Bochum. Zum Welt-Aids-Tag ruft die Deutsche STI-Gesellschaft zu mehr Bildung auf. Eine Bochumer HIV-Positive schildert ihre Diskriminierungserfahrungen.

Einen HIV-Positiven zu küssen stellte noch 2017 für mehr als die Hälfte der Deutschen ein Problem dar. Dabei wird das Virus so gar nicht übertragen, außerdem ist es praktisch unmöglich, sich über eine in Behandlung stehenden Person mit HIV anzustecken. Vielmehr führen Vorurteile und Diskriminierung zu Hemmnissen in der Prävention. Zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember macht die Deutsche STI-Gesellschaft e. V., die ihren Sitz in Bochum hat, auf das Problem aufmerksam.

Die Stigmatisierungen, denen HIV-Positive ausgesetzt sind, sind vielfältig: 16 Prozent der Betroffenen wurde schon einmal eine Zahnarztbehandlung verweigert, rund ein Viertel erfuhr Diskriminierung durch Vorgesetzte. 2020 gaben 95 Prozent der Befragten an, mindestens eine diskriminierende Erfahrung in den letzten zwölf Monaten gemacht zu haben, so die Studie „positive Stimmen 2.0.“

Auch im Krankenhaus wird diskriminiert

Glücklicherweise trifft vieles davon auf eine Bochumerin nicht zu, Familie und Arbeitsstelle hatten nie Vorurteile. Sie erlebte hingegen Diskriminierung im Gesundheitswesen. Im Krankenhaus wurde ihr eine separate Toilette zugeteilt, einmal sogar ein Toilettenstuhl – weil sie nicht die selbe Toilette wie ihre Bettnachbarin benutzen sollte. „Das erste Mal habe ich nichts unternommen, mittlerweile wehre ich mich dagegen“ erzählt die 49-jährige. Sie weiß seit 20 Jahren von ihrer Infektion, bis auf die Medikamenteneinnahme spielt diese in ihrem Alltag keine Rolle.

Dass Vorurteile und Diskriminierung nicht nur den Betroffenen schaden, sondern auch Neuinfektionen fördern, davon geht Prof. Norbert H. Brockmeyer von der Deutschen STI-Gesellschaft aus. Denn: Stigmatisierung führe dazu, dass sich weniger potenziell Positive testen ließen und sich HIV so weiter verbreiten könne. Warum sich Vorurteile in der Gesellschaft so hartnäckig halten, erklärt er so: „Sexualität und sexuell übertragbare Krankheiten sind immer noch mit Tabus belegt. Gleichzeitig infizieren sich viele Männer, die Sex mit Männern haben – auch das führt zu Diskriminierung.“

Bochum setzt sich gegen Neuinfektionen ein

In der Präventionsarbeit ist Bochum stark. Das Walk in Ruhr Zentrum für sexuelle Gesundheit und Medizin, kurz WIR, bietet regelmäßig Tage der offenen Tür an, es gibt Hilfsangebote für besonders vulnerable Gruppen wie Obdachlose, Sexarbeiterinnen und -arbeiter oder Häftlinge. Ein besonderes Augenmerk liegt außerdem auf dem Bildungsangebot für Jugendliche, da hier häufig große Wissenslücken bestehen. Die Rückmeldungen zu den Angeboten seien „hervorragend“, so Brockmeyer. Ein in Bochum entwickelter Risikotest auf der Website des WIR wurde beispielsweise schon über 50.000 Mal gemacht.

Rund 600 infizierte Aids-Infizierte in Bochum

Nicht nur im Netz ist Bochum Vorreiterin im Kampf gegen das Virus – die Stadt ist zudem eine von zwei deutschen „Fast-Track-Cities“ und hat sich damit dem Ziel verschrieben, neue HIV-Infektionen und Aids-Tote zu verhindern. Laut Schätzungen der Aidshilfe leben zurzeit rund 600 infizierte Personen in Bochum.

Wer sich in Bochum zum Thema sexuell übertragbare Krankheiten und HIV beraten oder testen lassen möchte, für den ist das WIR an der Großen Beckstraße 12 ebenfalls die richtige Adresse. HIV-Positive werden außerdem in der Selbsthilfegruppe „Posithiv“ dabei unterstützt, selbstbestimmt zu leben. Das ist heutzutage kein Problem mehr: Wer sich behandeln lässt, ist nicht infektiös und hat eine normale Lebenserwartung.