Essen. Zarah Leander, Romy Schneider, Hans Albers oder Pierce Brosnan: Im Prachtbau in der Essener City fühlen sich die Stars von jeher wohl.

Bernhard Wilmer könnte stundenlang erzählen. Vom Glanz der Eröffnung und den Schatten der Nazi-Zeit. Von den 50er Jahren, als Filmstars wie

Romy Schneider

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    in der Film-Bar saßen. Vom Kampf gegen Fernsehen, Video, Multiplexe, der legendären Aktion „Rettet die Lichtburg“ in den 90ern – da war Wilmer schon selbst dabei. Und vom Herbst 1998, als Hollywood-Schauspieler Pierce Brosnan zur Premiere von „Der amerikanische Neffe“ mit dem Hubschrauber in der Essener City landete. Auch das hat er miterlebt. Tolle Kino-Geschichte(n), genug für ein ganzes Buch.

    Unsere Kino-Serie

    Bernhard Wilmer kennt sie alle. Und er kennt „seine“ Lichtburg aus dem Effeff. Von 1998 bis 2023 war er Theaterleiter des renommierten Filmpalastes an der Kettwiger Straße. Einmal im Monat bietet er Besichtigungstouren an, die schon jetzt für das ganze Jahr 2024 ausgebucht sind.

    Das Interesse ist eben riesig. Mit 1250 Plätzen beherbergt die Lichtburg Deutschlands größten Kinosaal. Dass sie auch eines der schönsten Lichtspielhäuser ist, wissen Generationen: Das elegante Theater mit seinen Rängen, Balkonen und Logen ist unbestritten eine Wucht. Alle großen Filme sind hier gelaufen, regelmäßig werden Premieren gefeiert, zu denen internationale Gäste wie Helena Bonham Carter anreisen. Aber vor allem deutsche Stars wie Iris Berben, Daniel Brühl, Katja Riemann und Til Schweiger kommen immer wieder gern.

    Der Eingang zur Lichtburg in Essen.
    Der Eingang zur Lichtburg in Essen. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

    Schon in den 90ern stärkten Prominente wie Filmemacher Wim Wenders und BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken der Lichtburg den Rücken. Als die Stadt 1994 plante, das damals stark defizitäre Kino in der Nähe des neuen Multiplexes zu verkaufen, formierte sich Protest. Federführend waren die engagierten Kinobetreiber Hanns-Peter Hüster und Marianne Menze, die erst 13.000 Unterschriften gegen den Abriss sammelten und dann erreichten, dass die Lichtburg ein Kino blieb. Zunächst übernahmen sie den Theaterpalast als Zwischenlösung. 1998 wurde er Teil der Essener Filmkunsttheater GmbH.

    Karten und Kontakt

    Die Lichtburg liegt an der Kettwiger Straße 36 in 45127 Essen.

    Karten kosten montags, mittwochs und donnerstags je nach Platz (Parkett/Rang/Balkon/Loge) zwischen 8 und 13 Euro, freitags, samstags, sonntags zwischen 9 und 14 Euro. Kinder (bis 14) zahlen fünf Euro.

    Dienstags ist Kinotag (Karten zwischen 6,50 und 11,50 Euro).

    Popcorn gibt es ab 3,50 Euro.

    Kontakt/Infos: 0201 231023, https://filmspiegel-essen.de/kinos/lichtburg

    Seit dem Tod ihres Mannes führt Marianne Menze die Geschäfte. Sie kennt die Unerschütterlichkeit ihres Pracht-Kinos nur zu gut. „Die Lichtburg musste sich immer wandeln, vom Stummfilm zum Tonfilm, vom Schwarzweißfilm zum Buntfilm, vom Normalformat bis Cinemascope“, sagt sie. Auch mit Blick auf ihre Gäste: „Sie passt sich an jeden an, der auf der Bühne steht.“ Juliette Gréco ist hier aufgetreten, die Toten Hosen waren da und Kraftwerk, siebenmal. Renommierte Festivals wie die Lit.Ruhr finden hier statt. Und dann waren da noch die harten Jungs der Thrash-Metal-Band Kreator. Angesichts der alten Kino-Lady mit ihrem Charme und ihrer Grandezza benahm man sich vorbildlich, schmunzelt Bernhard Wilmer: „Sogar die Flaschen haben sie weggeräumt.“

