Essen. . Marianne Menze hat Essens Kinolandschaft zusammen mit ihrem Mann Hanns-Peter Hüster zum Aushängeschild mit überregionaler Strahlkraft gemacht

Auf dem Roten Teppich steht Marianne Menze immer nur am Rande. Der Applaus gehört den Stars, die Begeisterung der Lichtburg, die Essen regelmäßig ins Scheinwerferlicht rückt. Am Dienstag erst feierte der Fußball-Thriller „Spielmacher“ in der Lichtburg Weltpremiere. Gestern kam Marie Bäumer nach Essen, um den neuen Film über Romy Schneider zu präsentieren.

60 Jahre ist es her, dass Schneider selber auf dem Roten Teppich vor der Lichtburg stand, zusammen mit Horst Buchholz, als Traumpaar in „Monpti“. Dass diese große Kinogeschichte in Essen weiter geschrieben werden konnte, dafür haben Marianne Menze und ihr Team in den vergangenen Jahre mit Hingabe gekämpft. Weil der Einsatz aller Ehren wert ist, hagelt es derzeit Preise für eine Frau, die doch lieber hinter der Leinwand die Strippen zieht.

„Marianne Menze ist mit ihrer Kinoliebe und ihrem Herzblut ein Glücksfall für das Ruhrgebiet und eine strahlende Kino-Ikone für ganz Europa“, befand der Verband unabhängiger Filmverleiher am Rande der Filmfestspiele von Berlin. Und für den Marketing Club Ruhr ist sie in diesem Jahr fraglos „Kopf des Jahres“. „Mit ihrem außergewöhnlichen Engagement für Filmkunsttheater steigert Marianne Menze seit Jahren die Attraktivität der Innenstädte von Essen und Mülheim und arbeitet beständig an der Verbesserung des Ruhrgebiets-Images“, hieß es bei der Tacken-Preisvergabe.

Als Kinoikone wird man freilich nicht geboren. Auch wenn Marianne Menze erzählt, dass sie schon mit ihrer schwangeren Mutter viele Filme besucht hat und ihre Kindheit am liebsten im Kino von Bochum-Ehrenfeld verbrachte. Gearbeitet hat sie dann erst mal als Lehrerin, Sport und Film-AG. Bis sie 1972 nach Essen kommt und auf die Galerie Cinema und ihren Mann Hanns Peter Hüster trifft – „von ihm habe ich alles gelernt“. Dabei läuft es schlecht an: „Ich bin mitten in die Ouvertüre von Kubricks ,Odyssee im Weltall’ geplatzt, lacht die 68-Jährige. Als sie später bezahlen will, bekommt sie kein Ticket, sondern die Einladung auf ein Glas Rotwein.

Diese Abende mit Wein und Filmkunst werden prägend. Es wird experimentiert, diskutiert und ausprobiert. Hüster und Menze sind damals noch einer von vielen Kinobetreibern in Essen und das kuschelige Souterrain-Kino ist ein Kleinod für Nischenprogramme. Dass es bis heute besteht, neben den anderen, vielfach ausgezeichneten Filmkunst-Theatern, Astra, Eulenspiegel, Filmstudio und dem Rio in Mülheim, ist Ehrensache. Keine Stadt im Ruhrgebiet und darüber hinaus hat ein so großes Leinwandangebot, das nicht von einem Kinoimperium, sondern einem ziemlich einmaligen Familienbetrieb geleitet wird.

