Duisburg. Das Filmforum ist Deutschlands ältestes kommunales Kino. Wie es dabei half, das Rotlichtmilieu aus der Gegend im Zentrum zu vertreiben.
Josefine ist startklar. Aus dem Saal geht’s die Treppe rauf bis in die Black Box, immer vor Michael Beckmann her. Der normale Rundgang. Wer den Duisburger Kino-Chef so oft durch das Theater begleitet wie die freundliche Dackeldame, kennt sich bestens aus.
Seit Anfang 2020 ist Beckmann Leiter des Duisburger Filmforums. Doch als Kinofan und langjähriger Anwohner verfolgt er seine Geschichte schon viel länger. Und die erzählt von einer bewährten Partnerschaft. Über 50 Jahre gehen die Stadt Duisburg und das Programmkino jetzt schon gemeinsame Wege. Ein Besuch im ältesten kommunalen Lichtspieltheater Deutschlands – einem der wenigen mit Kino-Hund.
Es gibt kaum stillere Orte als einen Kinosaal jenseits der Vorstellungen. Der Teppich schluckt die Schritte, wer sich hinsetzt, versinkt in einem Traum aus Rot. Rote tiefe Sessel, roter Vorhang, eine rote Wandbespannung, rote Heizkörper. Nur das Klavier vor der Bühne ist schwarz. Die Menschen in Duisburg lieben das, weiß Beckmann. Vor allem die kleinen Leute stehen drauf: ein Gefühl wie in einem Schloss.
Am Anfang war eine Reihe der VHS in Duisburg
Dabei beginnt die Geschichte schmuckloser. Mit Veranstaltungen zu filmkulturellen Themen, die ab 1959 an der hiesigen Volkshochschule angeboten wurden. Später wurde der VHS-Saal zum Kino-Ort; als der Zulauf immer größer wurde, zog man in das „Studio M“ der Mercatorhalle.
Dass das „Filmforum“ 1970 eine Kultureinrichtung der Stadt wurde, und zwar mit dem Ziel, das Niveau der Duisburger Kinolandschaft zu heben, ist dabei auch der Überzeugungskraft des damaligen Vorsitzenden im Kulturausschuss zu verdanken; Josef Krings. Davon erzählt man hier bis heute: Die Zustimmung des Stadtrats erreichte er, indem er das Kinoprogramm aus der Tageszeitung vorlas, darunter „Schulmädchen-Report“ und „Die Lümmel von der ersten Bank“.
Unsere Serie: Kinos im Revier
Die Geburtsstunde des ersten städtischen Kinos. „Filmkunst“, sagt Beckmann, „wurde kommunale Aufgabe. Das heißt für uns: Filmkultur bewahren. Andere Filme anders zeigen.“ Offiziell ist er Geschäftsführer einer städtischen Gesellschaft. Mit 240.000 Euro hat Duisburg das Filmforum 2023 unterstützt.
Blickfang am Dellplatz ist das Gesicht Marlene Dietrichs an der Fassade. Ihr verschwörerischer Blick unter den schweren Lidern ist Programm: Dies ist immer noch ein Ort für Kino-Kultur. Während im großen Saal mit seinen 180 Plätzen auch mal anspruchsvoller Mainstream über die Leinwand gehen – darf, so sagt es Beckmann, bleibt das zweite Kino, die Black Box (90 Plätze), für die Filmkunst reserviert.
Karten und Kinotag
Das Duisburger Filmforum ist am Dellplatz 16, 47051 Duisburg.
Die Eintrittspreise liegen dienstags bis donnerstags bei 8,90 Euro (ermäßigt 7,50 Euro), freitags, samstags, sonn- und feiertags bei 9,90 Euro (ermäßigt 8,50 Euro). Karten für das Abenteuer Kinderkino am Sonntag kosten 5,50 Euro.
Montags ist Kinotag: Karten kosten 7 Euro.
