Dorsten. . Thorsten Schadwinkel ist PSU-Assistent bei der Feuerwehr Dorsten. Der 43-Jährige nimmt sich Kollegen an, bei denen Einsätze Spuren hinterlassen
Echte Männer reden – das ist das Motto, das Thorsten Schadwinkel bei jeder seiner Präsentationen groß an die Leinwand wirft. Schadwinkel ist Hauptbrandmeister bei der Dorstener Feuerwehr. Und er ist PSU-Assistent. PSU steht für Psychosoziale Unterstützung. Wer Hilfe braucht, kann sie von Thorsten Schadwinkel bekommen. Jederzeit und überall. Es geht um Vertrauen und ums Anvertrauen. „Ich bin gerne Begleitperson“, erklärt der 43-Jährige.
Nach dem schweren ICE-Unglück von Eschede 1998, bei dem 101 Menschen ums Leben kamen, wurde diese Stelle nach und nach bei den Feuerwehren eingerichtet. „Was wir bei unseren Einsätzen sehen und erleben, das muss man erstmal verarbeiten können, sagt Thorsten Schadwinkel. „Manche Dinge sind wie ein Kreislauf. Da kommt man alleine nicht mehr raus.“
Der Dorstener erinnert sich noch gut: „Wenn es einem Feuerwehrmann früher nach einem Einsatz nicht gut ging, wurde ihm geraten, ein Bier zu trinken. Vielleicht auch ein zweites und ein drittes. Wenn es ihm immer noch nicht besser ging, wurde ihm flapsig geraten, beruflich was mit Blumen zu machen.“ Bei manchem Feuerwehrmann blieb es allerdings nicht bei drei Bier. Manche litten unter Depressionen, manch einer wurde sogar berufsunfähig.
Thorsten Schadwinkel hat das Amt des PSU-Assistenten bei der Dorstener Wehr seit gut drei Jahren inne. Namen würde er niemals nennen, das ist Ehrensache, Anonymität garantiert er. Es gibt einen Kollegen, der zu einem Einsatz gerufen wurde, bei dem ein Kind verstarb. Der kleine Junge wurde vom Vater schwer misshandelt, die Rettungskräfte trafen ein, als das Kind bereits tot war. Der Feuerwehrmann machte sich große Vorwürfe. Er konnte die schrecklichen Bilder nicht vergessen, sie verfolgten ihn ständig. Tag und Nacht. „Er hat sich immer eingeredet, dass er den Tod hätte verhindern können, wäre er früher am Einsatzort gewesen“, berichtet Thorsten Schadwinkel. Der betroffene Kollege wollte seinen Job aufgeben, nahm dann aber doch die Psychosoziale Unterstützung in Anspruch. Zum Glück.
Abseits der Feuerwehrwache wurden zahlreiche Gespräche geführt. Bei einer Tasse Kaffee, bei Spaziergängen. Tränen der Verzweiflung sind geflossen. „Der Kollege hat jetzt eingesehen, dass er nichts mehr für das Kind hätte tun können. Es geht ihm wieder besser. Er ist nach wie vor ein richtig guter Feuerwehrmann“, sagt Thorsten Schadwinkel. Ein Feuerwehrmann, der geredet hat. Ein echter Mann.
Der Eínsatz, den man nicht vergessen kann
Grundsätzlich kann sich jeder Feuerwehrmann zum PSU-Helfer ausbilden lassen. Im Kreis Recklinghausen gibt es dafür Ausbildungsstellen. Feuerwehrmänner, Sozialarbeiter, Psychologen und Ärzte halten Schulungen ab. 20 Theoriestunden sind vorgesehen. Wer PSU-Assistent werden möchte, der wird am Institut der Feuerwehr in Münster ausgebildet. Hier geht es dann auch um Trauerbewältigung und um posttraumatische Belastungsstörungen.
Thorsten Schadwinkel ist als PSU-Assistent befugt, PSU-Helfer auszubilden. Er selbst hatte einen Einsatz, den er bis heute nicht vergessen kann:
Als Mitglied der Tauchergruppe musste er kurz vor dem Ende seiner Ausbildung mit einem Kollegen eine Leiche aus dem Kanal bergen, der Kopf war vom Rumpf getrennt. „Das war so furchtbar, dass es kaum zu beschreiben ist“, berichtet Schadwinkel, der erklärt, sich die Ängste und Sorgen einfach vom Leib geredet zu haben. Anders als sein Kollege, der unmittelbar danach bei der Taucherstaffel ausgeschieden ist.