    Zur Eröffnung der Lichtburg in Essen spielte das 30-köpfige Kino-Orchester

    Ein Großereignis war bereits die Lichtburg-Eröffnung am 18. Oktober 1928. Alles, was Rang und Namen hatte, war gekommen. Als Hauptattraktion im neuen Theatersaal mit seinen 1999 Plätzen lief der Stummfilm „Marquis d’Eon, der Spion der Pompadour“ des Regisseurs Karl Grune; zuvor spielte das 30köpfige Kino-Orchester die Ouvertüre von „Orpheus in der Unterwelt“. Eine Ballettgruppe aus Paris trat auf. Technisch war alles auf dem neuesten Stand. Ein Highlight: die amerikanische Soda-Fontäne im Rang, die „unzählige Sorten alkoholfreier Getränke“ herstellen konnte.

    Im „Blauen Salon“ der Lichtburg haben rund 60 Prominente ihre Handabdrücke hinterlassen.
    Im „Blauen Salon“ der Lichtburg haben rund 60 Prominente ihre Handabdrücke hinterlassen. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

    Dann kam die Weltwirtschaftskrise. Und der Nationalsozialismus. In den dreißiger Jahren musste der jüdische Kinobetreiber Karl Wolffsohn sein Theater weit unter Wert verkaufen; die Ufa macht es zum Abspielort für Propagandafilme wie Leni Riefenstahls „Triumph des Willens“. 1943 wurde der Saal durch die Bomben des Zweiten Weltkriegs zerstört. Doch schon 1949 gab es im Foyer wieder ein kleines Kino.

    Gary Cooper feierte die deutsche Erstaufführung von „12 Uhr mittags“ in der Lichtburg

    1950 dann die Wiedereröffnung: Die Lichtburg wurde zum wichtigsten Premierenort des Landes. Hollywood-Star Gary Cooper feierte die deutsche Erstaufführung von „High Noon“ („12 Uhr mittags“) in Essen. Hans Albers, Heinz Rühmann und Lex Barker liefen über den roten Teppich. Zarah Leander saß in der Bar, Louis Armstrong spielte Trompete. In Scharen warteten die Menschen auf den Straßen, um ihren Idolen näher zu kommen, so dass die Polizei für Ordnung sorgen musste.

    Blick ins Foyer der Lichtburg in Essen.
    Blick ins Foyer der Lichtburg in Essen. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

    Mainstream steht immer noch auf dem Programm, wenn er, so sagt es Oliver Flothkötter, „zu unserem Publikum passt.“ Comics und Baller-Action sind weniger beliebt, dafür Popcorn-Kino a la James Bond und „Avatar“. Dazu gibt’s populäre Arthouse-Filme und Wiederaufführungen. Flothkötter und sein Kollege Daniel Schreiber sind das neue Theaterleitungsduo neben Wilmer, der sich allmählich zurückzieht. „Wir wollen viele Generationen ansprechen“, sagt Flothkötter. So läuft etwa sonntagsabends und montags eine Reihe im Original mit Untertiteln (OmU): „Vor allem die 20- bis 30-Jährigen gucken gerne Filme in der Originalversion.“ Ausweichplatz bei Veranstaltungen bietet seit der letzten Renovierung 2002/2003 das Sabu im Untergeschoss, ein zweiter Saal mit 150 Plätzen.

    Die goldenen 50er-Jahre sind immer noch sichtbar

    Moderne Zeiten. Dennoch sind die goldenen 50er überall sichtbar. Im Zugang, am Kassenhäuschen, wo Mitarbeiter vor Vorstellungsbeginn Karten verkaufen. Im geräumigen Foyer mit seinem Treppenaufgang, in dem zwar keine schicken Garderobieren mehr arbeiten, wo es aber immer noch Accessoires wie original erhaltene Lampen zu bestaunen gibt.

    Letzte Station ist der „Blaue Salon“, in dem sich auch mal ein Kino befand. Heute bietet er Platz bei Veranstaltungen wie Hochzeiten und Empfängen. Bernhard Wilmer spricht augenzwinkernd von „unserem Walk Of Fame“: An den Wänden sind auf geriebenem blauem Lapislazuli rund 60 güldene Handabdrücke verewigt, die Prominente hinterlassen haben, ein Werk des Essener Künstlers Peter Reichenbach. Dazwischen ein rätselhaftes Gebilde des Schauspielers Lars Eidinger. Er versuchte seinerzeit, sein Gesicht in die Masse zu drücken. Wilmer grinst in sich hinein. Wieder eine Geschichte.