Kreis Wesel. Da staunt mancher nicht schlecht: Auf dem Land im Kreis Wesel sind etliche Zäune mit Stiefeln „geschmückt“. Was es damit auf sich hat.
- Stiller Protest auf dem Land: Bauern hängen ihre Stiefel raus, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen.
- Vorwurf: Städter kaufen sich ein gutes Gewissen, indem sie an den Naturschutz spenden, „Ablasshandel“.
- Kulturlandschaft geschaffen und seit Generationen gepflegt, dafür gibt es wenig Wertschätzung.
Seltsam. Da hängt ein Gummistiefel auf dem Weidezaun – und dort ist einer auf einem Besenstiel im Acker. Verwundert registrieren dieser Tage Passanten im ländlichen Bereich des Kreises Wesel dieses Phänomen, das immer häufiger wird. Svenja Stegemann spricht für den Verein „Land sichert Versorgung“ – das sind die Bauern, die im Advent mit ihren geschmückten Weihnachtstreckern in Städten und Dörfern des Kreises Wesel unterwegs waren. Sie erklärt die ungewöhnliche Aktion: Bauern machen auf ihre Situation aufmerksam, ein stiller Protest. Anders als bei den grünen Kreuzen in der Landschaft, mit denen Landwirte 2019 auf das Höfesterben aufmerksam machen wollten, gibt es keine Erklärung an den Stiefeln. Noch nicht. „Wir überlegen, einen QR-Code anzubringen, damit Interessierte sich über das Thema informieren können“, sagt Stegemann.
In einer Pressemitteilung erläutert sie den Hintergrund der Aktion, und es klingt einige Verbitterung mit. „Wir Menschen auf dem Land sind es leid, dass uns Politiker und Medien, welche sich ausschließlich dem vermeintlichen Mainstream in der urbanen Blase verpflichtet fühlen, immer und immer wieder für den Klimawandel, das Insektensterben, vernichtete Lebensräume für Flora und Fauna, vermeintliche Probleme beim Trinkwasser, etc. verantwortlich machen wollen“, heißt es da. Und: „Sind es nicht grade die urbanen Räume, welche durch Versiegelung, durch Lichtverschmutzung, durch CO²-Emissionen, ja schlicht durch ungebremsten Konsum zu eben diesen Problemen maßgeblich beitragen?“
Der Frust auf dem Land ist groß
Die Bauern werfen den Städtern vor, sich durch Spenden an „rechthaberische NGOs“, gemeint sind beispielsweise Naturschutzorganisationen, ein reines Gewissen kaufen zu wollen, sie nennen das Ablasshandel. Die Organisationen wiederum projizierten „ohne jede Substanz ein Katastrophenszenario nach dem nächsten in unseren, den ländlichen Raum, um ihren Ablasshandel aufrechtzuerhalten und Einfluss auf die Politik auszuüben.“ Der Frust auf dem Land ist offenbar groß. „Wir haben es satt, wir brauchen im ländlichen Raum keine Fremdbestimmung derer, die nur am Wochenende Feld und Flur in Beschlag nehmen, nicht ohne Ihren Müll hinter sich liegen zu lassen!“
Immerhin, heißt es in dem Text zu den Stiefeln weiter, hätten die Bauern die Kulturlandschaft geschaffen und über Generationen erhalten, „ganz ohne NGOs, fragwürdige Studien und neunmalkluge Vollzeittheoretiker im achten Stock eines Bürogebäudes. Industriegebiete, Straßen, Freiflächen-PV, Gewerbeparks und Wohngebiete zerstören unsere Kulturlandschaft - nicht unsere Arbeit!“
Es müsse aufhören, dass „man unsere Landwirtschaft abschafft und stattdessen aus aller Herren Länder importieren will, nur um den geneigten Eliten Ihr Wunschbild einer ,heilen Welt’ auf dem Lande präsentieren zu wollen!“ Die Bauern rufen dazu auf, Solidarität zu bekunden und auch einen umgedrehten Stiefel an die Straße zu hängen.
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