Mülheim. Seit dem Bürgerentscheid im Oktober 2019 ist die Mülheimer VHS ein Elefant im politischen Raum. Wie jetzt Bewegung in die Hängepartie kommt.
Es rührt sich derzeit wenig an der Bergstraße: Seit dem Bürgerentscheid im Oktober 2019, seit fast eineinhalb Jahren also, ist die Rückkehr der VHS ein Elefant im politischen Raum. Nachdem ein Vorschlag des Kämmerers im Haushalt Ende 2019 vom Rat abgelehnt wurde, warten Politik und Verwaltung jeweils auf den Zug des anderen, wie der Entscheid umgesetzt werden soll. Die bisherige Hängepartie hat jedoch einen Verlierer: den Bürgerwillen. Bis Oktober 2021 müsste die Politik liefern.
Denn der Entscheid verliert nach zwei Jahren seine Bindungskraft. Um den Willen von mehr als 16.000 Mülheimern umzusetzen, wäre mit einem Antrag zum Haushalt 2021 zumindest ein Beginn der Sanierungsmaßnahmen zu erwarten. Die Zeit dafür bis zum 19. Februar – dann wird der Etat vom Stadtparlament beschlossen – ist denkbar knapp. Allerdings scheinen Politik und Verwaltung davon noch weit entfernt zu sein.
Positives Zeichen oder ironische Wende: Politik hofft auf Gutachten der Initiative
Zumindest in Teilen. Man mag das als positives Zeichen oder als Ironie des Schicksals werten, dass nach einer mehrjährigen Hängepartie in der Streitfrage, ob der VHS-Architekt Dietmar Teich in das Gebäude an der Bergstraße hineingelassen wird, nun manche Partei auf eine zweite Begutachtung der Sanierungskosten durch Teich regelrecht hofft.
„OB Marc Buchholz hat versichert, dass er sich seit Wochen aufgrund der bisherigen Verabredungen intensiv zunächst um das Zustandekommen eines Besichtigungstermins mit dem Architekten Dietmar Teich und dem Darmstädter Matthias Pfeifer bemüht“, sagt CDU-Fraktionsgeschäftsführer Hansgeorg Schiemer.
Schwarz-grüne Koalition will VHS zurückholen - auch wenn es länger dauern kann
Die Christdemokraten haben die Hoffnung, dass eine zweite Begutachtung aufzeigen könnte, wie die Sanierung kostengünstiger erfolgen kann und wie teuer sie dann aus Sicht der Bürgerinitiative für den Erhalt der VHS werden soll. Im Raum jedenfalls stehen nach wie vor rund 22 Millionen, die ein Gutachten im Auftrag der Stadt ermittelt hatte.
Bliebe es bei dieser Summe, sieht Schiemer „angesichts der Dringlichkeit, in Schulen investieren zu müssen, eigentlich keine Möglichkeit, das in den nächsten drei Jahren umzusetzen. Das heißt aber nicht, dass wir das in der Koalitionsvereinbarung beschlossene Ziel aus den Augen verlieren, die VHS an die Bergstraße zurückzubringen. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben.“
Grüne bestehen auf einen Fahrplan für die Sanierung
Auch Koalitionskollege Tim Giesbert (Die Grünen) ist auf den Termin mit Teich und Pfeiffer „gespannt". "Als Zweites muss geklärt werden, welche Mittel wir haben, um in den Prozess zu gehen.“ Für die Grünen ist es – ungeachtet, ob es auch günstiger als 22 Millionen Euro werden könnte – unwahrscheinlich, dass die Stadt die Sanierung des Gebäudes allein wird stemmen können.
