Mülheim. Um das Parkstadt-Projekt auf altem Tengelmann-Areal abzusichern, schärft die Stadt ein erstes Schwert. Das kostet im Fall der Fälle Millionen.
Was haben die AOK, Röhrenhersteller Vallourec und Parkstadt-Investor Soravia gemeinsam? Wenn es nach dem Willen der Stadtverwaltung geht, in Kürze etwas Gewichtiges: Auch für das ehemalige Tengelmann-Areal in Speldorf, auf dem der österreichische Projektentwickler die „Parkstadt Mülheim“ plant, will sich die Stadt ein Vorkaufsrecht rechtlich verankern. „Für den Fall der Fälle“, wie Oberbürgermeister Marc Buchholz sagt.
Zuletzt hatte Soravia mit Negativ-Schlagzeilen auch in Mülheim für Unruhe gesorgt. Eine Konzerntochter war Kapitalgebern die quartalsweise Verzinsung ihrer Geldanlagen schuldig geblieben. Für zwei jener Fonds, über die Soravia sich in der Vergangenheit mehrere hundert Millionen Euro für seine Projektentwicklungen besorgt hat, war ein Insolvenzverfahren in Eigenregie beantragt worden. Anlegern droht der Komplettverlust von bis zu 280 Millionen Euro, räumte ein Soravia-Vertreter jüngst vor Mülheims Politik ein. Auch wenn der österreichische Konzern wiederholt betonte, dass nur ein kleiner Teil des Geschäfts betroffen sei und das Mülheimer Parkstadt-Projekt deshalb nicht ins Wanken gerate, ist offenbar doch der Anreiz in Mülheims Verwaltung gegeben, mehr zur Absicherung zu tun als ursprünglich in Aussicht gestellt.
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Hatte es bislang geheißen, man werde sich Sicherheit durch einen städtebaulichen Vertrag holen, der ergänzend zum Bebauungsplan Wirkung entfachen soll, präsentiert die Verwaltung jetzt überraschend den Entwurf für eine Vorkaufsrechtssatzung. Mit ihr soll festlegt werden, dass die Stadt Zugriff auf Teile oder das gesamte Entwicklungsgebiet beanspruchen könnte, sollte Soravia auf die Idee kommen, teilweise oder ganz verkaufen zu wollen. Durch die Verankerung des Vorkaufsrechts wolle man „verhindern, dass die Fläche unkoordiniert aufgeteilt und an private Einzeleigentümer oder auch an einen Einzeleigentümer, beispielsweise zu Spekulationszwecken, weiterverkauft wird“, heißt es.
Bestandteil des Vorkaufsrechts soll nicht das gesamte ehemalige Tengelmann-Areal sein; der Bereich mit alter Bausubstanz zwischen Koloniestraße und nördlicher Fassade der alten Tengelmann-Zentrale ist ausgespart - hier läuft die bauliche Modernisierung und Vermarktung ja bereits seit Jahren; und bis dato erfolgreich. Ein Vorkaufsrecht will sich die Stadt für jene 11,2 Hektar Fläche sichern, für die aktuell das Bauleitplanverfahren für eine spätere Bebauung mit See, Wohnblöcken, Kita und Co. läuft.
Zwei Mal schon hat die Stadt Mülheim in jüngerer Vergangenheit mit einem Vorkaufsrecht hantiert
Ihren Anspruch auf ein Vorkaufsrecht nach § 25 des Baugesetzbuches begründet die Stadt damit, dass das Parkstadt-Areal „das größte zusammenhängende wohnbauliche Innenentwicklungspotenzial im Stadtgebiet“ hergebe. So komme ihm eine erhebliche Bedeutung für die Stadtentwicklung zu, auch weil Wohnraum dringend benötigt werde. Es sei eine geordnete Entwicklung hin zu einem durchmischten und grünen urbanen Quartier für Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Erholung sicherzustellen - auch mit Blick darauf, dass das neue Quartier ein wichtiger Meilenstein zur klimaneutralen Stadt sein solle. Es sei wichtig, dass sich eine Quartiersentwicklung hier an einem zusammenhängenden Konzept orientiere und dies nicht durch Einzelinteressen mehrerer Eigentümer torpediert werde.
