Kreis Kleve. Vertreter von Bund, Kreis und Kommunen sehen kaum noch Möglichkeiten weitere Flüchtlinge aufzunehmen. So ist die aktuelle Situation vor Ort.

Vertreter von Kommunen, Kreis und Bundestag aus dem Kreis Kleve sehen ein Ende der Aufnahmekapazitäten von weiteren Flüchtlingen. „Wir haben die Grenzen erreicht“, sagte Freitag der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Rouenhoff im Gespräch mit der NRZ. Es sei zurzeit ganz deutlich, dass die Kapazitäten der Kommunen in Deutschland erschöpft sind. Es werde nicht nur immer schwieriger Wohnraum für die Menschen zu finden, sondern vor allem stelle die Integration in Kindergärten und Schulen eine immer größere Herausforderung dar.

Die Kommunen seien an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt

„Es geht nicht um eine fehlende Bereitschaft, Asylbewerber aufzunehmen. Diese ist nach wie vor vorhanden“, betont Rouenhoff. Aber die Infrastruktur sei aufgrund der massiven Nachfrage überlastet: „In den Kommunen brennt es.“

Dies sieht auch Landrat Christoph Gerwers so, der sich ebenfalls für eine Begrenzung der Zuwanderung ausspricht: „Die Lage ist dramatisch.“ Die Zahl der Flüchtlinge sei viel höher als 2015/2016, nur sei man jetzt besser darauf vorbereitet. Im Kreis Kleve leben aktuell 822 Asylbewerber und 989 geduldete Personen. Zudem halten sich zirka 3015 ukrainische Staatsangehörige im Kreis Kleve auf. Hinzu kommen noch 400 aus der Ukraine geflohene Drittstaatenangehörige.

Friedrich Merz, CDU Bundesvorsitzender, lud am Donnerstag Kommunalvertreter nach Berlin ein, um über die Situation der Flüchtlingspolitik zu sprechen.
Friedrich Merz, CDU Bundesvorsitzender, lud am Donnerstag Kommunalvertreter nach Berlin ein, um über die Situation der Flüchtlingspolitik zu sprechen. © dpa | Britta Pedersen

Kita-Plätze und Schulklassen sind eine Herausforderung

In den Bürgermeisterkonferenzen werde bereits seit Wochen über die zunehmende Problemschärfe gesprochen. In Kevelaer habe man die erste Turnhalle belegen müssen, weil andere Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Eventuell müsse eine zweite Turnhalle hergerichtet werden: „Und wir wollten diese Unterkünfte nach 2015 ja eigentlich dringend vermeiden“, so Gerwers. Noch schaffe man es, rechtzeitig Wohnraum zu beschaffen. Gerwers sieht, dass man nun dringend eine europäische Lösung benötige. Die größte Herausforderung sieht er in der Bereitstellung von Kita-Plätzen und Schulklassen für die Kinder und Jugendlichen.

Landrat Christoph Gerwers hält die derzeitige Lage für „dramatisch“.
Landrat Christoph Gerwers hält die derzeitige Lage für „dramatisch“. © FUNKE Foto Services | Judith Michaelis

Wie sieht es in den Kommunen aus? In Emmerich gebe es kaum noch Kapazitäten, so der Beigeordnete Markus Dahms. Der Wohnungsmarkt sei leer gefegt. Man verkehre seit einem Jahr in einem „Ausnahmezustand“. Es fehle nicht nur Wohnraum, sondern vor allem auch Personal, um die Anfragen für SGB-II, Krankengeld etc. zu bearbeiten. „Durch die fehlenden Sprachkenntnisse der Geflüchteten haben wir natürlich auch viel Publikumsverkehr. Selbst kleine Anfragen werden nicht per Telefon geregelt“, erzählt er. Aktuell leben in Emmerich 408 geflüchtete Personen, darunter 293 Personen aus der Ukraine. Gut 200 Ukrainer sind nach wie vor privat untergebracht: „Und dafür können wir nicht dankbar genug sein“, sagt Sprecher Tim Terhorst. Wäre das Engagement in der Bevölkerung nicht so groß, dann müsste man auch in Emmerich über eine Turnhallenlösung nachdenken.

Es gibt kaum noch Wohnungen auf dem Markt

In Rees befinden sich aktuell 416 Flüchtlinge, 26 Zuweisungen gab es in diesem Jahr. Hinzu kommen noch die Geflüchteten, die sich in den Landeseinrichtungen in Rees und Haldern befinden. Die Menschen kommen aus unterschiedlichen Regionen, unter anderem der Ukraine, Syrien, Afghanistan, Eritrea, Russland, Moldawien, Türkei, Sri Lanka, Irak, Ägypten, Iran, Somalia, Libanon, Guinea oder Kirgisistan.

Sprecher Jörn Franken: „Auf dem Wohnungsmarkt ist kaum noch Wohnraum vorhanden.“ Die Stadt habe 35 Wohnungen gemietet, 280 Personen seien dezentral untergebracht. Die aktuelle Situation sei „herausfordernder als 2015/2016“. Ukrainische Schutzsuchende könnten ihren Aufenthaltsort frei wählen. Die Kommunen hätten die große Aufgabe, Einzüge, Auszüge und Umzüge zu begleiten und zu organisieren. Die finanziellen Belastungen würden sich dennoch in Grenzen halten.

Kleve beurteilt die Lage noch als „normal“

In Kleve wurden in diesem Jahr 16 Personen aufgenommen, sieben kommen aus der Ukraine. Aktuell gibt es in Kleve 347 Asylsuchende: „Daneben leben inzwischen 569 Personen in Kleve, die aus der Ukraine geflohen sind“, so Sprecher Niklas Lembeck. Zur Wohnungslage sagte Marcel Erps, Fachbereichsleiter Arbeit und Soziales: „Da der Wohnungsmarkt in Kleve weiterhin sehr angespannt ist, gestaltet sich die Anmietung von Wohnraum durch die Personen immer schwieriger, wodurch diese länger als nötig in den städtischen Einrichtungen verbleiben müssen.“

Die Stadt Kleve beurteilt die Lage als „normal“. Sie sei nicht mit 2015/2016 zu vergleichen. Im vergangenen Jahr sei die Lage kritischer gewesen. Herausfordernd sei aber nach wie vor die Bereitstellung von Kita-Plätzen und die Beschulung.

Die Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern dauert zu lange

Landrat Christoph Gerwers macht auf den Umstand aufmerksam, dass die Rückführung von Menschen, die kein Asylrecht haben, äußert träge verläuft: „Wenn diese Menschen sieben bis acht Jahre hierbleiben, obwohl sie kein Bleiberecht genießen, dann ist das keine Lösung“. Bundestagsmitglied Stefan Rouenhoff: „Wir müssen dringend an das Thema Rückführung ran.“ Die europäischen Partner würden bereits befremdlich auf die deutsche Flüchtlingspolitik blicken.