Essen. 57 Versuche, zwei Siege, diverse Schlappen: Kein Land hat so oft am Eurovision Song Contest teilgenommen wie Deutschland. Wir blicken zurück - auf die größten Peinlichkeiten, auf längst vergessene Songs und jene, die man besser schnell vergisst. Deutschlands ESC-Reinfälle, die Top Ten.
Ach, Deutschland, treues ESC-Land! Keine Nation hat sich so oft dem europäischen Sangeswettstreit gestellt. 57-mal sind deine Künstler angetreten, zwei von ihnen holten den Sieg, einige landeten auf den vorderen Plätzen - und manche im Nirvana der mitunter etwas schrägen Eurovisions-Welt.
Wir blicken zurück: Auf Peinlichkeiten und Fremdschäm-Momente, auf Lieder, die längst vergessen sind und solche, die man lieber ganz, ganz schnell vergisst. Das Ergebnis: die Top-Ten der größten ESC-Reinfälle (ganz subjektiv, versteht sich):
Platz 10: Bianca Shomburg – Zeit (ESC 1997)
Der Name Bianca Shomburg sagt Ihnen nichts? Macht nichts. Genau deshalb ist sie auf Platz 10 dieses Rankings gelandet. Ihr Auftritt hat niemandem wehgetan. Aber sie sang im Jahr 1997 so austauschbar ein so austauschbares Lied, dass nur einer dahinterstecken konnte: Ralph Siegel!
Shomburg, kurz zuvor als Celine-Dion-Imitatorin bei der „Soundmix-Show“ bekannt geworden, wurde von ihm mit der Schmacht-Ballade „Zeit“ zum ESC nach Dublin geschickt. Und da stand die 22-Jährige dann kreuzbrav in ihrer Rüschenbluse auf der Bühne und schmetterte: „Zeit, Zeit – wann ist es vorbei?“ Zum Glück schnell, muss man rückblickend sagen. Am Ende gab’s 22 Punkte für die Siegel-Nummer, Platz 18 von 25. Die Interpretin verschwand in der Versenkung. Siegel machte weiter.
Platz 9: Mekado – Wir geben ’ne Party (ESC 1994)
Zugegeben: Vielleicht läutet beim deutschen ESC-Beitrag des Jahres 1994, „Wir geben ’ne Party“, nur mit einigem zeitlichen Abstand die Fremdscham-Glocke. Mag sein, dass das Trio „MeKaDo“ (pfiffigerweise nach den Anfangsbuchstaben der drei Sängerinnen Melanie, Kati und Dorkas benannt) in den 90ern tatsächlich voll im Trend lag mit Steh-Choreographie am Mikrofonständer, „Ich hab hier aber so richtig großen Spaß“-Grimassen und etwas schrillen Harmonien zum Dancefloor-Beat. 128 Punkte und der dritte Platz im Finale sprechen dafür. Und dann bleibt doch nur ein Fazit: Steh-Choreographien, Grimassen und schrille Harmonien dürften niemals cool gewesen sein.
Platz 8 und 7 - Ralph Siegel will's beim ESC immer wieder wissen
Platz 8: Corinna May – I can’t live without music (ESC 2002)
Wir schreiben das Jahr 2002. Nicoles Sieg beim „Grand Prix“ jährt sich zum 20. Mal, und Ralph Siegel will im Jubiläumsjahr seinen Triumph wiederholen. Corinna May, 1999 nach ihrem Sieg beim deutschen Vorentscheid disqualifiziert (weil ihr Siegerlied schon einmal vorher veröffentlicht worden war) und 2000 Stefan Raab und seinem „Wadde Hadde Dudde Da?“ unterlegen, soll es noch einmal versuchen. Doch der Song „I can’t live without music“ ist so einfallslos und bieder, dass es nur für 17 Punkte reicht. Viertletzter Platz. Wenn Siegel es doch nur lernen würde…
Platz 7: Lou – Let’s Get Happy (ESC 2003)
Nach dem Debakel 2002 wollte Ralph Siegel eigentlich nie wieder beim ESC antreten. Und dann das! Er bricht sein Versprechen schon im darauffolgenden Jahr, will es doch noch einmal wissen. Motto: Gute Laune, jetzt! Methode: Brecheisen.
„Let’s Get Happy“ heißt der Titel. Doch Sängerin Lou ist mit weit aufgerissenen Augen und Dauergrinsen eher angsteinflößend. Platz 12 ist da noch freundlich bewertet. Immerhin: Ralph Siegel hat seitdem nicht mehr beim deutschen Grand-Prix-Auftritt mitgemischt.
