Mülheim. Diese provokante Frage stellt das Netzwerk der kritischen Bürger zur Planung des Mega-Quartiers. Wie der Chef-Planer der Stadt darauf reagiert.
Das Netzwerk „Parkstadt Mülheim... aber richtig!“ hat in einem offenen Brief an die Fraktionen, Gruppen und Einzelkämpfer im Stadtrat seine Sorge zum Ausdruck gebracht, die Stadt werde bei der Entwicklung der Tengelmann-Fläche in Speldorf an den Bürgerinnen und Bürgern vorbei nur die Interessen des österreichischen Investors Soravia bedienen und sich selbst dabei ins Risiko stürzen. Planungsdezernent Felix Blasch bezieht Stellung.
Wie in der Vergangenheit beklagt das Netzwerk Intransparenz im Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans für das ehemalige Areal der Tengelmann-Zentrale. Aus dem Projektbeirat zur Parkstadt, in dem neben Vertretern von Investor, Verwaltung und Politik auch Mülheimer Architekten und Organisationen der Bürgerschaft in Broich und Speldorf eingeladen waren, hatte sich das Netzwerk unter Protest zurückgezogen. Es sah sich vereinnahmt und die Gefahr, wegen der dort geltenden Vertraulichkeit gehemmt zu sein in seinem Ansinnen, die Pläne für eine Bebauung auch mit Hochhäusern deutlich entschlackt zu bekommen.
Parkstadt: Mülheimer Netzwerk sieht „dringenden Klärungsbedarf“
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Jetzt, da das Mega-Projekt zur Stadtentwicklung langsam auf die Zielgerade kommt, an dessen Ende Baurecht stehen soll, geht das Netzwerk verstärkt auf Konfrontationskurs. Es fordert, öffentlich zu diskutieren, welche Baumassen dem Investor zugebilligt werden sollen. Im besonderen Fokus steht die Frage, wie das verträglich sein soll für die Nachbarschaft ringsum.
Mit Verweis auf das Informationsfreiheitsgesetz hat das Netzwerk die Stadtverwaltung nun dazu gebracht, ihre Planungsvereinbarung mit dem Soravia-Konzern zu veröffentlichen. Joachim Mahrholdt, Reiner Geßwein und Michael Taube sehen nach der Lektüre einige Probleme und „dringenden Klärungsbedarf“ hinsichtlich der konkreten Vertragspartner der Stadt oder des finanziellen Aufwands, den die Stadt angeblich allein für die Interessen des Investors auf sich nehme. Ketzerische Frage der Netzwerker auch: Werde die Stadt Mülheim „ihren hoheitlichen Aufgaben als Herrin des Verfahrens“ überhaupt gerecht?
Mülheims Chef-Planer: „Die Stadt behält die vollständige Planungshoheit“
Letzteres zieht das Netzwerk in Zweifel, weil die Stadtverwaltung in der Planungsvereinbarung mit drei Soravia-Projektgesellschaften etwa auch die Auswertung der Bürgerbeteiligung samt Abwägung in die Hände des Investors gegeben hat. Planungsdezernent Blasch hält dies für unbedenklich. Die Stadtverwaltung sei bei der Bürgerbeteiligung selbst mit vielen Fachleuten vor Ort gewesen. Deshalb bestehe nicht die Gefahr, dass Soravia Kritikpunkte von Bürgern aus Eigeninteresse unterschlagen könne. Als wesentliche Kritik sind insbesondere zwei Punkte ausgemacht: das Bauvolumen (samt Hochhäusern) und eine mutmaßliche Überforderung der Anwohnerschaft durch den zusätzlichen Verkehr. Prüfungen und Abwägungen obliegen der Stadtverwaltung. „Die Stadt behält die vollständige Planungshoheit“, so Blasch.
Das Netzwerk sieht weitere Mängel in der Planungsvereinbarung, etwa dass diese nur mit drei Tochtergesellschaften Soravias vereinbart ist, die jeweils beschränkt haftbar und nur mit 25.000 Euro Grundkapital ausgestattet sind, obwohl das Gesamt-Invest für die Parkstadt schon vor Jahren auf rund 350 Millionen Euro beziffert wurde. Auch das hält Blasch für unproblematisch. Die Planungsvereinbarung sichere lediglich das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans ab, nicht den späteren Bau. Im aktuellen Verfahren trage die Soravia-Seite fast sämtliche Kosten und sei hier auch noch nicht auffällig geworden.
