Mülheim. Am 6. Oktober läuft die Bindungsfrist für den Bürgerentscheid zum Erhalt der Mülheimer VHS in der Müga aus. Die Frage: War es das dann?
Fast vier Jahre hat die Bürgerinitiative „Erhalt unserer VHS in der Müga“ um die Rückkehr der Volkshochschule an die Bergstraße gekämpft, den Denkmalschutz bemüht, 18.000 Mülheimerinnen und Mülheimer mobilisiert und damit mehr Zuspruch erhalten als selbst die stärkste gewählte Partei in der Stadt. Doch am Mittwoch, 6. Oktober, läuft die Bindung des vor zwei Jahren erzielten Bürgerentscheids aus. Ohne ein Ergebnis – haben die Bürger also verloren?
„Der Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Ratsbeschlusses“ – so steht es in der Gemeindeordnung des Landes unter Paragraf 26 zum „Bürgerbegehren und Bürgerentscheid“, Absatz 8. Ratsbeschlüsse haben eine besondere demokratische Bedeutung: Sie steuern das Handeln einer Verwaltung, wählen Personen, legen Rechtsnormen fest, beschließen einen Haushalt. Beschlüsse erst machen diese Rechtsakte wirksam.
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Petitionsausschuss sah im Frühjahr noch genug Zeit für Mülheim, dem Bürgerentscheid zu entsprechen
Zwei Jahre lang stützte sich auch die Initiative auf dieses zentrale Werkzeug der Demokratie. Was jedoch in der Gemeindeordnung nicht steht: Was gilt, wenn weder Verwaltung noch Politik einen solchen Beschluss umsetzen? Wer kontrolliert, wenn ein Rat oder die Verwaltung einfach nicht handeln?
Bereits im April dieses Jahres hatte die Initiative den Petitionsausschuss des Landes NRW eingeschaltet. Dieser antwortete, dass „eine abschließende Umsetzung des Bürgerentscheids“ noch ausstehe, sah damals aber noch genügend Zeit für die Kommune. Es bestehe daher „keine Handhabe, kommunalaufsichtlich auf die Stadt einzuwirken und so eine Beschleunigung der Umsetzung des Bürgerentscheids zu erreichen“.
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Verein „Mehr Demokratie“: Bürgerentscheid ist nicht einfach so ungültig
Der damals noch dezente Hinweis auf die Kommunalaufsicht dürfte nun aber relevant werden. Die Initiative könnte sie einschalten, sofern es in der Sache keine Bewegung gibt.
Doch Zeit ist noch in anderer Hinsicht entscheidend – darauf macht der Verein „Mehr Demokratie“ aufmerksam: Zwar sei „die Bindungsfrist von Bürgerentscheiden kein Verfallsdatum. Der im Bürgerentscheid gefällte Beschluss wird nach zwei Jahren nicht ungültig“, stellt Sprecherin Ina Kuhl klar.
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Stadtrat hat nun potenziell mehr Optionen für eine Entwicklung des VHS-Gebäudes
Doch, juristisch gesehen, könnte der Stadtrat ohne die Bindung nun neue – andere – Beschlüsse fassen. Dass der Bürgerentscheid für manche in der Politik als Hemmschuh für die Weiterentwicklung des Gebäudes an der Bergstraße gesehen wurde, zeigte sich in jüngsten Gesprächen der Initiative mit den Grünen und der SPD. Man ging davon aus, dass der Entscheid eine weitere Nutzung des Hauses etwa durch eine Kita oder die Hochschule ausschlösse.
„Wir haben nichts ausgeschlossen, die VHS war schon immer vernetzt“, hatte hingegen Erich Bocklenberg, Sprecher der VHS-Initiative, klargestellt. Einzig gelte: Die VHS soll sich in Zukunft wieder erweitern und etwa stärker in Richtung Berufsweiterbildung entwickeln können, da sie aktuell an der Aktienstraße weniger Platz zur Verfügung habe.
