Berlin. Totgesagte leben länger: Nach seinem politischen Comeback bei der Niedersachsenwahl und der Wiederwahl zum Parteivorsitzenden spricht Wirtschaftsminister Philipp Rösler über “doofe Abende“ in der Vergangenheit und die künftige Ausrichtung der FDP im Wahlkampf.
Philipp Rösler kann gelassen Ostern feiern. Zu Jahresanfang politisch schon totgesagt, legte der FDP-Chef mit dem Wahlsieg in Niedersachsen ein viel beachtetes Comeback hin. Gerade wurde er für zwei weitere Jahre als Parteivorsitzender bestätigt. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bekennt sich der Vizekanzler und Wirtschaftsminister klar zu Schwarz-Gelb und hält eine rot-grüne Regierung für eine "Katastrophe".
Herr Rösler, zu Ostern wird die Auferstehung Christi gefeiert. Haben Sie als frommer Katholik ab und an ein Dankgebet für ihr politisches Comeback gesprochen?
Rösler: "Wenn ich in der Kirche bin, möchte ich nicht um etwas bitten, sondern ich möchte mich bedanken. Allerdings nicht für politische Dinge, sondern für meine Familie, dass wir gesund sind, dass es uns gut geht."
In ihrer Parteitagsrede in Berlin haben Sie über "doofe Abende" gesprochen. Wer oder was hat sie in schweren Stunden von Rücktritt abgehalten?
Rösler: "Von Rücktritt habe ich nicht gesprochen, und mit meiner Wiederwahl auf dem Parteitag ist das ohnehin kein Thema mehr."
Ihr Gegner Dirk Niebel wird am Freitag 50. Zeit für eine Versöhnung?
Rösler: "Wir geben als FDP einen großen Empfang für Dirk Niebel, wie sich das gehört. Er ist einer unserer Bundesminister, auch ein erfolgreicher. Er hat die wirtschaftliche Zusammenarbeit auf völlig neue Beine gestellt."
Spielt Niebel nach der Wahl noch eine Rolle, bleibt er ministrabel?
Rösler: "Als Bundesvorsitzender ist es meine Aufgabe, ein Team erfolgreich zusammenzubinden, um unseren Spitzenkandidaten Rainer Brüderle bestmöglich zu unterstützen. Als Bundesminister und Spitzenkandidat in Baden-Württemberg ist Dirk Niebel selbstverständlich Teil dieses Teams."
Im FDP-Präsidium sitzen nun mit Christian Lindner, Wolfgang Kubicki und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger drei prominente Köpfe, denen Ampel-Ambitionen nachgesagt werden. Wo steht der Parteichef?
Rösler: "Wir alle setzen auf Schwarz-Gelb. Wir stehen für Entlastung der Mitte und für Stärkung des unternehmerischen Mittelstandes. Rote und Grüne stehen beide für massive Mehrbelastungen, 40 Milliarden Euro Steuern mehr alleine durch das Programm des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Dann kommt noch Jürgen Trittin dazu. Das wäre eine Katastrophe für unser Land. Da sehe ich keine Gemeinsamkeiten bei den Themen, die den Menschen zu Recht auf den Nägeln brennen."
Kubicki sagt, er würde bei Steinbrück den Finanzminister machen. Ärgern Sie solche Alleingänge?
Rösler: "Überhaupt nicht. Tatsächlich kritisiert er Steinbrück bei jeder Gelegenheit. Jeder weiß, dass bei dieser Politik Steinbrück niemals Kanzler wird. Jede Äußerung von ihm ist eine neue Hilfe für diese Koalition."
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Ihr Spitzenkandidat Rainer Brüderle war bei der Vorstellung des Wahlprogramm-Entwurfs nicht dabei. Wollen Sie jetzt alleine Wahlkampf machen?
Rösler: "Netter Versuch. Rainer Brüderle hat das Programm wesentlich mitgestaltet, wie die inhaltlichen Schwerpunkte zeigen. Stabiles Geld und solides Wirtschaften sind schon seit Monaten seine Themen. Das ist eindeutig sein Programm."
Die Umfragen sind unverändert mau. Was wollen Sie bis zur Wahl dagegen tun?
Rösler: "Die Zahlen und die Stimmung werden besser. Das zeigt, Geschlossenheit und Entschlossenheit zahlen sich aus, darauf kommt es an. Die Menschen sehen, wir machen solide Politik. Wir haben gerade durchgesetzt, dass es für 2014 einen strukturell ausgeglichenen Bundeshaushalt gibt. Wir kämpfen für stabiles Geld und für die Unabhängigkeit der EZB. Wenn wir verlässlich auf diesem Weg weitergehen, dann wird das im Herbst auch den gewünschten Erfolg bringen."
Sie stehen für einen "mitfühlenden Liberalismus". Einige Liberale fürchten um den Markenkern, wenn Sie Positionen wie beim Mindestlohn aufgeben.
