Mülheim. Die Debatte um die Mülheimer VHS-Sanierung driftet ab zum Absurdes-Theater-Stück. Vom Architekten und seiner Planung fehlt plötzlich jede Spur.

Wer auf Tempo in der VHS-Sanierung gehofft hatte, könnte aktuell resignieren: Denn vier Monate nach dem lang ersehnten Treffen zwischen dem Architekten Dietmar Teich und der Stadtspitze herrscht eloquente Stille um den denkmalgeschützten Bau an der Bergstraße. Dabei sollte es schon nach vier Wochen – folglich Mitte April – einen „Fahrplan“ geben, anhand dessen man das umstrittene und sanierungsbedürftige Gebäude begutachten wollte. Doch davon - vor allem vom Architekten – fehlt offenbar jede Spur.

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Seit April wartet die Mülheimer Verwaltung auf Vorschläge des VHS-Architekten

„Der Architekt Dietmar Teich hat uns keine Pläne vermittelt“, lassen Oberbürgermeister Marc Buchholz und Kämmerer Frank Mendack auf Anfrage der Redaktion mitteilen. Man habe mehrfach versucht, diesen zu erreichen. Offenbar ergebnislos.

Offenbar sehr gefragt: der Architekt Dietmar Teich. Weder das Rathaus noch die Bürgerinitiative haben just Kontakt.
Offenbar sehr gefragt: der Architekt Dietmar Teich. Weder das Rathaus noch die Bürgerinitiative haben just Kontakt. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Selbst tätig wurde die Verwaltung in der Sache allerdings auch nicht: „Uns fehlt das Geld, es anzupacken. Wir würden uns freuen, wenn Herr Teich einen Maßnahmenplan einbringt“, lehnt man sich offenbar weiterhin im Rathaus zurück und wartet (hofft) auf Vorschläge des Architekten.

So sind bereits anderthalb Jahre verstrichen, seit die Verwaltung im Dezember 2019 einen Maßnahmenkatalog und Finanzierungsansatz erstellte – den die Politik ablehnte. Ablehnen musste: Denn unter anderem die heute größten Fraktionen, CDU, SPD und Grüne, hatten sich enthalten. Die MBI sollte damals in den sauren Apfel beißen, und der restlichen Politik die unpopuläre Entscheidung für eine teure Sanierung vor dem Kommunalwahlkampf abnehmen. Sie stimmte mit Nein für den Verwaltungsvorschlag. Den deutlich günstigeren Sanierungsvorschlag der Bürgerinitiativen hatte die restliche Politik zuvor aber abgelehnt.

Bürgerinitiative sieht nicht den Architekten, sondern die Verwaltung in der Pflicht

Und so dauern die Manöver an: Während die Verwaltung auf eine politische Entscheidung wartet, wartet die Politik auf einen machbaren Vorschlag. Frei nach dem irischen Meister des absurden Theaters, Samuel Beckett: „Lass uns gehen!“ „Das können wir nicht.“ „Warum nicht?“ „Wir warten auf Godot.“

Geduld muss wohl die Tugend der Revolutionäre sein – auch bei der Bürgerinitiative wartet man. Wenngleich nicht auf den Architekten. Inge Ketzer, Mit-Sprecherin der BI zum Erhalt der VHS an der Bergstraße, weist vielmehr daraufhin, dass mit dem damaligen Bürgerentscheid vom 6. Oktober 2019 schließlich kein Architekt beauftragt worden ist, sondern Verwaltung und Politik in der Pflicht stehen.

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Kritik der BI: Verwaltung beruft sich auf den Spar-Haushalt, finanziert aber fünften Dezernenten

Beide haben bis heute nicht geliefert: „Zur nachfolgenden Kommunalwahl gab es neben der Unterstützung kleinerer Parteien auch eindeutige Festlegungen zum Beispiel in den Wahlprogrammen der Grünen und der SPD, rechtstreu zu sein und dem Bürgerentscheid entsprechen zu wollen“, erinnert Ketzer in einem weiteren offenen Brief an die Fraktionen. Dem neu gewählten OB sei es nach einem halben Jahr seiner Wahl nur gelungen, dem Architekten und Urheber des Gebäudes Zutritt zu dem Gebäude zu gewähren.

BI fordert Parteien zum Handeln auf

In einem „offenen Brief an die Mülheimer Parteien“ erinnert die Bürgerinitiative „Erhalt unserer VHS in der MüGa“ an die Erklärungen der Fraktionen, den Bürgerentscheid respektieren zu wollen.

Und appelliert: „Wir bitten Sie daher um ein klares Signal, dass sich Ihre Fraktion im Rat der Stadt an das Ergebnis des Bürgerentscheids weiter gebunden sieht und was sie konkret zu unternehmen beabsichtigt, um die Stadtverwaltung zu veranlassen, die darin genannten Ziele in die Tat umzusetzen.“

So komme die durch das Bürgervotum geforderte Sanierung an der Bergstraße nicht voran, während Politik und Verwaltung andere finanzielle Weichen stellten, spielt die Initiativen-Sprecherin auf die jüngste Entscheidung für einen fünften Dezernenten an. Die hohe Verschuldung und kommunale Haushaltsbeschränkungen seien aus ihrer Sicht „ein immer wohlfeiles Argument“.

Offenkundig hat auch die Mülheimer Initiative keinen Kontakt zum VHS-Architekten

Richtig ist aber auch: Selbst die Initiative hat aktuell keinen Kontakt zu Teich. Er sei zwar im Ruhestand, aber dennoch ein sehr gefragter Experte und daher wohl mit vielen Aufträgen in der Welt beschäftigt, vermutet diese. Und betont: Das Angebot des Architekten, zu einer Lösung beizutragen, sei ohnehin nur ein freiwilliges gewesen. „Nach fast zwei Jahren verstärkt sich der Eindruck, dass mit Billigung der Ratsmehrheit durch hinhaltende Untätigkeit der Bürgerentscheid unterlaufen werden soll“, kritisiert die BI verärgert.

So marschiert ein absurdes Bühnenstück auf der Stelle, wieder Beckett: „Er sagte nicht sicher, dass er kommen würde.“ „Und wenn er nicht kommt?“ „Wir kommen morgen wieder.“ „Und dann übermorgen.“ „Möglicherweise.“ „Und so weiter.“