Popcorn, Nachos und ähnliches gibt es nicht. Speisen und Getränke sind im Weinbistro Movies erhältlich.
In technischer Topform sind beide. „Von 16mm bis 35mm, von anlog bis digital können wir alle Bildformate abspielen.“ Und so stehen auch Schätzchen wie der erste Buddenbrooks-Film von 1923 auf dem Programm, mit Klavierbegleitung, wie vor hundert Jahren. Dazu gibt es eine Bühne, etwa für Diskussionen, auf der aber auch schon Duisburger Philharmoniker aufgetreten sind, als musikalische Begleitung eines Charlie-Chaplin-Streifens. Ein Foyer, Nachos und Popcorn sucht man dagegen vergebens – als Eingangsbereich dient das Bistro „Movies“. Eine Tatsache, die das Stammpublikum zu schätzen weiß. Hier genießt es einen Drink oder ein Essen vor Vorstellungsbeginn.
Früher wurde im Kinosaal des Filmforums getanzt
Seit 1980 hat die Filmkunst in Duisburg eine feste Adresse. Das gesellschaftliche Leben aber ist am Dellplatz 16 schon länger zu Hause. Schon in den Goldenen Zwanzigern befand sich hier ein Tanzsaal, den die Katholische Bürgergesellschaft Union und andere Vereine nutzten. Ab 1945 spielte dort das Kleine Theater mit der Operette „Der Vetter aus Dingsda“, Vorstellungen waren Monate im Voraus ausverkauft.
1949 eröffnete erstmals ein Kino, das Union-Theater, 470 Plätze, aus dem später das City-Kino wurde. Es zeigte in den 60ern internationale Kinohits, etwa die James-Bond-Filme. In den 70ern änderten sich die Zeiten, zeitweise war der Dellplatz Anlaufstelle für das Rotlichtmilieu. 1977 zog mit Beate Uhse ein Nonstop-Pornokino ein, das zwischendurch immer wieder von der Staatsanwaltschaft geschlossen wurde. Danach stand das Haus erstmal leer. Bis die Stadt einen neuen Standort für ihr kommunales Kino suchte. Sie kaufte das Gebäude, baute um. Ende der 90er wurde mit Hilfe von Fördermitteln der zweite Saal errichtet, ein Vorbau, mit einer Treppe verbunden.
Am Ende steht eine Win-win-Situation für alle. Mit dem Filmforum und seinem Publikum habe sich die Gegend gewandelt, erzählt Baumann. „Das war gut investiertes Geld.“ Das Kleinkunsttheater „Die Säule“, das Kulturzentrum Bora, Ateliers, die Brauerei Webster, Galerien und Restaurants kamen hinzu. Aus dem ehemaligen Kiez wurde ein Künstler- und Szeneviertel.
Spitzenplatz für das Sommerkino im Landschaftspark
Rund 1900 Vorstellungen gehen heute im Filmforum jährlich über die Bühne, zwischen vier und zwölf täglich, darunter Reihen wie die „Duisburger Jahrzehnte“. Festivals wie die Duisburger Filmwoche, das führende Treffen für den deutschsprachigen Dokumentarfilm, sind hier heimisch. Und im Sommer wird der Landschaftspark zur Bühne für das Sommerkino, „mit 92 Prozent Auslastung das erfolgreichste Open-Air-Kino deutschlandweit“, freut sich Beckmann. Angebote für Kinder gibt es auch. Zudem wird im Filmforum das analoge Bewegtbildarchiv der Stadt digitalisiert, aufbereitet und gelagert.
Beckmann kam während der Corona-Zeit und hatte einen schweren Start. Inzwischen hat sich die Situation normalisiert. „Aber das wäre alles nichts ohne das Team“, sagt er, das ist ihm wichtig. Und so werden die Kolleginnen und Kollegen fürs Foto spontan dazu geholt. Josefine hält sich diesmal zurück.