Kleemann damit begonnen, Menschen zu helfen, die keine Wohnung besitzen oder ein zu geringes Einkommen haben, um ihr Leben alleine zu bestreiten. 2021 gründete sie den Verein „Menschen ohne Bleibe“, den sie gemeinsam mit ihrem Mann Frank Blumreiter führt. Mittwochs und freitags um 18.30 Uhr bieten aktuell zwölf Ehrenamtliche auf dem Buddenbergplatz hinter dem Hauptbahnhof Bochum speziell obdachlosen Menschen eine Anlaufstelle an.
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„An beiden Tagen gibt es Lebensmittel, heiße Getränke und Kleidung, freitags zudem warmes Essen – von mir selbst gekocht“, berichtet Sabine Kleemann. Sie übernehme im Vorfeld auch die Einkäufe. Doch damit höre die Hilfe nicht auf. „Wir helfen unseren Besuchern bei Behördenschreiben und anderen individuellen Problemen, auch außerhalb unserer Zeiten auf dem Buddenbergplatz“, sagt Kleemann.
Das Ganze werde fast ausschließlich aus der eigenen Tasche finanziert. „Mein Mann und ich fahren deswegen nicht mehr in Urlaub und stecken auch das Weihnachtsgeld und die Steuerrückerstattung in den Verein.“ Die Weihnachtsfeier in diesem Jahre finanziere wieder ihre Freundin, so Kleemann. „Das allein kostet schon 2750 Euro.“ Die jährliche Zuwendung von der Bezirksvertretung Bochum-Mitte (1500 Euro) werde für Mietgeschirr, Getränke, Süßigkeiten sowie Geschenke und Hygieneartikel verwendet.
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Damit diese Form der Hilfe weiter fortbestehen kann, hatte Kleemann auf Hilfe von offizieller Seite gehofft. Andernfalls drohe das Aus. Beantragt hatte sie jeweils gut 30.000 Euro für die nächsten beiden Jahre. Diese Summen wurden auch zunächst in der langen Liste von Anträgen aufgeführt. 17 Vereine und Organisationen wie die Bahnhofsmission und die Caritas hatten sich um Zuschüsse beworben. Abgelehnt wurde am Ende einzig und allein der Antrag von „Menschen ohne Bleibe“. Der Sozialausschuss folgte damit der Beschlussvorlage der Verwaltung.
„Ziel des Vereins ist es (...) nicht, die Betroffenen in Unterkünfte etc. zu vermitteln, um Obdachlosigkeit dauerhaft zu vermeiden, sondern eher die Menschen dahingehend zu unterstützen, dass sie sich obdachlos wohlfühlen und gar nicht erst motiviert werden etwas dagegen zu unternehmen. “
In der Begründung seitens der Stadt heißt es, es würden „gerade diejenigen unterstützt, die keine anderen Hilfen und Angebote wahrnehmen wollen oder können“. Ziel des Vereins sei „es eben nicht, die Betroffenen in Unterkünfte etc. zu vermitteln, um Obdachlosigkeit dauerhaft zu vermeiden, sondern eher die Menschen dahingehend zu unterstützen, dass sie sich obdachlos wohlfühlen und gar nicht erst motiviert werden, etwas dagegen zu unternehmen“. Hier kollidiere das Angebot von „Menschen ohne Bleibe“ mit den weiteren städtischen Angeboten.
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„Menschen in ihrer (freiwilligen) Obdachlosigkeit zu bestärken und dabei zu unterstützen, gut auf der Straße zu leben“, ist laut Stadt Bochum konträr zur Ausrichtung des Amtes für Soziales. Aus diesem Grund werde die Unterstützung dieser Tätigkeit seitens der Verwaltung auch nicht befürwortet. Somit sei es nicht nötig, den Verein finanziell zu unterstützen.
Der Sozialausschuss folgt der Empfehlung der Verwaltung mehrheitlich, wenn auch in erster Linie mit Verweis auf die angespannte Haushaltslage. Deshalb wolle man zunächst bestehende Organisationen weiter unterstützen, so Gaby Schäfer (SPD). Durch diese sehe man die Obdachlosenhilfe ausreichend abgedeckt, „auch wenn es aus individueller Sicht sicher schön wäre, diesen Kreis zu erweitern“. Die Entscheidung sei sehr seriös getroffen worden.
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Auch Sonja Lohf von den Grünen unterstreicht, „dass wir mit den Haushaltsmitteln sehr bedacht umgehen müssen“. Das habe nicht mit fehlender Wertschätzung der Arbeit von „Menschen ohne Bleibe“ zu tun. „Danke für ihr Engagement. Ich weiß, wie schwierig und aufreibend diese Arbeit ist.“
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Lediglich Bündnis Deutschland und die Fraktion „Frieden, Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ schlagen sich auf die Seite von „Menschen ohne Bleibe“. Für letztere findet Mehriban Özdogan „die Argumentation absurd“. Es gehe hier um eine Personengruppe, die durchaus bestehende Hilfsangebote annehme. Man solle „Menschen, die an den Rand gedrängt werden, in ihrer Lebenssituation stärken“. Nur Dank zu sagen „hilft den Ehrenamtlichen nicht“.
„Ziemlich sicher ist, dass wir das jetzige Angebot so nicht aufrecht erhalten können.“
Das sieht auch Sabine Kleemann so. „Es ist ein Schlag ins Gesicht, nicht nur für uns, sondern auch für die Menschen, die zu uns kommen.“ Anliegen des Vereins sei es, „die Obdachlosigkeit dieser Menschen zu beenden. Wir vermitteln auch sehr gerne in die Wohncontainer-Unterkünfte“. Jeder erhalte „die blaue Broschüre der Stadt Bochum, wo er Hilfe bekommt. Als erste Anlaufstelle benennen wir immer das Amt für Soziales. Einige Menschen haben schon eine eigene Wohnung mit unserer Hilfe bezogen, und vier Menschen haben wir in Arbeit gebracht.“
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Wie es nun weitergeht? „Wissen wir nicht“, sagt Sabine Kleemann. „Wir werden jetzt mit dem Team reden. Ziemlich sicher aber ist, dass wir das jetzige Angebot so nicht aufrecht erhalten können. Gut möglich, das als Erstes das warme Essen freitags wegfällt.“
Stadt Bochum erklärt Vorgehen
Der Antrag von „Menschen ohne Bleibe sei „wie alle anderen Anträge auch“ zunächst gesammelt erfasst, den Mitgliedern des Sozialausschusses im September zur Kenntnis vorgelegt und in der Folge inhaltlich geprüft worden, teilt Stadtsprecher Peter van Dyk auf Anfrage dieser Redaktion mit. „Erst als die inhaltliche Prüfung abgeschlossen war, ist eine konkrete Empfehlung formuliert worden.“
Nach Auffassung der Verwaltung sei das ehrenamtliche Engagement von „Menschen ohne Bleibe“ sehr hochzuschätzen. „Damit verbunden ist allerdings nicht automatisch eine finanzielle Förderung.“ Diese sei mit Blick auf die vorhandenen Haushaltsmittel für die Jahre 2025/2026 im Ausschuss von den Mitgliedern abgelehnt worden.
Bei den Anträgen der anderen Organisationen handelt es sich laut Stadt „um etablierte Angebote, bei denen schon jetzt eine enge Verzahnung mit dem Wohnungsnotfallhilfekonzept gegeben ist“. Mit diesem werde das Ziel verfolgt, „Menschen an die bestehenden Strukturen (wieder) heranzuführen, ein Unterbringungsangebot anzunehmen und im weiteren Prozess eigenen Wohnraum anmieten zu können.“