Karl Wolffsohn begründete beide Kinos. Was seine Familie erst kürzlich erfuhr
Essen/Berlin. "Er war ein unglaublich kreativer Mensch", sagt Michael Wolffsohn über seinen Großvater. Dass Karl Wolffsohn, der mit seinem Verlag "Lichtbildbühne" zu den Pionieren der Filmpublizistik zählte, nicht nur die Berliner Lichtburg, sondern auch das gleichnamige Essener Kino begründet hat, ist der Familie erst seit kurzem bekannt. Zwei Kinos, die als die größten in Deutschland galten.
Karl Wolffsohn, dessen Familie ursprünglich aus Polen stammte, lernt Buchdrucker und konzentriert sich mit einer Kleinstdruckerei bald auf Filmkunst, die aufstrebende neue Branche. Er ist ein Selfmademan, baut nicht nur Kinos, sondern auch die in die flirrenden 20er Jahre passenden Varietes. Wolffsohns Anspruch dabei: anständige Unterhaltung für den "kleinen Mann". Wolffsohn macht ein Vermögen, bewohnt bald ein Stadtpalais und eine Sommerresidenz.
Der Nationalsozialismus, die Arisierung beenden dies alles. Wolffsohn geht nach einer sogenannten Schutzhaft der Gestapo 1939 mit seiner Familie ins Exil, nach Palästina, wird dort jedoch nie heimisch. Als er nach dem Krieg beginnt, seine "Wiedergutmachung" juristisch zu erkämpfen, kehrt er nach Deutschland zurück. Doch die Rückgabe zumindest der Wohnanlage Atlantic durch die Dresdner Bank, zieht sich bis 1962. Karl Wolffsohn sollte es selbst nicht mehr erleben.
"Er war zum Schluss verarmt. Ein Jahr lang teilte er sich sogar mit einem Ehepaar, das in besseren Zeiten bei ihm als Hauspersonal gearbeitet hatte, dessen Zweizimmerwohnung im Atlantic", erinnert sich der Historiker Wolffsohn. Warum sein Großvater 1928 parallel zur Lichtburg in Berlin auch die in Essen baute, ist ein dunkler Fleck in der Familiengeschichte. Wolffsohn: "Wir vermuten, dass er an die Arbeiter in dem großen Industriegebiet gedacht hatte."