Per Vorkaufsrecht hatte die Stadt vor einigen Jahren die Ruhrbania-Fortentwicklung mit dem Ankauf des AOK-Grundstücks in der Innenstadt gesichert. Auch für die zur Entwicklung ausgerufene Vallourec-Fläche hatte die Stadt das scharfe Schwert eines Vorkaufsrechts gezogen, um den unliebsamen Investor Logicor zu verhindern und letztlich mit CTP einen neuen Investor zu bekommen, der sich verpflichtete, die stadtentwicklungspolitischen Ziele Mülheims vor Ort mitzutragen.
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Nun also Fall 3. Planungsdezernent Felix Blasch sieht hierin insbesondere eine Absicherung für die Zeit, in der Bebauungsplan und städtebaulicher Vertrag für die „Parkstadt“ nicht in trockenen Tüchern sind. Blasch hatte zuletzt schon gesagt, dass in diesem Jahr wegen der Komplexität des Projektes nicht mehr mit einem Beschluss zu Bebauungsplan und städtebaulichem Vertrag zu rechnen sei, eine Bürgerbeteiligung stehe erst für die zweite Jahreshälfte in Aussicht. Gebe es beides, sei ein etwaiger Käufer ohnehin verpflichtet, das Baurecht und die noch abzusteckenden Vorgaben aus dem städtebaulichen Vertrag einzuhalten. Ohnehin hofft die Verwaltung, dass Soravia keinen Verkauf anstreben wird. OB Buchholz erinnert den Investor an sein Versprechen: „Wir sind gekommen, um zu bleiben“, hatte er einst zu Protokoll gegeben. Auf dieses Wort des „Partners“ Soravia setze er, so der OB. Soravia habe ihm versichert, dass sein Konzern das Parkstadt-Projekt trotz der angespannten Situation der Baubranche wie geplant fortsetzen wolle.
Jetzt ein Vorkaufsrecht zu installieren, diene aber der „größtmöglichen Sicherheit“. Dazu gebe es auch keinen Dissens mit Soravia, beruft sich Buchholz auf ein Gespräch mit Firmenchef Erwin Soravia und Projektleiter Lorenz Tagatschnig aus der Vorwoche. Tragatschnig bestätigt das auf Anfrage: „Aus unserer Sicht ist es nachvollziehbar, dass die Stadt sich absichern will. Das läuft unseren Interessen nicht entgegen.“
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Wie viel ein Vorkaufsrecht für die überschuldete Stadt wert wäre, müsste sich im Fall der Fälle freilich noch beweisen. Dass die Stadt wie bei Vallourec einen nur symbolischen Preis von einem Euro aufrufen könnte, ist ausgeschlossen. Ein rechtlich standsicheres Wertgutachten dürfte für das alte Tengelmann-Areal eine stattliche Millionensumme zum Ergebnis haben. Als Bodenrichtwert ist für das Soravia-Grundstück, da noch gar nicht als Wohnbauland ausgewiesen, schon aktuell ein Quadratmeterpreis von 260 Euro ausgewiesen. In den Wohnvierteln ringsum erreichen die Werte bis zu 450 Euro pro Quadratmeter. Nimmt man letztgenannten Wert als Maßstab, wäre das 11,2 Hektar große Gelände mit mehr als 50 Millionen Euro zu bemessen. Woher nehmen, wenn nicht stehlen, dürfte sich da der Stadtkämmerer fragen.
Entscheidend für die Absicherung des Projektes wird daher insbesondere auch der städtebauliche Vertrag sein, den Stadt und Soravia auszuhandeln haben. OB Buchholz sieht hierfür den Vertrag mit dem holländischen Investor CTP zur Vallourec-Fläche als Vorbild: „Wir werden die Baugenehmigungen nicht blindlings geben, sondern einfordern, zu den Versprechungen entsprechende Sicherheiten zu hinterlegen.“ Auch für das Parkstadt-Projekt werde man hierfür sicher externe juristische Expertise einholen. Buchholz vergleicht es mit einem Ehevertrag: „Den handelt man auch zu Zeiten aus, wo sich beide lieb haben, aber man regelt alles, damit man sich später im Fall der Fälle nicht streiten muss. Im besten Fall bleibt der Ehevertrag dann in der Schublade.“
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