„Wenn wir untergehen,dann mit Glanz und Gloria“

Zunächst kommt 1980 das Eulenspiegel-Kino an der Steeler Straße hinzu. Anfang der 90er steht das Filmstudio Glückauf zur Übernahme. Pläne für eine Disco oder eine Spielhalle liegen schon auf dem Tisch, als Menze und Hüster den Betrieb übernehmen. Zunächst für ein Jahr – später wird daraus die Rettung des ältesten Filmtheaters im Ruhrgebiet. Auch das Astra-Kino an der Teichstraße wäre heute vielleicht ein Parkhaus, wenn das Cineasten-Paar nicht zur Stelle gewesen wäre, als das große Leinwandsterben in Essen längst begonnen hat. „Wir sind zu den Kinos gekommen, wenn wieder eine Schließung drohte“, sagt Marianne Menze. Wo andere aufgeben, investierten sie, nach dem Motto: „Wenn wir untergehen, dann mit Glanz und Gloria.“ Und als die Ufa die Lichtburg aufgibt, steht die größte Herausforderung an. Deutschlands größtes Lichtspielhaus dämmert im Dornröschenschlaf, als Menze und Hüster eines Abends vor einem verlassenen Kinopalast stehen, dessen Zukunft als Kino mehr als fraglich ist. „Kannst du dir vorstellen, dass hier nie mehr ein Projektor klappert?“ Können sie nicht. Stattdessen rücken sie mit Putzlappen und Schraubenzieher an, öffnen das Haus, übernehmen den Spielbetrieb, übergangsweise. Und plötzlich stehen die Leute wieder im Kino, das eigentlich Konzerthaus werden soll. „Das hat uns beflügelt!“ Irgendwann formiert sich ein breites Bündnis und sorgt für eine einzigartige kulturpolitische Kehrtwende, deren Erfolg mit dem Auftritt von BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken und Regisseur Wim Wenders im Essener Ratssaal besiegelt wird.

Schauspielerin Hannelore Elsner (li.) ist ein gern gesehener Gast in der Lichtburg.
Schauspielerin Hannelore Elsner (li.) ist ein gern gesehener Gast in der Lichtburg. © Kerstin Kokoska

Mit der Restaurierung des inzwischen denkmalgeschützten Kinos 2002 nimmt die Zukunft Gestalt an. Und längst hat die Lichtburg auch ein zweites Leben als Konzerthaus bekommen. In diesem Jahr kommen Legenden von Kris Kristofferson bis Ian Anderson. Die Anfragen der Konzertveranstalter häufen sich wie die der Kinoverleihe: Hannelore Elsner, Daniel Brühl, Katja Riemann, Tom Tykwer, Moritz Bleibtreu, Wim Wenders, Matthias Schweighöfer, Joachim Król, Senta Berger. Kaum ein deutscher Star, der hier nicht schon auf dem Roten Teppich stand. Die Lichtburg als Glamour-Garant. Nur die internationalen Produktionen machen noch einen Bogen ums Ruhrgebiet, bedauert Menze. „Ja, wenn Ihr Kino in Berlin stünde . . . “, hört die Lichtburg-Chefin oft genug.

Menze macht Kino für Essen. Sechs Säle, über 2000 Plätze und jede Woche die Frage, wie man diese Mischung zwischen unverzichtbarem Mainstream und Filmkunst austariert. Welcher Film braucht die große Leinwand? Welcher muss Platz für Neustarts machen? Welcher verdient trotz geringer Besucherzahl eine Verlängerung? Kino zu vermitteln, das mehr als bloße Unterhaltung ist, treibt sie bis heute an. Dass eigene Favoriten trotzdem mal für Marvel-Comicstars Platz machen müssen, gehört dazu, wenn man Essens einzigartige Kinolandschaft noch lange erhalten will.

Über die Nachfolge hat sie sich längst Gedanken gemacht, doch noch steht kein Abschied an, höchstens ein gelegentliches Kürzertreten. Und sei es auch nur, um endlich wieder selber mehr Filme sehen zu können. „Solange es Autoren und Regisseure gibt, die gute Geschichten erzählen, glaube ich, dass die Faszination Kino auch bleibt.“

Kinochefin erhält Ehrenplakette der Stadt

Für ihr besonderes Engagement um die Filmkunst in Essen haben Marianne Menze und Hanns-Peter Hüster 2013 den Bundesverdienstorden erhalten.

Mit der Ehrenplakette der Stadt Essen wird die Kinochefin Ende Juni für die besonderen Verdienste um die Stadt Essen als eine von acht verdienten Persönlichkeiten ausgezeichnet.

Und auch die Essener Lichtburg hat Grund zu feiern. Im Oktober wird das Traditionskino 90 Jahre alt.