Gelsenkirchen. Die WIN-Fraktion will „Steinwüsten“ aus Gelsenkirchen verbannen. Dabei tut die Stadt bereits einiges gegen Schottergärten. Aber auch genug?

Sie gelten als pflegeleicht und praktisch - aber Bienen machen einen großen Bogen um sie: Schottergärten sind vielen Gelsenkirchener Kommunalpolitikern ein Dorn im Auge. Die Fraktion der Wähler Initiative NRW (WIN) geht jetzt sogar so weit, zugepflasterte Vorgärten in Gelsenkirchen komplett verbieten zu wollen - was für anderen Fraktionen allerdings ein Schritt zuviel ist.

Die WIN begründet ihre Idee vorrangig mit ökologischen Argumenten. „Steinwüsten bieten keinen Siedlungsraum oder Nahrung für Insekten“, heißt es im Antrag, der im Umweltausschuss am Dienstag (15. Juni) Thema sein wird. Auch bereitet der WIN Sorgen, dass Schottergärten zu einem heißeren Stadtklima beitragen. Denn während Pflanzen für Schatten und Verdunstungskälte sorgen, erwärmen sich die Steine und strahlen die Wärme wieder ab. [Lesen Sie auch: Pflanzenwände fürs Klima: Die Zukunft der Ruhrgebietsstädte]

Land NRW plant, künftig präventiv für weniger Schottergärten zu sorgen

Zudem sieht die Fraktion Probleme mit Blick auf das Grundwasser. „Ein Schottergarten kann auch kein Wasser speichern oder verdunsten lassen“, steht im Antrag geschrieben. „Stattdessen fließt das Wasser an der Oberfläche ab und in die städtische Kanalisation, was insbesondere bei Starkregenereignissen problematisch ist.“

In der Landesbauordnung in NRW wird diesem Problem eigentlich längst Rechnung getragen. Festgeschrieben ist darin, dass Grundstücke „wasseraufnahmefähig zu belassen oder herzustellen“ sind und „zu begrünen oder zu bepflanzen sind“. Allerdings läuft die Regelung oft ins Leere, weil sie zu selten kontrolliert wird. Ändern soll sich das mit der geplanten Reform der Landesbauordnung, mit der das CDU-geführte Bauministerium die Prüfung der Begrünung in Vorgärten zum festen Teil von Baugenehmigungsverfahren machen möchte. Es sollen also schon vor und während eines Bauvorhabens Kontrollen stattfinden, damit Schottergärten gar nicht erst entstehen. Die Gesetzesänderung soll am 1. Juli 2021 in Kraft treten, wie das Bauministerium auf Nachfrage erklärte.

Stadt fördert Entsiegelung von Vorgärten - erst einmal nur bis Ende Juli 2021

Die Stadt selbst versucht Schottergärten ebenfalls bei Neubaugebieten auszuschließen. „In künftigen Bebauungsplänen für Wohngebiete werden Festsetzungen getroffen, die Schotter- und Steingärten verhindern sollen“, teilte die Stadt im Januar in einem Sachstandsbericht mit. So heißt es etwa im Bebauungsplan für die geplanten Wohnungen am Stadtteilpark Hassel, dass nicht nur Schotter und Steine, sondern auch mit Unkrautvlies abgedeckte Bereiche mit Rindenmulch in Vorgärten unzulässig sind. [Lesen Sie auch: Mit diesen Ideen wollen Gelsenkirchener das Klima schützen]

Nur was ist mit Bestandsbauten? „Restriktive Maßnahmen wie Rückbauverpflichtungen sind derzeit nicht vorgesehen“, erklärte die Verwaltung im Sachstandsbericht. Stattdessen versucht die Stadt seit 2019 Hausbesitzer zu motivieren, Steine aus ihren Vorgärten zu verbannen und diese wieder zu bepflanzen - mit einem Programm, das neben Dach- und Fassadenbegrünung auch Entsiegelung von Vorgärten fördert.

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Von großem Erfolg gekrönt ist jenes Förderprogramm bislang nicht. Im Februar 2021 teilte die Verwaltung auf Nachfrage der Grünen mit, dass zu diesem Zeitpunkt nur zehn Anträge positiv beschieden wurden. Die Verwaltung zog die Pandemie als Grund für die zurückhaltende Antragstellung heran: Auf offensive Werbeaktionen hatte man coronabedingt verzichtet. Wie die Stadt im aktuellen Klimaschutzbericht mitteilt, wurde zumindest die Frist zur Antragstellung verlängert - statt bis zum 31. Juli 2021 soll es bis zum 31. Oktober möglich sein, Anträge für die Entsiegelung zu stellen. Übernommen werden bis zu 50 Prozent der Kosten (bei Vorhaben in Höhe von maximal 2000 Euro und Flächen mit einer Größe von mindestens 10 Quadratmetern).

CDU, SPD und Grüne wollen Anreize statt Verbot

CDU und Grüne zum Entsiegelungsprogramm

Auch Dennis Hoffmannn, umweltpolitischer Sprecher der Grünen, hält es für den richtigen Weg, die Entsieglung von Vorgärten mit Anreizen für Bürger zu befördern. „Das ist zielführender als Verbotspolitik.“ Allerdings kritisieren die Grünen, dass aktuell erst eine Förderung ab einer Entsiegelungsfläche von zehn Quadratmetern vorgesehen ist. Das alte Zechenhaus mit kleinem Vorgarten schließe man so aus.

Die umweltpolitische Sprecherin der CDU, Birgit Lucht, steht ebenfalls hinter dem Anreizsystem, findet jedoch dass aktuelle Förderprojekte noch „wesentlich intensiver beworben werden müssen.“ Ebenfalls ein sinnvoller Weg sei es, im Baurecht zu verankern, bei neuen Gebäuden Steingärten auszuschließen.

In den politischen Fraktionen gibt es die leise Hoffnung, dass sich das Programm noch bewährt. Denn Anreizsysteme für begrünte Vorgärten werden sowohl bei SPD und CDU als auch bei den Grünen als der richtige Weg angesehen (Infobox). „So nimmt man die Bürgerinnen und Bürger beim Klimaschutz mit“, findet Anna-Lena Karl, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Wer ein Verbot von Steingärten wie die WIN-Fraktion fordert, müsse zudem genau definieren, was genau eigentlich ein Steingarten ist - sonst sei Konflikt mit Bürgern vorprogrammiert.

Um mehr Bürger von einem blühenden Vorgarten zu überzeugen, hat die Große Koalition aus SPD und CDU erfolgreich beantragt, 20.000 Euro für die Durchführung des Wettbewerbs „Naturnahe (Vor-)Gärten und attraktive Hinterhöfe“ im Haushalt einzustellen. Währenddessen läuft aktuell ein weiterer Wettbewerb - der städteübergreifende Vorgartenwettbewerb Gelsenkirchen/Herten „Mach was draußen“.

Der Wettbewerb „Mach was draußen“ läuft noch bis zum 30. Juni. Neben Preisgeldern in Höhe bis zu 500 Euro winken Sachpreise und um das Thema umweltfreundliches Gärtnern. Auch gibt es einen zusätzlichen Sonderpreis für Hinterhöfe. Mehr Infos gibt es unter www.gelsenkirchen-herten.de/