Bochum. „Mitte Dezember weiß ich, ob ich Belegschaft im Januar bezahlen kann“ – der Aidshilfe-Geschäftsführer Arne Kayser über geplante Sozialkürzungen.
Die Aidshilfe Bochum streikt – es herrscht Notfallbetrieb. Im „Walk in Ruhr“-Zentrum für sexuelle Gesundheit sind alle Hinweise auf die Einrichtung mit Schildern überklebt. Geschäftsführer Arne Kayser erklärt die Protestaktion: „Seit 30 Jahren war unsere Forderung: Wir brauchen eigentlich doppelt so viel Geld wie bisher, nur um unser Angebot wirklich umzusetzen. Stattdessen stehen jetzt Budgetkürzungen von 35 Prozent an. Das ist wirklich bedrohlich“. Mit dem Streik wolle die Aidshilfe der Politik zeigen, was es bedeuten würde, wenn nur noch das Allernötigste möglich wäre.
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„NRW bleibt sozial!“: Auch Aidshilfe bei Demo gegen Sparkurs bei Sozialleistungen
Wenn am Mittwoch, 13. November, sämtliche großen Wohlfahrtsorganisationen unter dem Slogan „NRW bleibt sozial!“ zur Demo in Düsseldorf aufrufen, dann wird auch Kayser (51) mitlaufen. Als Vorstandsvorsitzender des Landesverbandes der Aidshilfen NRW hat er auch die allgemeine Situation im Blick: „Viele der kleineren Aidshilfen müssten direkt dicht machen, was die Reichweite unserer Angebote massiv reduzieren würde.“
In Bochum selbst würden im Zuge des Haushaltsplans Leistungen und vielleicht Personal wegfallen. „Mitte Dezember weiß ich, ob ich meine Belegschaft im Januar bezahlen kann“, erklärt Kayser seine Situation. Er fürchtet, sich bald entscheiden zu müssen: Welchem hilfebedürftigen Mensch das (meist kostenlose) Angebot der Aidshilfe geben, welchem verwehren?
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Beratung, Bildung und Kontakt in das Gesundheitssystem
Woraus genau besteht dieses Angebot? Als Teil des „Walk in Ruhr“-Zentrums für sexuelle Gesundheit (WIR) in der Bochumer Innenstadt ist die Aidshilfe laut eigener Angabe Anlaufstelle „für alle Menschen, die Fragen zu HIV/Aids haben und Hilfe bei der Bewältigung ihrer Schwierigkeiten suchen“. Konkret bedeutet das zum Beispiel eine Beratung für Menschen, die durch ihre Lebenssituation besonders anfällig für sexuell übertragbare Krankheiten sind, oder auch jene, die aus unterschiedlichen Gründen durchs Raster im Gesundheitssystem fallen (z.B. Geflüchtete oder Trans-Menschen).
Bei der Aidshilfe kann man sich kostenlos und anonym auf sexuell übertragbare Krankheiten testen lassen. Außerdem will sie ein Ort der Begegnung und der Selbsthilfe für queere Menschen oder HIV-Betroffene sein. Ein großer Teil des Angebots ist aber auch die (Weiter-)Bildung durch Vorträge und Schulungen.
All das kostet Geld. Das kommt normalerweise teils aus Spenden, größtenteils aber aus der Landesförderung. Und genau dabei soll das Budget um 35 Prozent gekürzt werden. Der NRW-Finanzminister spricht in seiner Erklärung zum vorgelegten Haushaltsplan 2025 von „Prioritäten“ und von „Sparsamkeit“ bei „knapper Kasse“.
Aidshilfe Bochum arbeitet ohnehin mit knappen Ressourcen
Arne Kayser sieht in den daraus folgenden Einsparungen im sozialen Sektor ein falsches Signal an die Gesellschaft: „Es geht ja nicht nur um Zahlen, sondern um Menschen.“ Natürlich müsse demokratisch entschieden werden, was wie wichtig ist. Aber „die Sozialleistungen schmieden unsere Demokratie zusammen“, argumentiert Kayser. Hier mit der „Rasenmähermethode“ zu kürzen, finder er falsch.
Dabei habe sich die Aidshilfe Bochum immer schon enorm bemüht, mit knappen Ressourcen auszukommen. „Wir brauchen das Geld ja hauptsächlich für die Miete und das Personal“, sagt Kayser. Die sonstigen Kosten, wie zum Beispiel Fahrtkosten oder die Kondome für den Aufklärungsunterricht, „die übernehmen wir sowieso schon immer selbst.“
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