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Blasch: Stadt ist im ureigenen Interesse aktiv in der Entwicklung der Parkstadt
Die einzigen Kosten, die die Stadt trägt, sind über eine Verwaltungspauschale hinausgehende Personalkosten und die Kosten für eine Machbarkeitsstudie, die auf weite Sicht klären soll, ob die Parkstadt an das Schienennetz von U18 oder Straßenbahn 901 angeschlossen werden kann. Letzteres, so Blasch, sei ein separates Verfahren (ein Planfeststellungsverfahren wäre nötig), für das die Stadt Soravia nicht die Kosten übertragen könne. Mülheims Planungsdezernent betont nicht nur in dieser Hinsicht, dass die Stadt nicht nur aktiv sei, um Interessen des Investors umzusetzen. Die Stadt gehe auch deshalb mit Personalkosten in die Planung, weil es ihr ureigenes Interesse sei, den Bedarf an Wohnraum und Gewerbeflächen zu decken und später Steuern daraus zu generieren.
Für die auf mindestens zehn Jahre kalkulierte Bauzeit wird noch ein städtebaulicher Vertrag zur Umsetzung des Mega-Projektes nötig. Dieser soll vor dem Satzungsbeschluss des Stadtrates ausgehandelt sein und als Absicherung dienen. Blasch macht deutlich, dass hierin auch Sicherheitsleistungen bis hin zu Bürgschaften verankert würden für Dinge, zu denen der Investor beim Bau der Parkstadt verpflichtet werde, etwa Ausgleichs-, Artenschutz- oder Erschließungsmaßnahmen.
Weitere Aufteilung der Kosten müssen Stadt Mülheim und Soravia noch aushandeln
Auch soll in dem Vertrag etwa der Anteil öffentlich geförderter Wohnungen festgesetzt werden, in welcher Abfolge Baufelder zu bebauen sein werden oder die (in der Regel kostenfreie) Übertragung von Flächen an die Stadt, die zur Verkehrserschließung benötigt werden. Welchen Teil der Erschließungskosten die Stadt tragen wird und welchen Soravia, wird auch für jenen Vertrag auszuhandeln sein. Eine Verbreiterung der Liebigstraße samt Radwegen diene nun mal nicht nur dem Parkstadt-Areal, sondern etwa auch der angedachten Bebauung auf dem Wetec-Gelände auf der anderen Straßenseite, so Blasch. Zu berücksichtigen sein werde auch, dass neben der Liebigstraße auch der Veilchenweg ohnehin sanierungsbedürftig seien, inklusive Mischwasserkanälen. Alles Bestandteil der Vertragsverhandlungen, versichert Blasch.
>> Das sind die weiteren Pläne zur Beteiligung von Mülheimer Bürgern
Eine weitere breite Öffentlichkeitsbeteiligung verspricht Blasch noch für die Zeit, bevor die Politik mit einem Beschluss die zweite und damit letztmalige Offenlage der überarbeiteten Pläne samt Gutachten einläuten wird und Bürger dann einige Wochen lang Zeit bekommen, die Unterlagen zu studieren und Kritik und Anregungen vorzubringen. Blasch stellt das für das dritte Quartal des Jahres in Aussicht.
Welche Veranstaltungen es geben werde, sei noch nicht entschieden, denkbar seien einzelne Schwerpunkt-Infoveranstaltungen, etwa zum Verkehr. Blasch bittet Bürger hier noch um Geduld. Die Gutachten, die Soravia vorlege, müssten noch durchs Prüfraster der Verwaltung. „Wir terminieren erst, wenn wir alles beisammen haben. Wir wollen nichts Halbfertiges präsentieren“, erklärt er, was gang und gäbe auch in anderen Verfahren ist. Das widerspenstige Netzwerk sei weiter eingeladen, im Projektbeirat mitzudiskutieren. Dort nähmen nur noch ein Vertreter der Broicher Interessengemeinschaft sowie Mülheimer Architekten teil. Blasch sieht das bisherige Wirken des Projektbeirates als Erfolg. Aus ihm heraus sei es nun schon zu zwei Überarbeitungen des Parkstadt-Entwurfes gekommen, „auch wenn wir vielleicht noch nicht da sind, wo wir hinwollen“.
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