Gelsenkirchen-Ückendorf. Der Reitverein Etus Gelsenkirchen blickt in eine ungewisse Zukunft. Der Verein bietet allen Kindern Zugang zum oft elitären Reitsport.

„Die Situation ist sehr schwierig für uns. Wir wissen nicht, was mit uns geschieht“, sagt Hannah und spricht von „ihrem“ Reitverein, dem ETuS Gelsenkirchen. Der ist seit 44 Jahren im Herzen von Ückendorf, an der Dessauerstraße, beheimatet und muss nun um seine Zukunft fürchten (die WAZ berichtete). Für die junge Frau und rund 80 weitere Pferdefreundinnen wäre der Verlust der sportlichen und auch sozialen Heimat schmerzlich und eigentlich auch unvorstellbar.

Der Hintergrund: Einstmals entstand der Reitverein als Abteilung des Fußballvereins ETuS Gelsenkirchen. „Die Väter haben gekickt und die Kinder zum Reiten gebracht“, weiß Geschäftsführerin Monika Patryas. So sei auf dem Gelände der Bahn, die das den Fußballern überlassen hat, eine sportliche Heimat für beide entstanden. Tatsächlich ist man heute insbesondere räumlich eng verwoben, auch wenn der Reitverein seit 1996 eigenständig ist.

Auch Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin wurde angeschrieben

Der eigentliche Eingang führt über den Fußballplatz, von den anderen beiden Seiten ist das dreieckige Gelände des Reitvereins weitgehend eingeschlossen. Nur ein ganz enger Notausgang ist noch vorhanden. Was den Reitern nun Sorgen bereitet, ist, dass es dem Vernehmen nach einen Kaufinteressenten für das Grundstück gibt, bereits in der kommenden Woche über den Fortgang der Fußballer entschieden werde. „Dann kann es zur Ausschreibung des Geländes kommen“, sagt Monika Patryas, die sich natürlich seit den ersten Gerüchten für ihren Verein einsetzt. Allein 17 „Brandbriefe“ habe sie an Politiker geschrieben, auch an die Oberbürgermeisterin. Nur wenige seien beantwortet worden. „Von Gelsensport habe ich immer nur gehört, ,macht euch keine Sorgen’.“

Das Gelände des Reitvereins in Ückendorf.
Das Gelände des Reitvereins in Ückendorf. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Das tut die Reitlehrerin und erfolgreiche Springtrainerin jedoch. Sie sucht verstärkt die Öffentlichkeit, sammelt in der realen Welt Unterschriften und hat im Netz eine Petition aufgelegt. Immer in der Hoffnung, jemanden zu motivieren, dem Verein zu helfen. „Ob das nun die Bahn als Eigentümerin ist oder die Stadt.“ Diese nämlich, so Patryas, sollte ein Interesse am Fortbestehen des Vereins haben, der hier nicht zuletzt auch Sozialarbeit leistet, mitten im innerstädtischen Raum Kindern eine Möglichkeit bieten, reiten zu lernen und mit Pferden umzugehen. Und das ist gefragt.

Reiten auch mit Bildungsgutscheinen

„Es gab schon damals eine lange Warteliste“, erinnert sich Hannah. Sie kommt seit 2008 regelmäßig her und musste über ein Jahr warten. „Ich kann mich gut erinnern: Eines Tages kam ich von der Schule und meine Mutter sagte, es sei ein Anruf gekommen, ich darf endlich anfangen.“ Und Hannah legt los: Sie lernt nicht nur reiten, sie übernimmt auch wenig später die Pflegschaft für die Stute „Silver“, lernt auf ihr das Springreiten und heimst bald Erfolge ein. „2017 und 2019 sind wir mit der Mannschaft Stadtmeister geworden. Und im Einzel war ich 2019 auf dem dritten Platz.“

Solchen Erfolgsgeschichten kann Monika Patryas ganz oft erzählen. „Bei uns darf jedes Kind reiten lernen“, sagt sie und meint: Hier ist der Sport nicht elitär und vom Geldbeutel der Eltern abhängig. Etliche Kinder würden ihre Bildungsgutscheine einsetzen, erklärt sie: Sie kommen aus Haushalten, die finanzielle Unterstützung vom Staat erhalten. „Wir arbeiten auch eng zusammen mit dem Kinderheim St. Elisabeth Stift und auch mit dem Ohrwerk, das uns gehörlose Kinder vermittelt.“ Eigentlich also sei doch der Verein ein Vorzeigeprojekt für inklusive wie soziale Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Quartier. Warum also die Zukunft dessen bedroht ist, man wenig Unterstützung erfährt, das versteht hier niemand.

Petition im Internet

Die Petition des „ETuS Gelsenkirchen“ ist online zu finden: auf der Petitionsseite change.org unter dem Titel „Für mehr Sozialität und Grünflächen in Ückendorf“. Wer helfen will, kann sich hier schnell und einfach eintragen.

Schon in der kommenden Woche wird die Zukunft der Anlage in zwei politischen Gremien behandelt: Am Dienstag, 1. Juni, behandelt die Bezirksvertretung Süd das Thema „ETuS Gelsenkirchen“, am Mittwoch, 2. Juni, der Sportausschuss.

Hannah hofft, wie alle anderen, dass sich alles zum Guten wendet. „Alles ist hier sehr familiär“, beschreibt sie, wie wohl sie sich fühlt. Auf jeden Fall sehe sie hier ihre Zukunft – auch über die Jugend hinaus wolle sie sich einbringen. So habe sie natürlich auch die Pflegschaft für „Silver“ behalten, auch wenn das neue Studium sie fordert. Was sie studiert? Nicht unpassend: „Soziale Arbeit.“