Bochum. Die Zahl der E-Autos ist seit 2020 in Bochum sprunghaft angestiegen. Doch das Wachstum ist längst nicht mehr so rasant. Was Autohändler erleben.

Das „E“ am Ende des Kfz-Nummernschilds sorgt nicht mehr für Erstaunen. Allein in Bochum sind mittlerweile etwa 20.000 Fahrzeuge zugelassen, die rein elektrisch oder hybrid – mit E-Elektro- und Verbrennermotor – betrieben werden. Seit 2020 ist allein die Zahl der reinen „Stromer“ in der Stadt rasant gestiegen (Grafik) – von 1056 zur Mitte des Jahres bis auf 7187 im Juni 2024.

E-Auto-Wachstum in Bochum hat an Fahrt verloren

Allerdings hat das Wachstum deutlich an Fahrt verloren. Von Januar bis Juni 2024 sind nur noch weitere 336 E-Fahrzeuge hinzugekommen. Das bundesweit lahmende E-Auto-Geschäft macht sich auch in Bochum bemerkbar. Einer der Gründe dafür ist offenbar die weggefallene staatliche Förderung: Ende 2022 für Hybridfahrzeuge und Ende 2023 für rein elektrisch betriebene Fahrzeuge. Das bekommen auch die Händler zu spüren.

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Zwar hat etwa die Tiemeyer-Gruppe, eines der größten Autohandelshäuser in Deutschland mit einem Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Euro, seinen Verkauf von Elektro- und Hybridfahrzeugen im Vorjahr noch um 23 Prozent auf weit mehr als 5000 Fahrzeuge gesteigert. „Allerdings ist der E-Wagen-Neuverkauf zurückgegangen“, so Geschäftsführer Heinz-Dieter Tiemeyer bei der Vorstellung der Geschäftszahlen für 2023. Tatsächlich wurden nur noch halb so viele neue Elektroautos verkauft wie noch 2021/22. Das große Plus hat sich im Gebrauchtwagenmarkt abgespielt.

Bei Tiemeyer sinkt der Absatz neuer E-Fahrzeuge

Die größte Herausforderung für sein Unternehmen sei es nun, „die Menschen auf dem Weg zur Elektromobilität zu begeistern“, sagt der Firmenchef. Dazu zähle ausdrücklich auch die „eigene Mannschaft“, die jene Begeisterung etwa in Verkaufsgesprächen an die Kunden weitergeben könne. Drei Viertel der firmeneigenen Flotte – Autos des Führungspersonals, von Verkäufern und Vorführwagen – werde mittlerweile voll elektrisch (20) oder hybrid betrieben (140).

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Das zweite große Bochumer Autohandelshaus, das ebenfalls zu den größten Händlern in Deutschland gehört und einen Jahresumsatz von etwa 1,5 Milliarden Euro hat, spricht von stabilen Zahlen. „Bei Lueg ist der Absatzanteil von rein elektrischen Fahrzeugen in den vergangenen drei Jahren auf einem vergleichsweise konstanten Niveau“, sagt eine Unternehmenssprecherin. „Mit der Marke Smart haben wir darüber hinaus einen Anbieter im Sortiment, der ausschließlich vollelektrisch betriebene Fahrzeuge produziert.“

Zusatz „E“ ist keine Pflicht

Die Zahlen für E-Kennzeichen und E-Fahrzeuge in Bochum weichen voneinander ab, so die Stadt; da Halterinnen und Halter von Elektrofahrzeugen und von extern aufladbaren Hybridfahrzeugen nicht zwingend ein Kennzeichen mit dem Zusatz „E“ führen müssen.

Seit dem 28. September 2015 werden E-Kennzeichen zugeteilt. Der Zusatz „E“ werde lediglich auf Antrag und somit nur auf Kundenwunsch zugeteilt.

