Malmö/Hamburg. Deutschland hat sich beim Eurovision Song Contest 2013 in Malmö ordentlich blamiert. Erst verpuffte der “glorreiche“ Auftritt von Cascada beim Publikum. Dann patzte die deutsche Jury-Chefin Lena Meyer-Landrut bei der Punktevergabe. Für den ESC 2014 will sich die ARD auf die Songauswahl konzentrieren. Vielleicht sollte der deutsche Beitrag dann nicht so klingen, wie das diesjährige Siegerlied der Dänin Emmelie de Forest.
Die deutsche Delegation war am Ende des Eurovision Song Contest vor allem ratlos. Fakt war ein enttäuschender 21. Platz für Deutschland beim ESC 2013. Mit all ihrer Stimmgewalt, mit Glitzerkostüm und Pyrotechnik war die deutsche Disco-Pop-Formation Cascada entgegen der Erwartungen beim europäischen Publikum durchgefallen. Dieses ließ sich von der 20-jährigen Dänin Emmelie de Forest verzaubern, die barfuß und im Sterntaler-Kleidchen souverän den ESC-Sieg einfuhr.
"Natürlich sind wir alle überrascht und enttäuscht" - Cascada-Sängerin Natalie Horler versuchte erst gar nicht, ihr schlechtes Abschneiden im ESC-Finale schön zu reden. "Ich habe es super erlebt, ich kann nichts Anderes sagen. Es war die geilste Woche meines Lebens, meiner Karriere", sagte die Sängerin um kurz vor 1 Uhr nachts in einer Live-Schaltung von Malmö nach Hamburg.
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"Die Halle war am Toben, ich glaube, wir sind alle überrascht und wir haben natürlich ein ganz anderes Feedback die ganze Zeit bekommen. Ich find's superschade, aber ich habe auch die ganze Woche gesagt: man steckt da nicht drin, man weiß nicht, wie die Leute voten..." Nach Monaten ohne Alkohol habe sie jetzt erstmal Lust, Sekt zu trinken, sagte sie im Interview mit Moderatorin Barbara Schöneberger, die durch die Hamburger Grand-Prix-Party führte.
Bei Cascada glitzerte am Ende des ESC 2013 nur das Kleid
Mit Albanien, Österreich, Israel, Spanien und der Schweiz hatten lediglich fünf von 38 Ländern Punkte für den deutschen Beitrag übrig. Auf gerade einmal 18 Zähler hatte es Horler mit ihrem Auftritt im goldenen Glitzerkleid gebracht. Es ist das schlechteste deutsche Abschneiden seit 2008, als die Pop-Band No Angels mit nur 14 Punkten nach Hause fahren musste.
Dänin gewinnt ESC
"Für 2014 wollen wir uns noch mehr auf die Songauswahl konzentrieren", lenkt am Tag nach dem Finale der ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber den Blick nach vorne. Gerade mit dem Lied hatte es vor dem diesjährigen ESC mächtig Ärger gegeben: "Glorious" hatte stark in der Kritik gestanden, weil das Lied sehr an das Siegerlied von 2012, "Euphoria" von Loreen, erinnere. Der für den ESC zuständige NDR hatte schließlich ein musikwissenschaftliches Gutachten erstellen lassen, um Plagiatsvorwürfe offiziell auszuräumen.
ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber auf der Suche nach weiteren Gründen für die Schlappe: "Es gibt sicher auch eine politische Lage. Ich will nicht sagen "18 Punkte für Angela Merkel". Aber man muss eben auch sehen, da stand nicht nur Cascada, sondern da stand auch Deutschland auf der Bühne."
Favoritin Emmelie de Forest aus Dänemark gewann mit "Only Teardrops" überlegen
Im Gegensatz zu Deutschland wurde Dänemark den hoch gesteckten Erwartungen voll gerecht. Im Vorfeld als haushohe Favoritin gehandelt, siegte Sängerin de Forest mit ihrem Pop-Lied "Only Teardrops" souverän mit 281 Punkten. "Es war überwältigend", beschrieb sie hinterher ihren Auftritt, bei dem die dänischen ESC-Macher auf Ethno-Optik gesetzt hatten. Vor feuerroter Kulisse und begleitet von Flötenspielern und Trommlern präsentierte de Forest ihr Lied.
