Essen. . „Wenn wir dieses Kino in Berlin hätten, hätten wir jede Woche drei Premieren“, sagt Bernhard Wilmer, Theaterleiter der Lichtburg in Essen. Dabei kann sich sein Haus über mangelnden Ruhm nicht beschweren - beherbergt es doch Deutschlands größten Kinosaal. Wilmer selbst lebt die Leidenschaft für die Lichtburg.
Nach einem Symbol für seine Leidenschaft muss Bernhard Wilmer nicht lange suchen: Dann greift er in seine Hosentasche und holt ein Feuerzeug hervor. Ein goldenes Feuerzeug, ein Unikat, das der Theaterleiter der Lichtburg hat anfertigen lassen. Darauf das geschwungene „L“, das Logo der Leidenschaft Lichtburg. „Wenn man Kino macht“, sagt Wilmer, „dann macht man das mit Herzblut oder man lässt es.“ Eine Gruppe von WAZ-Lesern lässt der Theaterleiter an diesem Vormittag daran teilhaben. Das Vergnügen ist ein exklusives: Zwar bietet die Lichtburg auch offizielle Führungen an, in diesem Jahr aber sind keine Termine mehr zu haben.
Das Kino
Wenn Wilmer erzählt, dann beginnt eine Zeitreise, die bis in die 1920er Jahre zurückreicht. Die Fassade, die noch heute ist wie damals, die Vorkriegswirren, die blühende Nachkriegszeit, das Siechtum, das drohende Aus, die Rettung in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts, die Gegenwart, die Zukunft. „Warum es die Lichtburg noch gibt?“, will Wilmer wissen. „Weil sie so schön ist“, sagt eine Frau aus der Gruppe. Die Fakten: Es dürfte zur Allgemeinbildung eines jeden Esseners gehören, dass die Lichtburg Deutschlands größten Kinosaal beherbergt. 1250 Plätze. Was sind da schon die mehr als 600 im größten Raum des Cinemaxx? Vor allem aber erzählt Wilmer davon, was die Lichtburg so besonders macht: „Es ist das Gefühl, ins Kino zu gehen.“ Allzu große Bescheidenheit ist dem Theaterleiter dabei fremd: „Was wir machen, ist Stadtmarketing“, sagt Wilmer, für den die Lichtburg einer der Essener "Leuchttürme" ist, neben dem Museum Folkwang etwa oder der Villa Hügel.
Die Premieren
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„Wenn wir dieses Kino in Berlin hätten, hätten wir jede Woche drei Premieren“, bedauert Wilmer. Dort gingen die großen US-Verleiher hin. Der Lichtburg bleiben die deutschen Premieren. Gerhard Schröder hat Wilmer hier begrüßt, Merkel, und etliche deutsche Filmgrößen. Viele haben sich mit einem künstlerischen Handabdruck für die Nachwelt verewigt, die alle im Blauen Salon ausgestellt sind. Wortmann, Schweiger, Rohde und viele mehr. „Unser Walk of Fame“, sagt Wilmer mit einem Schmunzeln. Die Premiere von „Der amerikanische Neffe“ mit Pierce Brosnan ist für den Theaterleiter noch immer die emotionalste. Mit dem Hubschrauber wurde der Hauptdarsteller Pierce Brosnan 1998 aus Köln eingeflogen und grüßte von der Lichtburg-Bühne „Dear People from Cologne“. „Es ging ein Raunen durchs Publikum“, erinnert sich Wilmer. „Please forgive me, I’m Irish“, konterte Brosnan. „Er warf Blumen in die Menge und hatte gewonnen“, erzählt Wilmer.
Die goldene Zeit
Als Opas Kino noch lebte: In den 1950er Jahren zählte die Lichtburg noch fast 1700 Plätze. Wilmer blickt zurück: „Sechs Vorstellungen. Am Tag. 10.000 Besucher täglich.“ Und das bei einem kulinarischen Angebot von etwas Eiskonfekt und vielleicht ein paar gebrannten Mandeln. „75 Pfennig pro Karte“, erinnert sich einer aus der Gruppe. Aber es war nicht alles besser. Wilmer zitiert gern Titel der „Klassiker“, die damals über die Leinwand flimmerten: wie „Tante Wanda aus Uganda“. „Wer möchte den nicht gerne wieder sehen?“, fragt der Theaterleiter rhetorisch in die Runde.
Blick hinter die Kulissen
Das „Allerheiligste“
Der Rundgang führt die Gruppe vom Foyer über den Saal und die komplette Theater-Bühne, die sich hinter Europas größter Roll-Leinwand verbirgt, ins „Allerheiligste“ (Wilmer), den Vorführraum. Heute führt ein Aufzug in die Kammer, „früher musste der Vorführer ganz schön rennen, wenn es einen Filmriss gab“, erzählt Wilmer. Ein digitaler Projektor, da ist die Lichtburg in der Neuzeit, wird von zwei analogen eingerahmt, die gar noch 70-Millimeter-Filme zeigen können. Drumherum ist das Reich des Vorführers. Und nebenbei gerät Wilmer, der 1981 seine Kino-Vita als Kartenabreißer im Eulenspiegel begonnen hat, ins Schwärmen: „Der Vorführer ist der Magier, der in die Traumwelt entführt und die Bilder auf die Leinwand zaubert.“ Dann fällt der Vorhang. Wilmer begleitet die Gruppe nach draußen. Zeit für eine Zigarette. Der Theaterleiter greift zum Feuerzeug. Ohne das geschwungene „L“ geht bei ihm nichts.
Neuer Lichtburg-Führer