Rösler: "Unter meiner Führung gibt es nur eine FDP, die liberale FDP. Beim Thema Lohnuntergrenzen erwartet man von einer liberalen Partei, dass sie sich die Lebenswirklichkeit anschaut. In einigen Regionen Deutschlands ist es nun mal schwierig, faire Löhne zu finden und festzulegen. Darauf müssen wir Liberale eine Antwort geben. Das entspricht unserem Selbstverständnis."
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Bei der vollen rechtlichen Gleichstellung von Homo-Ehen lässt Sie die CDU abblitzen. Fällt die FDP jetzt um?
Rösler: "Die FDP vertritt die klare Position, dass es als Regierungskoalition immer besser ist, jetzt ein richtiges Signal zu setzen für eine freie und tolerante Gesellschaft und sich nicht von Urteilen des Bundesverfassungsgerichts drängen zu lassen. Da steht jetzt wieder eines an - und spätestens dann wird es Zeit zum Handeln. Wenn der Wille da ist und das Urteil auch in eine bestimmte Richtung geht, dann kann man sehr schnell die steuerliche Gleichbehandlung durchsetzen. Wir Liberale stehen dafür: Gleiche Pflichten bedeuten am Ende auch gleiche Rechte."
Und wenn nicht - ist das ein "casus belli" für die FDP?
Rösler: "Jetzt warten wir doch erst einmal das Urteil ab."
Beim NPD-Verbotsantrag haben Sie für den Satz "Dummheit kann man nicht verbieten" viel Schelte bekommen. Würden Sie das noch mal so sagen?
Rösler: "Jedem ist klar, die menschenverachtende Ideologie der Rechtsextremen kann nicht durch ein Parteiverbot bekämpft werden, sondern nur politisch und gesellschaftlich. Das ist Überzeugung aller Demokraten. Dass ich persönlich seit langem einen harten Kampf führe gegen Rechtsradikalismus, das ist bekannt."
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Die FDP will wieder Steuern senken. Sehen wir im Wahljahr eine "Westerwellerisierung" von Philipp Rösler?
Rösler: "Die Haushaltskonsolidierung steht im Vordergrund. Wenn wir aus der Finanzkrise von 2008/2009 etwas gelernt haben, dann das, dass man die Gefahr, die von Staatsschulden ausgeht, nie unterschätzen darf. Das tun wir nicht - ganz im Gegenteil. Wir schaffen das, was wir uns vorgenommen haben: 2014 ein ausgeglichener Haushalt und 2015 keine neuen Schulden. Dann darf und muss man über eine Entlastung derjenigen in der arbeitenden Mitte nachdenken, die uns diese Leistung ermöglicht haben. Dass wir es ernst meinen mit Entlastung, haben wir in diesem Jahr mit der Senkung des Rentenbeitrags und der Abschaffung der Praxisgebühr bewiesen. Diesen Weg gehen wir entschlossen weiter."
Die saarländische CDU-Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer hat einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent ins Spiel gebracht. Will ihr Koalitionspartner SPD und Grüne links überholen?
Rösler: "Umso wichtiger ist es, dass es in dieser Regierungskoalition eine starke FDP als Korrektiv gibt. Frau Kramp-Karrenbauer zeigt, dass nur die FDP es ernst meint mit der Stärkung des unternehmerischen Mittelstandes und der gesellschaftlichen Mitte. Jeder Fachmann weiß, dass gerade der Spitzensteuersatz oft die Besteuerung für den kleinen Mittelständler, den Handwerker vorgibt. Um die geht es, die haben Wachstum geschaffen, die schaffen Arbeit und Ausbildungsplätze. Und die dürfen wir nicht noch mehr belasten."
Aber hat Schwarz-Gelb sechs Monate vor der Wahl angesichts der rot-grün-roten Bundesratsmehrheit die Arbeit nicht eingestellt?
Rösler: "Das ist Unsinn. Wir arbeiten weiter mit Hochdruck an den wichtigen Herausforderungen. Nehmen Sie das Thema Kontrolle von Managergehältern oder auch die Energiewende, bei der wir gut im Fahrplan liegen. Hier sind wir übrigens gerade mit den Bundesländern zu Ergebnissen gekommen, die den notwendigen Netzausbau beschleunigen werden. Die Regierungskoalition kann und will Politik gestalten."
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In Niedersachsen profitierte die FDP von vielen "Leihstimmen" von CDU-Wählern. Gehen Sie nach dem Motto "Wer Merkel will, muss FDP wählen" in die Wahl?
Rösler: "Wir wollen eine Fortsetzung dieser erfolgreichen Regierungskoalition. Erfolg heißt für uns nicht nur Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag, sondern Fortsetzung eben dieser erfolgreichen Koalition. Wenn man sich anguckt, wie die Welt, wie Europa um uns herum aussieht, dann ist es gut, wenn wir eine stabile Regierung aus Union und FDP in Deutschland haben."