Die 11.000 Zuschauer in der Arena von Malmö habe sie "richtig fühlen" können, sagte die 20-Jährige. Ihren ESC-Auftritt noch einmal wiederholen und wie die deutsche ESC-Siegerin von 2010, Lena Meyer-Landrut, zur Titelverteidigung antreten werde sie aber trotz aller Freude wohl nicht. "Man weiß nie, was die Zukunft bringt, aber ich glaube nicht", sagte die Dänin.
Peinlicher Patzer von Lena Meyer-Landrut in der deutschen ESC-Jury
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Vom Hype zur Häme: Beim Grand Prix 2010 war Lena Deutschlands Liebling, beim Eurovision Song Contest 2013 wurde sie für manche zum Lästeropfer. Die 21-Jährige durfte als Jurypräsidentin die deutsche Punktewertung verkünden - und leistete sich einen Versprecher. "Zehn Punkte gehen nach Norwegen", sagte sie am späten Samstagabend zunächst noch fröhlich auf Englisch. Sofort musste sie sich dann aber korrigieren: "Zehn Punkte gehen nach Dänemark!" Sie hielt sich verschämt den Regenschirm vor das Gesicht. "Es tut mir so leid. Oh, mein Gott", sagte sie zweimal. Und: "Ich bin so nervös".
Doch da war der Schaden schon geschehen. Im Internet mischten sich augenzwinkernde mit hämischen Kommentaren zu dem Fauxpas: "Lena. Norwegen oder Dänemark, Hauptsache Schweden", schrieb die NDR-Satiresendung "Extra 3" auf Twitter (@extra3). Der ZDF-Redakteur Werner Martin Doyé (@wernerdoye) meinte ironisch: "Nicht nur, dass wir offenbar keine Punkte kriegen, wir können auch keine Punkte vergeben." Und der Nutzer @HerbertLemming fragte süffisant: "Hat die Kanzlerin Lena schon ihr vollstes Vertrauen ausgesprochen?"
Auf Lenas Facebook-Seite häuften sich die Kommentare. Bosheiten wie "einfach nur peinlich" waren allerdings in der Minderzahl. Nutzer hinterließen vor allem tröstende Worte wie "jeder hat ein "Recht auf Fehler" der Patzer war niedlich und ist gar kein Grund sich zu schämen!!", "Sie war hochkonzentriert, aber dann gedanklich schon ein Satz weiter" oder "der Versprecher war doch herrlich, x-fach besser als die
Bonny Tyler konnte Englands Schlappe nicht verhindern
Geschätzt rund 125 Millionen Zuschauer verfolgten am Samstagabend den populären Musikwettbewerb. 8,21 Millionen davon in Deutschland. Der Eurovision Song Contest in der ARD war vor allem bei jungen Leuten ein Hit. Bei den 14- bis 49-Jährigen lag ab 21 Uhr der Marktanteil bei 42,6 Prozent, bei den 14- bis 29-Jährigen sogar bei 44,1 Prozent, wie der NDR am Sonntag mitteilte. Im Gesamtpublikum kam der Wettbewerb auf 34 Prozent, 8,21 Millionen Zuschauer schauten zu. In der Spitze - bei Cascadas Auftritt - waren 9,43 Millionen dran.
ESCAnsonsten sahen die Zuschauer mal die große Inszenierung, wie die des rumänischen Countertenors Cezar, der im ausladenden Dracula-Kostüm auftrat. Mal gab es puristische Darbietungen, wie die des Italieners Marco Mengoni oder des Ungarn ByeAlex. Wie aus der vergangenen ESC-Dekade hergebracht mutete die Darbietung aus Weißrussland an, bei der Sängerin Alyona Lanskaya im mit Lametta behängten Bikini einer Discokugel entstieg.
Für Großbritannien war mit Bonnie Tyler die wohl bekannteste Künstlerin ins Rennen gegangen. Für sie reichte es am Ende für Rang 19 - hinteres Mittelfeld, aber eine deutliche Steigerung gegenüber 2012. Damals hatten die Briten ihr Glück mit Schmusesänger Engelbert Humperdinck versucht - und waren Vorletzter geworden. (dpa/afp)
Cascada singt für Deutschland
Nach Dänemarks Jubel folgt nun der Kater - wer zahlt die ESC-Zeche?