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Mülheims OB gesteht ein: Im ersten Jahr zur VHS nicht weitergekommen
Der Verein „Mehr Demokratie“ warnt dennoch die Politik davor, über die von Bürgern getroffene Entscheidung hinwegzugehen: „Auch wenn jetzt vielleicht juristisch gesehen neue Beschlüsse möglich wären, so ist der Stadtrat in Mülheim gut beraten, das Ergebnis des VHS-Bürgerentscheids endlich umzusetzen.“
Oberbürgermeister Marc Buchholz nannte das VHS-Thema in der Vorwoche bei der Präsentation seiner Jahresbilanz als jene (eine) Sache, die nicht gut gelaufen sei in seinem ersten Jahr. Nach dem Rundgang des VHS-Architekten Dietmar Teich im Frühjahr sei er noch „sehr zuversichtlich“ gewesen, dass Bewegung in die Angelegenheit kommen könne. Seither seien aber alle Versuche, mit Teich in tiefergehende Gespräche zu einer Sanierung zu kommen, gescheitert. Eigene Vorschläge kamen seitens der Verwaltung nicht.
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Mülheims Stadtverwaltung seit Mai nicht mehr in Kontakt mit dem VHS-Architekten
Teich sei seit Mai abgetaucht, der gefragte Architekt sei dem Vernehmen nach stark in Projekte in Dubai eingebunden. Vielleicht höre die Stadt aber auch nichts mehr von Teich, spekulierte der OB, weil dieser bei der Inspektion der VHS doch gemerkt habe, dass die Kostenkalkulation der von der Stadt beauftragten Gutachter (22 Millionen Euro) doch nicht so unrealistisch sei, wie sie von der Bürgerinitiative immer wieder hingestellt worden sei.
Bürgerinitiative lädt zum Jahrestag in die Müga
Die Initiative „Erhalt unserer VHS in der Müga“ führt am zweiten Jahrestag des Bürgerentscheid (Mittwoch, 6. Oktober, 16.30 Uhr) an der VHS in der Müga (Eingang Kinderspielplatz) mit dem neu gewählten SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Fiedler ein Gespräch zur Bildungspolitik.
„Auch den Mülheimern brennen die Probleme, wie Kinderarmut, Arbeitsplatzabbau und Arbeitslosigkeit, Klimawandel, Immigration durch Krieg und Armut unter den Nägeln. All das erfordert mehr und umfassendere Weiterbildung von Erwachsenen und Jugendlichen“, heißt es dazu seitens der BI, die dabei auch die Sanierung des VHS-Gebäudes zum Thema machen will und deshalb fragt: „Wie wird die demokratische Mitbestimmung der Bürger gefördert und eingehalten?“
Schon bei seiner Besichtigung habe Teich klar geäußert, dass eine Wiederinbetriebnahme der VHS in der Müga längst nicht mit jenen zwei Millionen Euro möglich sei, die die BI aufgerufen hatten. Teich habe auch zurückgewiesen, dass er jene Summe jemals selbst genannt habe. Hinzu komme, so der OB, die enorme Preisentwicklung am Bau, die wacklig erscheinen lasse, ob selbst die 22 Millionen Euro überhaupt noch zu halten wären.
Sanierung: OB rechnet nicht mehr mit Alternativvorschlag von VHS-Architekt Teich
Einen Alternativvorschlag für eine Sanierung sollte Teich einreichen, der OB hatte ihm dafür schmale vier bis sechs Wochen eingeräumt. Auf ihn wartet die Verwaltung noch heute. „Es würde mich wundern, wenn wir hier noch was hören würden“, glaubt Buchholz nicht, dass Teich sich noch mal rührt.
Ziel müsse nun sein, mit Politik und Bürgerinitiative nach Ende der Bindungsfrist für den Bürgerentscheid „in den Dialog einzutreten, der es noch möglich macht, die VHS wieder an der Bergstraße zu etablieren“, so der OB. Dazu bedürfe es aber wohl neuer Ideen, müsse noch mal abgeklopft werden, wie viel Platz eine immer digitalere VHS noch benötige und welche Co-Mieter noch ins Gebäude zu holen wären, um die Betriebskosten gering zu halten.
OB Buchholz legt sich fest: VHS soll an die Bergstraße zurückkehren
„Dass die VHS eins zu eins zurückkehren muss, wie es die BI wie eine Monstranz vor sich herträgt, sehen wir nicht“, sagt Buchholz. Er gibt (für sich) ein neues Ziel aus: „Ich möchte noch in dieser Wahlperiode geklärt wissen, wie die VHS an die Bergstraße zurückkehrt.“ Dass sie zurückkehren wird, ist für Buchholz ein Versprechen. Das freilich von der Politik mitgetragen werden müsste.