Kreis Wesel. Mit Gentechnik will die EU-Kommission die Landwirtschaft klimaresistenter machen und beim Pflanzenschutz sparen. Stimmen aus dem Kreis Wesel dazu.

Klimawandel, Naturschutz und Nahrungsmittelproduktion: Wie kann das alles funktionieren? Die EU-Kommission setzt auf „neue genomische Techniken“ (NGT), um die Pflanzen vor Schädlingen zu schützen. Dabei sollen den Pflanzen keine fremden Gene eingesetzt werden, die eigenen werden aber verändert. Das hat große Diskussionen ausgelöst. Was bedeutet das für den landwirtschaftlich geprägten Kreis Wesel? Wir haben uns umgehört.

Johannes Leuchtenberg ist Vorsitzender der Kreisbauernschaft und betrachtet das Geschehen zwiegespalten. „Statt Resistenzen, beispielsweise gegen Mehltau und Pilze, zu züchten, wird der genetische Code beschnitten“, erläutert er. Das würde den Einsatz von Fungiziden einsparen, Herbizide gegen Unkraut und Insektizide spielten keine Rolle dabei. „Aber Pilze sind Lebewesen, die werden sich einen neuen Weg suchen.“

Die EU, so Leuchtenberg, wolle die Erträge retten und dabei auf Pflanzenschutz verzichten. Das Argument, klimaresistentere Pflanzen erreichen zu wollen, hält er für vorgeschoben. „Das ist nicht so einfach.“ Er gehe davon aus, dass die Bauern mitmachen müssen. „Sonst überleben wir das wirtschaftlich nicht.“ Allerdings sind auch die heimischen Landwirte dann von einigen wenigen Saatgutanbietern abhängig. „Die kleinen Züchterfamilienbetriebe wird es nicht mehr geben.“ Dass die Kunden nach diesen Lebensmitteln greifen werden, daran zweifele er nicht. Und Risiken berge auch der Einsatz von Chemie. Aber: „Es muss enge Grenzen geben, fremde Gene einzufügen ginge zu weit.“ Er gibt aber auch zu bedenken, dass das Tor damit geöffnet wird. „Wer stößt es dann weiter auf, vielleicht zu weit?“

Vertrauen in die Wissenschaft und ein Werkzeug gegen Hunger

Für Rüdiger Neuenhoff vom Verein Land sichert Versorgung (LSV) entspricht die Technik der normalen Saatgutzüchtung. „Nur geht es schneller.“ Die Technik ist für ihn ein Werkzeug gegen den Hunger. Dabei wolle er gar nicht die ganze Welt versorgen, aber Deutschland könne seinen Bedarf nur zu 85 Prozent decken, der Rest werde importiert: „Solange wir Geld haben, werden wir den Menschen auf der Welt das Essen wegkaufen.“

Klar, dass die EU-Gesetzgebung kein Thema ist, über das der Weseler Kreistag bestimmen kann. Persönliche Meinungen dazu gibt es dennoch. So sei CDU-Fraktionschef Frank Berger immer Gegner der Gentechnik gewesen. Inzwischen gebe es aber zwei Faktoren, die sein ganz persönliches Bild verändert haben. In der Pandemie habe Biontech mit seinem Impfstoff gezeigt, was Gentechnik kann. Und die Aufkündigung des Agrarabkommens durch Russland setze die Welt unter Druck. „Wenn es ein Beitrag ist, dass weniger Menschen hungern müssen, können wir darüber diskutieren. Aber wir müssen mit den Bauern reden“, sagt Frank Berger. Versorgungssicherheit müsse Priorität haben. „Frieden ist keine Garantie mehr“, fürchtet Frank Berger.

Kollege Gerd Drüten von der SPD sieht es ähnlich. „Eine Verteufelung allein bringt nichts.“ Wenn NGT gründlich geprüft sei, könne man sich der neuen Technik öffnen. „Wir können dann Nahrungsmittel erzeugen, die resistenter gegen den Klimawandel sind und mit weniger Wasser auskommen. Das wird uns aufgezwungen, wenn sich die Weltbevölkerung ernähren können soll.“ Es könnten Pflanzen entstehen, die auch Afrika Perspektiven bieten und dort gedeihen. Ohnehin gebe es schon jetzt auch in Europa Probleme, in Italien beispielsweise.

Die Grünen sehen ein Einfallstor für die Großkonzerne – reine Gewinnmaximierung

Zögernde Zustimmung also. Völlig anders sieht das Grünen-Fraktionschef Hubert Kück, er lehnt die gentechnischen Veränderungen von Pflanzen rundweg ab. „Im Kreis Wesel haben wir eine familienorientierte Landwirtschaftsstruktur und eine große Produktvielfalt“, sagt Kück. „Ich finde, es ist eine absolute Sauerei. Das Vorhaben bedeutet nichts anderes als ein riesiges Einfallsloch für die Großindustrie, Monsanto lässt grüßen.“

Mittelständische Unternehmen, die in Deutschland Saatgut züchten, würden eingehen, die Großindustrie bestimmen, was noch zu züchten sei und die Preise diktieren. Das wäre aus Kücks Sicht der Niedergang der familiär geprägten bäuerlichen Landwirtschaft des Kreises und das Ende der Biologischen Landwirtschaft: „Es ist nicht möglich, die Bioäcker zu schützen, es wird kein Nebeneinander von gentechnisch verändertem und historischem Saatgut geben.“ Ohnehin gehe es hier lediglich um Gewinnmaximierung.

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