"Danke für die wundervollsten 3 Minuten meines Lebens" hat Emmelie de Forest nach ihrem Auftritt in alle Welt getwittert. Da wusste die erst 20 Jahre alte barfüßige Sängerin aus Dänemark noch nicht von ihrem Glück: Dass sie ihrem Land mit dem Ohrwurm "Only Teardrops" den dritten Sieg bei dem gewaltigen Eurovision Song Contest (ESC) beschert hat - und damit auch die Gastgeberrolle bei der nächsten Ausgabe Ende Mai 2014.
Nur 20 Kilometer von der Malmöer Arena entfernt, im heimischen Kopenhagen, besangen in der Nacht die Fans den Erfolg mit "Sejren er vor" ("Der Sieg ist unser") - wie nach Dänemarks sensationellem 2:0 gegen Deutschland im Finale der Fußball-EM von 1992.
Bei diesem ESC allerdings wäre wohl eher ein deutscher Erfolg statt des trostlosen Rang 21 für Cascada die Sensation gewesen. De Forest war mit ihrem aufwendig produzierten Popsong und dem hoch professionell durchgestylten Bühnenauftritt als klare Favoritin ins Rennen gegangen. "Der Druck war unbeschreiblich groß, ich bin fast gestorben vor Angst bei der Auszählung", bekannte die Siegerin offen.
Sie geben alles im Finale
Dänen haben Angst vor den Kosten des ESC 2014
Dass nach dem Jubel nun eine andere Art von Druck auf Danmarks Radio (DR) als Ausrichter des nächsten ESC zukommt, nämlich ein finanzieller, war Generaldirektorin Maria Rørbye Rønn nach der Siegesnacht anzumerken. "Gibt es jetzt nur noch Wiederholungen im Programm?", fragte ängstlich ein DR-Reporter unter Hinweis auf die extrem hohen Kosten für das Monster-Event. Rønn antwortete bei dem Interview im eigenen Sender ausweichend. Man werde sich "allergrößte Mühe geben", damit die eigenen Zuschauer nicht die Eurovision-Zeche durch ein ansonsten dünneres Programm zahlen müssen.
Wie sich doch die Zeiten geändert haben. Als die dänischen Brüder Olsen im Jahr 2000 gesiegt hatten, ließ man in Kopenhagen für den folgenden ESC kurzerhand das Nationalstadion "Parken" überdachen und füllte es 2001 mit 38 000 Zuschauern. Inzwischen haben auch die Dänen die Finanzkrise zu spüren bekommen. Durch den gigantisch überteuerten Neubau der Kopenhagener Zentrale hat dem Sender DR das Wasser zuletzt ohnehin bis zum Hals gestanden. Nach harten Entlassungsrunden hält sich die Begeisterung über den neuen Ausgabeposten ESC intern in Grenzen.
Geldgeber als fünf große ESC-Verlierer
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Das schwedische Modell in Malmö mit einer ziemlich kleinen Halle für 11 000 Zuschauer und geringerem technischen Aufwand als in voraufgegangenen Jahren sei "bestimmt bedenkenswert", meinte die dänische Fernsehchefin. Ob Kopenhagen oder eine andere Stadt den Zuschlag bekommt, soll in den nächsten Monaten entschieden werden.
Mit großem Interesse dürften die dänischen Organisatoren auch darauf warten, was ihre Kollegen von der ARD in Deutschland sowie der Partnersender aus Großbritannien, Spanien, Frankreich und Italien über die eigene Spendierbereitschaft 2014 zu sagen haben. Diese "Big Five" beim ESC sind als wichtigste Geldgeber automatisch für das Finale qualifiziert. In Malmö landeten sie unter den 26 Teilnehmern ausnahmslos auf den hinteren Plätzen 19 bis 25. Fünf große Verlierer also. Die hohen Kosten eines solchen Events hatten dieses Jahr vier ESC-Nationen davon abgeschreckt, sich am Wettbewerb zu beteiligen. (dpa)