Berlin. . Das Vorpreschen der FDP beim NPD-Verbot ändert nichts am Gesamteindruck: Die Berliner Koalition aus Union und FDP arbeitet so geräuschlos wie lange nicht. Kleine Scharmützel gibt es – aber sie wirken wie bewusst gesetzt.

War FDP-Chef Philipp Rösler zu flapsig? In der Union heißt es, die „Verärgerung“ sei „beträchtlich“. Man nimmt ihm übel, dass er zur NPD erklärte, Dummheit könne man nicht verbieten, und nebenbei das Votum des Kabinetts vorwegnahm.

Er halte Röslers Begründung für „fragwürdig“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer. Immerhin gehe es um mehr als um Dummheit, nämlich um eine „verfassungsfeindliche Politik“. Die Stilkritik ändert aber nichts an den Fakten.

Für den Koalitionsausschuss fehlen die Themen

Erstens, das Kabinett wird am Mittwoch auf einen eigenen Gang nach Karlsruhe verzichten. Zweitens, die FDP steht hinter Rösler. Sie hatte schon 2001 ein Verbot abgelehnt und fühlt sich bestätigt; das Verfahren endete damals mit einem Fiasko. Drittens, Seehofer findet sich mit der Position des Kabinetts ab.

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Viertens, die Fraktionen von Union und FDP wollen am 16. April darüber beraten, ob nach dem Bundesrat auch der Bundestag ein Verbot beantragen soll. Union und FDP wollen in der Sache zusammenbleiben. Hinter den Kulissen heißt es, man rechne mit Abweichlern. Viele Abgeordnete könnten ungeachtet der offiziellen Linie für einen Antrag stimmen.

Debatte trägt Züge eines Arrangements

Es ist bekannt, dass Kanzlerin Angela Merkel Röslers Skepsis teilt. Die FDP erspart ihr mithin einen Streit mit der Schwesterpartei. So trägt die Debatte Züge eines Arrangements. Das passt zum pragmatischen Umgang dieser Tage. Merkel erwägt, den Koalitionsausschuss am Donnerstag abzusagen. Nicht aus Verärgerung. Sondern mangels Masse.

Denn die Auseinandersetzung ums NPD-Verbot überdeckt, dass Union und Liberale in den vergangenen Wochen erfolgreich ein neues Miteinander erprobt haben und eine Reihe von Diskussionspunkten leise aus dem Feld geräumt haben – mal durch Verständigung, öfter durch Vertagen.

Kein Streit über Manager, Homo-Ehe, Mindestlohn, Börsensteuer

Dass Rösler als FDP-Chef zuletzt von einem Parteitag gestärkt worden sei, nutze auch dem Koalitionsklima, heißt es bei Liberalen und Unionsleuten – ein selbstbewusster Vizekanzler könne zwar mal unbequem sein, bleibe aber berechenbar. Bei der Begrenzung von Manager-Gehältern etwa ist binnen weniger Tage eine Grundsatzverständigung der Koalition auf eine zügige Gesetzesinitiative erreicht, nachdem zunächst die FDP vorgeprescht war.

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Die Debatte um die rechtliche Gleichstellung der Homo-Ehe haben die Liberalen entschärft – im Bundestag bremsten sie schnell Versuche der Opposition, die Koalition zu spalten. „Wir stimmen nicht mit wechselnden Mehrheiten, wir lassen uns von der Opposition nicht auseinanderdividieren“, beruhigt FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle.

Umgekehrt hat die Union nun akzeptiert, dass beim Mindestlohn in dieser Wahlperiode keine Einigung mehr zustande kommt. Und auch den Widerstand der FDP gegen die von der EU-Kommission geplante Ausgestaltung der Finanztransaktionssteuer hat der Koalitionspartner akzeptiert: Die Steuer in elf EU-Staaten, die die Kommission eigentlich Anfang 2014 einführen wollte, hält Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nun erst 2015 für realistisch – Zeit genug, um das Problem in die nächste Wahlperiode zu verschieben.