Für die Kunden spielten beim Kauf eines E-Fahrzeugs sowohl ökologische als auch ökonomische Aspekte eine Rolle. „Viele unserer Kunden möchten einen aktiven Beitrag zur CO2-Reduktion leisten. Dies erreichen sie zum Beispiel durch die Eigenproduktion von Strom, z.B. mit einer Photovoltaikanlage am Haus, oder durch das ausschließliche Laden von Ökostrom.“ Am besten verkauften sich der Smart#1 und der Volvo EX30. Im Luxussegment sei es die neue vollelektrische Mercedes G-Klasse.

Potenzielle Kunden müssen E-Auto erleben

Erfolgreich verkaufen ließen sich E-Autos vor allem über das „Erleben“. „Einmal im Wagen Platz zu nehmen, reicht dafür nicht aus“, so die Sprecherin. Vielmehr gehe es darum, das Fahrzeug bei einer intensiven Testfahrt ausprobieren zu können. Üblich sei es, dass bei dieser Testfahrt ein Berater dabei sei. „Mit einer umfassenden Beratung können wir dem Kunden meist schnell die Angst vor einer zu geringen Reichweite nehmen.“ Reichweite und fehlender Zugang zu einer privaten Ladeinfrastruktur seien die häufigsten Gründe für die Wahl eines Autos mit Verbrennungsmotor.

Standortleiter spricht von einem „äußerst schwierigen Markt“

Von „Verunsicherung und Kaufzurückhaltung“ sowie von einem „äußerst schwierigen Markt“ spricht Markus Zybon, Ford-Markenchef bei der Ebbinghaus-Gruppe und deren Standortleiter in Bochum. Die plötzliche Streichung der Elektromobilitätsprämie habe sich katastrophal ausgewirkt. Aus seiner Sicht sei eine politisch klare Ausrichtung nötig, um der Verunsicherung der Kunden entgegenzuwirken. „Ich persönlich fahre seit drei Jahren elektrisch und finde es toll, obwohl ich vorher ein Fan von großen Verbrennungsmotoren war“. so Zybon. Ford habe mittlerweile mehrere E-Modelle im Programm und sei überzeugt vom elektrischen Antrieb.

Derweil wächst in Bochum die Zahl der öffentlich zugänglichen Ladestationen stetig. Knapp 300 Ladesäulen für E-Autos haben allein die Stadtwerke Bochum bis Anfang 2024 im gesamten Stadtgebiet betrieben – gut doppelt so viele wie noch vor dreieinhalb Jahren. Und der Ausbau gehe weiter, so Stadtwerke-Sprecher Christian Seger. Auch ein zweites großes städtisches Tochterunternehmen, die Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft, sorgt für den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Mittlerweile 92 Ladepunkte gibt es allein in den städtischen Parkhäusern in der Innenstadt – beinahe doppelt so viele wie noch im vergangenen Jahr.

So soll der neue Aral-Ladepark an der Berliner Straße in Wattenscheid aussehen, wenn er 2025 fertiggestellt ist.
So soll der neue Aral-Ladepark an der Berliner Straße in Wattenscheid aussehen, wenn er 2025 fertiggestellt ist. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Aral baut neuen Ladepark in Bochum-Wattenscheid

Auch Privatunternehmen investieren in die Infrastruktur. So baut Deutschlands größter Tankstellenbetreiber Aral derzeit an der Berliner Straße in Wattenscheid einen Ladepark. An dem Standort unmittelbar neben der A40 soll spätestens Ende 2025 eine Anlage mit 15 Ultraschnell-Ladesäulen und insgesamt 27 Ladepunkten stehen, darunter 24 für Pkw und drei für Lkw. Denn: Auch die Zahl der elektrisch betriebenen Lastkraftwagen steigt spürbar. In Bochum waren Ende 2022 insgesamt 344 E-Lkw und sechs Plug-In-Hybrid-Lkw angemeldet. Etwa zehn Jahre zuvor gab es noch kein einziges Fahrzeug dieser Art in der Stadt. Den ersten Ladepark in Bochum hat 2022 der niederländische Betreiber Fastned an der Kohlenstraße eröffnet.

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