Bochum. Bochum benötigt Überschüsse aus den Vorjahren für die nächsten Kommunaletats. Rot-Grün stimmt zu, aus der Opposition gibt es beißende Kritik.
Mit den Stimmen von SPD und Grünen hat der Rat in Bochum am Donnerstag den Doppelhaushalt für die Jahre 2025 und 2026 beschlossen. Er hat für beide Jahre jeweils ein Rekordvolumen von etwa zwei Milliarden Euro (Grafik) und ist – Stand heute – rechnerisch ausgeglichen. CDU, FDP, UWG:Freie Bürger, Bündnis Deutschland und Einzelmandatsträger haben den Etat abgelehnt.
Bochum nimmt für den Haushalt knapp 126 Millionen Euro aus der Rücklage
Der Haushaltsausgleich gelingt nur mit zwei haushaltsrechtlichen Hilfen: Für beide Jahre sind noch nicht näher definierte Einsparungen von jeweils etwa 37,5 Millionen Euro eingerechnet. Damit reizt die Stadt die vom Land NRW zulässige Grenze dieser pauschalen Größe von maximal zwei Prozent der Gesamtausgaben aus. Es ist Geld, das in den nächsten 24 Monaten zusätzlich eingenommen werden muss oder erst gar nicht ausgegeben werden darf.
Außerdem greift die Stadt auf einen Großteil ihrer Überschüsse zurück, die sie seit 2020 und vor allem in den Jahren 2022/23 erzielt hat. 154 Millionen liegen in dieser sogenannten Ausgleichsrücklage. Davon werden knapp 126 Millionen – 50,1 Millionen für 2025 und 75,8 Millionen Euro für 2026 – benötigt, um den Etat der nächsten 24 Monate zu finanzieren.
+++ Wollen Sie keine Nachrichten mehr aus Bochum verpassen? Dann abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Newsletter! +++
Von einem „ganz besonderen Haushalt“ spricht SPD-Fraktionschef Burkart Jentsch und verweist auf enorme Investitionen in den nächsten beiden Jahren („wir kratzen an der Milliarden Marke“); davon zwei Drittel allein für Schulen. Dass die Koalition die Senkung der Kita-Gebühren um 25 Prozent auf den Weg gebracht habe und Familien mit einem Jahreseinkommen von höchstens 40.000 Euro jährlich gar keine Kita-Gebühren bezahlen müssen, sei „die größte sozialpolitische Maßnahme der Stadt Bochum in den vergangenen Jahren“.
Den Etat bezeichnet Jentsch als „Musterbeispiel für die solide Arbeit der Verwaltung“ um Kämmerin Eva Hubbert. Dennoch mache er sich Sorgen um „die Zukunft unserer kommunalen Finanzen“, Bund und Land hätten sich nicht an ihren Versprechen einer Altschuldenregelung gehalten.
Stadt Bochum hat knapp zwei Milliarden Euro Schulden
Die Vorzeichen für die finanzielle Lage Bochums in den nächsten Jahren hat die Kämmerin bereits vor einigen Wochen genannt, als sie den Haushalt eingebracht und auf die Jahre bis 2029 geblickt hat. Eine Wende des Negativtrends sei vorerst nicht in Sicht. Hubbert erwartet weitere Haushaltslöcher für die Jahre 2027 (mindestens 63 Millionen Euro), 2028 (mindestens 51 Millionen Euro) und 2029 (mindestens 41 Millionen Euro). Löcher, die die Schulden der Stadt weiter in die Höhe treiben würden. Schon jetzt drücken Bochum Verbindlichkeiten in Höhe von knapp zwei Milliarden Euro (Stand Ende September), umgerechnet 5432 Euro je Einwohner.
