Bochum. Die Tiemeyer-Gruppe aus Bochum knackt trotz „schwieriger Bedingungen“ einen Umsatz-Rekord. Warum aber das Geschäft mit E-Autos Sorgen macht.

Zwei der größten deutschen Autohandelshäuser haben ihre Wurzeln und ihren Sitz in Bochum: Lueg (Mercedes Benz) und Tiemeyer (VW). Für Zweiteres war das vergangene Jahr ein ganz besonderes. „Wir haben zwei weitere Meilensteine erreicht“, sagt Vorstandsvorsitzender Heinz-Dieter Tiemeyer: „Das Unternehmen hat seinen 70. Geburtstag gefeiert und wir haben die Milliarden-Umsatzgrenze erreicht.“

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Und das allein innerhalb der Tiemeyer-Gruppe, in der alle Aktivitäten rund um Fahrzeuge aus dem VW-Konzern gebündelt sind – von VW über Audi bis zu Seat Cupra; der spanischen Marke, die auch bei den Bochumern derzeit in Sachen Verkauf offenbar den Turbo einlegt. Cupra mache „derzeit auf ganzer Linie besonders viel Spaß“, heißt es bei der Vorstellung der Zahlen für das Geschäftsjahr 2022/23. Zwei neue Autohäuser seien eröffnet worden, insgesamt ist Tiemeyer jetzt an acht Standorten mit der Marke, die Jugend und Dynamik ausstrahlen will, vertreten.

Tiemeyer hat 2023 Darmas-Gruppe übernommen

Schon im vergangenen Sommer waren die Bochumer eigentlich im Club der Milliardäre angekommen. Damals allerdings dank der Übernahme der Automobile Darmas GmbH (Hyundai) mit Sitz in Recklinghausen und ihres 173-Millionen-Euro-Umsatzes (2021). Das Hyundai-Paket wurde aber nicht in die Tiemeyer-Gruppe integriert und wird stattdessen parallel vollkommen eigenständig geführt.

Nun meldet Tiemeyer erstmals in der 70-jährigen Firmengeschichte eine zehnstellige Umsatzzahl für ein Geschäftsjahr in der Gruppe. Genau genommen wurden 2022/23 Autos und Dienstleistungen für 1,108 Milliarden Euro verkauft (Grafik). „Das Unternehmen hat innerhalb der vergangenen zehn Jahren seinen Umsatz verdreifacht“, so der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Michael Evers – und das durch Zukäufe und organisches Wachstum.

Tiemeyer wächst organisch und durch Übernahmen

Die Bochumer haben in den vergangenen Jahren mehrere Autohäuser übernommen, darunter vier Standorte der Piepenbrock-Gruppe im Sauerland und zwei der Plätze-Gruppe in Oberhausen. An 32 Standorten weht mittlerweile die Tiemeyer-Fahne: von Dülmen im Münsterland über das Kerngebiet im Ruhrgebiet bis nach Finnentrop im tiefsten Sauerland.

Die positive Entwicklung unter „schwierigen Marktbedingungen“, wie es heißt – allen voran hohe Zinsen und Inflation sowie jüngst der Wegfall der E-Auto-Umweltprämie –, hat nach Darstellung der Bochumer verschiedene Gründe. „Wir haben uns rechtzeitig auf den Käufermarkt eingestellt“, sagt Vorstandsmitglied Dirk Reitzer. So seien in großer Zahl gebrauchte Autos gekauft und zu günstigen Konditionen wieder verkauft worden. Beigetragen haben auch die spürbar nachgelassenen Lieferschwierigkeiten. So hätten zahlreiche Fahrzeuge, die seit Langem auf den Bestelllisten standen, auch ausgeliefert werden können.

Verkauf von neuen E-Fahrzeugen ist stark rückläufig

Nicht zuletzt deshalb hat der Absatz von Neufahrzeugen, der um 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist, einen neuen Rekordwert erreicht (13.948). Auch der Verkauf von Elektro- und Hybridfahrzeugen ist weiter gestiegen: auf nun 5132 Fahrzeuge. Das ist ein Plus von 23 Prozent. „Allerdings ist der E-Wagen-Neuverkauf zurückgegangen“, sagt Heinz-Dieter Tiemeyer. Tatsächlich wurden nur noch halb so viele neue Elektroautos verkauft wie 2021/22. Die Rahmenbedingungen auf dem Markt für Elektrofahrzeuge seien weiter schwierig. So ist denn auch seiner Sicht das „Elektrogeschäft“ die derzeit größte Herausforderung seiner Unternehmensgruppe.

Bochumer sind künftig Händler und Agent

Zumal sie einhergeht mit einem neuen Vertriebsmodell, das die Hersteller forcieren – vor allem VW. „Händler des Volkswagen-Konzerns stehen aktuell noch vor weiteren elementaren Veränderungen“, heißt es bei Tiemeyer. Dabei geht es um die Umstrukturierung des Händlernetzes – vor allem große Partner sollen in Zukunft die Fahrzeuge aus Wolfsburg vertreiben – und die Einführung des sogenannten Agenturmodells. Dabei verkauft der Händler ein Auto nicht mehr auf eigene Rechnung, sondern tritt nur noch als Vermittler zwischen Produzent und Kunden auf und wird dafür mit einer Prämie entlohnt. Tiemeyer hat nach eigenen Angaben „Maßnahmen zur Neuausrichtung des Geschäftsmodells auf das Agenturgeschäft ergriffen“.

346 Auszubildende im Unternehmen

An anderer Stelle wähnen sich die Bochumer weit vorne. Bei der Ausbildung etwa. 346 Azubis arbeiten mittlerweile für Tiemeyer. Es gebe viele Karrierewege im Unternehmen, so der stellvertretende Gruppen-Chef Michael Evers. Fortgesetzt würden die Aktivitäten im Bereich Nachhaltigkeit, so seien allein im vergangenen Geschäftsjahr mehr als 22.000 Bäume gepflanzt worden. Und auch die Kommunikation mit den Kunden werde forciert – neuerdings werden Terminvereinbarungen über ein eigenes Callcenter abgewickelt.

Umsatz wächst um 23,8 Prozent

Die Tiemeyer-Gruppe hat im Geschäftsjahr 2022/23 ihren Umsatz von 895 Millionen Euro (21/22) auf 1,108 Milliarden Euro gesteigert. Das ist ein Plus von 23,8 Prozent. Sie hat in dieser Zeit 13.948 Neuwagen, 24.072 Gebrauchtwagen und 1026 Vorführwagen verkauft.

Insgesamt hat die Gruppe 1914 Beschäftigte, davon 346 Auszubildende in acht Ausbildungsberufen. Im Oktober 2023 hatte sie das Unternehmen zu einer großen Feier anlässlich des 70. Firmengeburtstags in die Bochumer Jahrhunderthalle geladen.