Platz 6 und 5 - Gracia versteckt sich und ein Traum stirbt
Platz 6: Gracia – Run & Hide (ESC 2005)
Autsch. Da will mit Gracia eine junge Frau zeigen, wie der ESC auch ganz rockig-rotzig sein kann - und landet mit lausigen vier Punkten abgeschlagen auf dem letzten Platz. Der Titel „Run & Hide“ wird zum Motto für die Sängerin, die sich im Anschluss erst einmal zurückzieht (und nie wieder so recht auftaucht). In Erinnerung bleibt am Ende ohnehin weniger die miserable ESC-Platzierung als vielmehr das Theater um mögliche Charts-Manipulationen durch Gracias Manager im Vorfeld.
Platz 5: Atlantis 2000 – Dieser Traum darf niemals sterben (ESC 1991)
„Dieser Traum darf niemals sterben“? Doch, dieser Traum musste sogar sterben! Eigens für den „Concorso Eurovisione Della Canzone“ in Rom gegründet, wurde das Musikprojekt „Atlantis 2000“ schon beim Vorentscheid ausgebuht. Die Gruppe reiste trotzdem nach Italien, gab dort unbeirrt ihre vor Pathos triefende Ballade zum Besten – und ging unter wie Atlantis. In den Archiven der Nachrichtenagenturen gibt es noch nicht mal mehr Bilder vom Schmalz-Auftritt. Wer sich bei Youtube auf die Suche macht, wird aber noch heute feststellen: Harry-Potter-Brille, Schnäuzer und gehauchter Gesang sind rückblickend zumindest amüsant.
Platz 4 und 3 - Historische Rückschläge in den 90er-Jahren
Platz 4: Stone & Stone – Verliebt in dich (ESC 1995)
Wer mit unnützem Peinlichkeits-Wissen auf ESC-Partys protzen will, der muss „Stone & Stone“ kennen. Das Duo trat 1995 mit „Verliebt in dich“ in Dublin an – und landete mit nur einem Punkt aus Malta mehr als deutlich auf dem letzten Platz. Warum? Vielleicht, weil man mit sphärischen Klängen, einer mittelmäßigen Stimme und einem Text voller Esoterik-Romantik auch in den 90ern keinen Blumentopf gewinnen konnte.
Platz 3: Leon – Blauer Planet (ESC 1996)
Die Top 3 der größten deutschen ESC-Reinfälle wird eröffnet von einem Lied, das es nie bis zum ESC geschafft hat. Dabei hätte das doch so eine schöne Geschichte werden können: Newcomer Leon marschiert 1996 aus dem Nichts heraus mit seiner Eurodance-Nummer beim Vorentscheid durch. Und dann so was! Eine internationale Jury wählt aus 30 Ländern die 23 Teilnehmer aus. Sie findet „Blauer Planet“ zu schlecht für den Wettbewerb.
Einen „Grand Prix“ ohne Deutschland – das hatte es vorher noch nie gegeben. Und das soll es auch nicht mehr geben. Die Regeln werden geändert: Seitdem sind die „Big Four“ bzw. „Big Five“, die größten Geldgeber der European Broadcasting Union EBU automatisch fürs Finale gesetzt. Leon hat’s nicht geholfen, die große Bühne blieb ihm verwehrt. Seine Dance-Nummer mit „Major Tom“-Anleihen ist aber auch heute noch unfreiwillig komisch. Googeln lohnt sich!
Platz 2 und 1 - Engel mit schrägen Tönen und ein bisschen Sex
Platz 2: No Angels – Disappear (ESC 2008)
Sie hätten es dabei belassen sollen. Als erste TV-Casting-Band Deutschlands hatten die No Angels ein paar ziemlich gute Jahre hinter sich, galten dank fünf Millionen verkaufter CDs und mehreren Nummer-Eins-Hits als erfolgreichste Girlgroup des europäischen Festlandes. Dann aber fuhren sie 2008 zum ESC – und erlebten einen Reinfall: So eng und kurz die Kleider waren, so daneben waren auch die Harmonien. Am Ende gab es nur aus zwei Ländern überhaupt Punkte, die No Angels landeten auf Platz 23.
Platz 1: Alex Swings, Oscar Sings – Miss Kiss Kiss Bang (ESC 2009)
Europa musste einiges ertragen bevor Lena 2010 mit „Satellite“ den Sieg für Deutschland holte. „Miss Kiss Kiss Bang“, der deutsche ESC-Beitrag 2009, aber war der Tiefpunkt: Produzent Alex Christensen lässt Schönling Oscar Loya eine einfallslose Swing-Dance-Nummer singen. Und weil das alles an sich unendlich langweilig ist, muss Dita van Teese als Gaststar herhalten. Die Burlesque-Einlage rettet den Auftritt aber auch nicht. Platz 20 von 25.