Klar aber ist für Giesbert: Bis Oktober wird man den Entscheid nicht umsetzen können – „es wäre unseriös, jetzt einfach einen Betrag in den Haushalt einzubringen, ohne dass es einen Fahrplan für die Sanierung gibt.“ Auch die Grünen bekräftigen ihre Wahlkampfaussage: „Wir werden den Bürgerentscheid umsetzen – auch wenn die Frist ausgelaufen ist.“
SPD will einen Entscheid im Rat noch vor Oktober 2021
Einen Schritt weiter geht die SPD: Auf Parteiebene hat man eben erst im Unterbezirksausschuss festgelegt, dass man die VHS an die Bergstraße zurückholen will, indem man diese als Teil eines Bürgerzentrums für Bildung und Kultur zusammen mit etwa Teilen der Hochschule Ruhr-West dort etabliert.
Ganz neu ist das nicht: Schon SPD-OB-Kandidatin Monika Griefahn hatte darum in der Partei geworben. „Mit einem solchen Partner können weitere Finanzmittel etwa über das Land akquiriert werden. Die HRW hat ein sehr großes Interesse, weil sie Räume etwa für ein Innovations- und Gründerzentrum sucht“, erläutert SPD-Parteichef Radion Bakum.
SPD will besprechen, ob Verwaltung mit neuem Konzept beauftragt wird
Platz wäre da, denn von den 6000 Quadratmetern an der Bergstraße benötige die VHS etwa die Hälfte. Der Charme an der Sache: Mit einem zusätzlichen Finanztopf des Landes wäre die Rückkehr nicht länger abhängig von dem Stadthaushalt oder einem zweiten Gutachten, das die Sanierungskosten günstiger beurteilt. Auch müssten dafür keine anderen Sanierungsprojekte, etwa Schulen, zurückstehen. „Die Verwaltung braucht jetzt einen externen Schub“, will Bakum mit der SPD-Fraktion besprechen, ob etwa die Verwaltung beauftragt werde, ein Konzept zu erstellen, mögliche Partner dafür und damit Fördermittel für das VHS-Gebäude zu finden.
SPD-Fraktionschefin Margarete Wietelmann zeigt sich zumindest aufgeschlossen: „Wir werden in der Fraktion die Vorgehensweise besprechen.“ Ob ein entsprechender Antrag bis zum Haushaltsbeschluss am 19. Februar vorgelegt wird, wollen weder Wietelmann noch Bakum beschwören, „aber wir werden noch vor der Frist im Oktober mit einem Antrag im Rat über die Richtung entscheiden“, legt sich Bakum fest. Die Hängepartie um die VHS – sie könnte doch noch rechtzeitig beendet werden.
Bürgerinitiative begrüßt Pläne des OB, mit Architekt Teich zu sprechen
Indes begrüßen Erich Bocklenberg und Inge Ketzer als Sprecher der Bürgerinitiative „Erhalt unserer VHS in der Müga“ die Absicht des OB, die Gespräche mit der Bürgerinitiative und dem Architekten Dietmar Teich über das weitere Vorgehen zur Umsetzung des Bürgerentscheids weiterzuführen.
Und dennoch ist die Initiative skeptisch: „Geht es etwa nur darum, später sagen zu können, man hätte damit den urheberrechtlichen Ansprüchen des Herrn Teich genüge getan?“, sehen die Sprecher bislang „noch keine konstruktive Mitwirkungsbereitschaft“ seitens der Stadt.
Bürgerinitiative: "Die VHS muss ihren Charakter behalten"
Ihr kritischer Appell: „Es wird dringend Zeit für die Verwaltung, mehr zu tun und aus der Abwehrhaltung herauszukommen. Sich auf den Weg zu machen, bedeutet nicht, der im Vorfeld unterstellten „Interessengelenktheit“ bisher abgelehnter Sachverständiger nun durch eine entsprechende gezielte Einflussnahme seitens der Stadtverwaltung abzulösen, sondern um Perspektiven zu entwickeln.“
Auch gegenüber dem SPD-Vorschlag gibt Inge Ketzer zu bedenken: „Die VHS muss ihren Charakter behalten, mehr zu sein als nur ein Ort der Erwachsenenbildung.“ Sprich: Die VHS müsse nicht nur Seminarräume, sondern weiterhin Raum für öffentliche Veranstaltungen bekommen. „Unsere Sorge ist, dass solche Möglichkeiten mit weiteren Partnern geblockt sind.“