Für den grünen Koalitionspartner streicht dessen Fraktionschef Sebastian Pewny heraus, mit dem nächsten Haushalt investiere die Koalition trotz schwieriger Zeiten in Bildung, erhalte städtische Substanz und stärke den sozialen Zusammenhalt, während die Landesregierung im Sozialetat spare. Der Vorwurf, Rot-Grün verteile Wahlgeschenke, gehe ins Leere. „Wir entlasten Familien in Bochum, stärken frühkindliche Bindung und sorgen für mehr Teilhabe unabhängig vom Portmonee der Eltern. Das ist der Leitgedanke dieses Zukunftshaushalts.“
+++ Folgen Sie der WAZ-Lokalredaktion Bochum auf Instagram! +++
Eigenlob, das auf anderen Seite des großen Ratssaals, an der die Opposition ihren Platz hat, am Donnerstag mit Häme und Kritik quittiert wird. Vielfach ist die Rede von „falschen Akzenten“, die Rot-Grüne setze. Und: „Mit ihrer Ignoranz zeigen uns SPD und Grüne, dass sie noch fertiger sind als Rot-Grün in Berlin“, so CDU-Fraktionschef Karsten Herlitz. Oberbürgermeister Thomas Eiskirch bezeichnet er angesichts dessen Ausstiegs aus dem Amt am Ende der Legislaturperiode als „lame duck“ (zu deutsch: „lahme Ente“). Er sitze auf gepackten Koffern und lasse u.a. ein „Prestigeprojekt“ wie das Haus des Wissens zurück, von dem trotz zahlreicher Nachfragen der CDU immer noch nicht bekannt sei, wie hoch die Folgekosten des 152-Millionen-Euro-Baus sein werden.
Kritik der FDP: Doppelhaushalt birgt viele Unwägbarkeiten
Unverständnis herrscht bei CDU, FDP und UWG:Freien Bürgern vor allem über den erneut für zwei Jahre beschlossenen Haushalt. Angesichts der aktuell stürmischen Zeiten sorge das für zu viele Unsicherheiten und bedeute zudem weniger Transparenz. „Der Doppelhaushalt sollte die Ausnahme sein, aber in Bochum wird er zur Regel“, moniert Ratsmitglied Léon Beck in Vertretung von Fraktionschef Felix Haltt.
In die gleiche Kerbe schlägt Jens Lücking (UWG): „Die politischen Veränderungen in den USA sowie die angespannte weltpolitische Lage in Hinblick auf den Ukraine-Krieg sowie die brisanten Vorgänge im Nahen Osten bringen zudem viele Unwägbarkeiten mit sich. Wir aber in Bochum sehen uns sehr wohl in der Lage, einen Doppelhaushalt für die Jahre 2025 und 2026 vorzulegen und zu verabschieden. Dies verwundert uns sehr.“
Von einer „ideologischen Märchenstunde“ spricht gar Nicole Scheer, die Fraktionsvorsitzende von Bündnis Deutschland Bochum. Die von der Koalition und im Vorfeld von Kämmerin Hubbert („ambitioniertes, auch zwingend erforderliches Investitionsprogramm“) gepriesenen hohen Investitionen von 855 Millionen Euro seien tatsächlich „Ketten, die Bochum an Schulden fesseln“. Ihre Fraktion hatte vorgeschlagen, die Stadt müsse sich von teuren Projekten wie dem Haus des Wissens ebenso verabschieden wie von den Millionen-Subventionen für das Schauspielhaus.
- Bochum muss immer mehr Millionen für Zinsen aufbringen
- Bochum droht Neuverschuldung: Die fetten Jahre sind vorbei
- Bochum wollte Personal sparen, beschäftigt aber immer mehr
Auf dem falschen Weg wähnt auch Volker Steude (Stadtgestalter) die Koalition. Und dort, wo der Weg stimme, wie nach seiner Einschätzung etwa bei der Bochum-Strategie, fehle es am nötigen Tempo. Das Kardinalproblem, angesichts schwieriger Zeiten und drohender Zinsbelastungen von vermutlich allein 71 Millionen Euro im Jahr 2029 spätestens jetzt weniger statt mehr auszugeben, gehe Rot-Grün nicht an. Allerdings könne Bochum das größte Problem auch nicht allein lösen. Das könne nur gemeinsam mit den anderen Städten gelingen, zum Beispiel um Mehrfachstrukturen abzubauen und so Kosten zu sparen. „Es wird kontinuierlich bergab gehen, wenn wir uns nicht konsequent als Metropole Ruhr aufstellen.“