Gelsenkirchen. Was muss 2022 in Gelsenkirchen passieren? Die Politik hat unterschiedlichste Prioritäten: Es geht um grüne Inseln, Antisemitismus und Laubbläser.
Karin Welge (SPD) arbeitet daran, als Oberbürgermeisterin des Schulneubaus in Gelsenkirchens Geschichte einzugehen: Innerhalb der nächsten fünf Jahre ist der Baubeginn von vier Grundschulen und mindestens zwei weiterführenden Schulen geplant. Dazu stehen zahlreiche Erweiterungen an. Die Verzögerung der Bauarbeiten an der Gesamtschule in Erle, bei dem es zu Konflikten mit dem Architekten gekommen ist, sowie die des Vorzeigeprojekts Kulturschule am Schalker Verein sorgen für erste Rückschläge in dem ambitionierten Plan. Dass das „Jahrzehnt des Schulbaus“ wirklich gelingt, stellt Welges Partei jedoch weiterhin ganz oben auf ihre Agenda für 2022. Und ansonsten?
Die größten politischen Erfolge und Fehlleistungen im nun vergangenen Jahr 2021 haben die im Gelsenkirchener Stadtrat vertretenen Parteien in der WAZ bereits kundgetan. Zu guter Letzt haben wir die Lokalpolitikerinnen- und politiker auch nach ihren wichtigsten Plänen für 2022 gefragt. Sie haben vor allem einen grünen Anstrich.
CDU Gelsenkirchen will E- und Wasserstoffmobilität stärken
Denn ergänzend zu den Bauprojekten im Bildungsbereich nennt SPD-Fraktionschef Axel Barton als weiteres wichtiges Vorhaben das Klimakonzept 2030/2050, das in diesem Jahr endlich von der Stadt vorgelegt und von der Politik debattiert werden soll. Mit Blick auf die Klimapolitik besonders wichtig findet der Koalitionspartner von der CDU: „Die Verkehrswende, der Weg hin zum emissionsfreien Individualverkehr.“ Dieser gelinge in Gelsenkirchen nicht, wenn in dem bisherigen Tempo weitergemacht werde, so Fraktionschef Sascha Kurth. „Hier werden wir nächstes Jahr genau hinschauen, wie wir E- und Wasserstoffmobilität stärken können.“
Darüber hinaus im Blick der Union: die Optimierung der Sportverwaltung und Neuaufstellung der Wirtschaftsförderung. Im Stadtrat wurde 2021 bereits viel über eine Umstrukturierung von Gelsensport und auch der Wirtschaftsförderung diskutiert. Ende Februar 2022 werden die Ergebnisse einer Strukturuntersuchung zur Optimierung der Wirtschaftsförderung erwartet, zudem hat mit Simon Nowack mit Jahresbeginn der neue Dezernent in Gelsenkirchen gestartet, der neue Impulse in die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Unternehmen tragen könnte.
Streit um „Grüne Insel“ in Ückendorf: Gelsenkirchener Grüne wollen 2022 vermitteln
Erwartungsgemäß wollen sich auch die Grünen 2022 auf ökologische Politik fokussieren, allerdings werden sie dabei sehr konkret: „Für uns steht außer Frage, dass die ‘Grüne Insel’ in Gelsenkirchen-Ückendorf erhalten und für ihre zukünftige Entwicklung eine gemeinsam getragene Lösung unter Beteiligung aller Betroffenen gefunden werden muss“, nennen die Fraktionsvorsitzenden Adrianna Gorczyk und Peter Tertocha ihr wichtigstes Ziel.
„Fridays for Future“ hatten gemeinsam mit dem Reitverein ETuS Anfang Dezember gegen die Pläne eines Investores an der „Grünen Insel“ demonstriert. Er plant auf der dortigen Fläche, eine Gewerbehalle für einen Fleischbetrieb zu errichten, der dortige Reitverein dagegen bangt nach eigener Darstellung um seine Zukunft. Die Grünen wollen sich in der emotional aufgeladenen Diskussion als Vermittler beweisen.
PARTEI will Laubbläser und Schottergärten verbieten
Die andere große Oppositionspartei im Stadtrat, die AfD, sieht dagegen in Bezug auf den Antisemitismus in Gelsenkirchen, der bei der Demo vor der Neuen Synagoge im Mai 2021 besonders augenscheinlich wurde, den größten Klärungsbedarf. Fraktionschef Jan Preuß meint: „Bis zum heutigen Tage haben die Vertreter der etablierten Parteien in Gelsenkirchen den kulturellen Hintergrund der Antisemiten verschwiegen, die vor der Synagoge ihrem Hass freien Lauf ließen.“ Die rechte Fraktion charakterisiert den Antisemitismus vor allem als muslimisch und importiert – eine Zuschreibung, vor der die anderen Fraktionen größtenteils warnen. Auch der in Gelsenkirchen zur Schau gestellte Juden-Hass speise sich vielmehr aus mehreren Quellen, analysierte der Politologe Ismail Küpeli nach der Demo in der WAZ.
Ein bunter Strauß an Ideen ist bei den kleineren Parteien und Ratsgruppen zu finden. Die PARTEI wiederholt ihre Lacher provozierende Forderung aus den Haushaltsreden 2021 und will sich weiter dafür einsetzen, „dass die Oma aus der Feldmark zur Stadtkämmerin ernannt wird, denn niemand ist so sparsam, wie eine Frau, die ihren Unterhalt aus dem Sammeln von Pfandflaschen bezieht“. Ratsgruppensprecher Marc Meinhardt ergänzt: „Außerdem wollen wir den Grünen den Rang als Verbotspartei ablaufen und die nervigen, umweltunfreundlichen Laubbläser sowie Schottergärten verbieten.“
Leuchtturmprojekte und Tierschutz
Die FDP will 2022 „weiter mit sehr viel Optimismus und einer großen Portion Selbstbewusstsein dafür kämpfen, ein Leuchtturmprojekt nach Gelsenkirchen zu holen.“ 2021 hatten die Liberalen bereits einiges mit Erfolg eingebracht, was sie als solch ein Projekt verstehen dürften: Der autonom und elektrisch fahrende UpBus wurde ins Mobilitätskonzept der Stadt aufgenommen oder der „Walk of Fame“ in Buer beantragt.„Mehr Empathie für unsere Mitgeschöpfe“, fordert dagegen die Ratsgruppe von „Tierschutz Hier!“. „2022 wollen wir, dass in der kommunalpolitischen Arbeit bei jeder Diskussion und Entscheidung von Anfang an auch die Tiere, der Tierschutz und die Folgen mitgedacht und mitberücksichtigt werden“, sagt Ratsgruppensprecherin Cornelia Keisel.
Die Linke möchte „auf dem Weg zur direkter Bürger*innenbeteiligung einen deutlichen Schritt weiter kommen.“ Fraktionschef Martin Gatzemeier schweben hier etwa mindestens halbjährliche öffentliche Stadtteilkonferenzen vor. Die WIN-Fraktion will den Kampf gegen angebliche Korruption und Filz in Gelsenkirchen intensivieren „und auf eine strafrechtliche Ebene tragen“. Und Einzelmandatsträger Jan Specht von AUF will „Menschen bewegen, für ihre Interessen zu kämpfen – ob für Bäder, Arbeitsplätze oder bezahlbares Wohnen.“
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