Elten. Der Netflix-Film „Im Westen nichts Neues“ zeigt den Horror des Ersten Weltkriegs. Wieso das Deutsche Kaiserreich in Elten Schützengräben anlegte.

Mit neun Nominierungen geht „Im Westen nichts Neues“ als einer der großen Favoriten in die Oscar-Verleihung am 13. März. In der Netflix-Produktion, die sich recht frei – vorsichtig ausgedrückt – an dem gleichnamigen Roman von Erich Maria Remarque orientiert, wird der Horror des Grabenkriegs im Ersten Weltkrieg in schonungsloser Brutalität gezeigt.

Keine Kriegshandlungen auf dem westlichen Gebiet des Deutschen Kaiserreiches

Schon bei der ersten Hollywood-Verfilmung des Buches im Jahr 1930 waren die Erlebnisse der Soldaten an der Westfront für viele Deutsche ein Schock. Denn anders als im Zweiten Weltkrieg spielten sich keine nennenswerten Kampfhandlungen auf dem Gebiet des Deutschen Kaiserreiches (mit Ausnahme von Ostpreußen) ab. Die Oberste Heeresleitung, also Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg und dessen Stabschef Erich Ludendorff, hatte aber genau das durchaus ins Kalkül gezogen. Anders lässt es sich nicht erklären, dass in Elten im Jahr 1917 Bunker und Deckungsgräben angelegt wurden. Reste davon sind noch bis heute zu besichtigen.

Niederlande sind im Ersten Weltkrieg neutral

Die damals eigenständige Gemeinde Elten war durch ihre Grenzlage zum Königreich der Niederlande inmitten des tobenden Weltkriegs in den Fokus der Militärs gerückt. Eigentlich ungewöhnlich. Denn die Niederlande sind im Weltenkonflikt neutral. Gewähren nach Kriegsende sogar dem geschassten Monarchen, Kaiser Wilhelm II., Exil.

Trotzdem werden in den Jahren 1916/17 Gräben und Bunker angelegt, die südlich der niederländischen Ortschaft Beek beginnen und sich dann über 3,8 Kilometer nach Südwesten bis an den Fuß des Eltenbergs erstrecken.

LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland hat sich näher mit der Thematik befasst

Wolfgang Wegener auf einem Archivbild aus dem Jahr 2014 im Eltener Wald an einer der zerstörten Befestigungsanlagen.
Wolfgang Wegener auf einem Archivbild aus dem Jahr 2014 im Eltener Wald an einer der zerstörten Befestigungsanlagen. © WAZ FotoPool | DIANA ROOS

Wolfgang Wegener hat sich für das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland bereits im Jahr 2014 näher mit der Thematik unter dem Titel „Landesbefestigungen 1917, Bunker und Deckungsgräben am Eltenberg”. (In: KuLaDig,Kultur.Landschaft.Digital. https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-85138-20140205-2) beschäftigt. Allerdings liegt vieles im Dunkeln. Denn: „Über den Bau der Befestigungsanlagen liegen keine zeitgenössischen Informationen vor“, so Wegener.

Elten und auch Emmerich gehörten damals zum VII. Armeekorps in Münster und zum Stützpunkt Wesel. 1915 wird in Emmerich eine Garnison mit einem Bataillon eingerichtet. Möglicherweise, die Quellenlage gibt keinen Aufschluss darüber, sind die Soldaten dieses Bataillons auch für die Grenzsicherung verantwortlich.

Archäologische Untersuchungen im Eltener Wald

Durch archäologische Untersuchungen im Eltener Wald gehen die Experten davon aus, dass die Bunker rechteckige Räume waren, in einer Größe von innen 7,20 x 5 Meter. Die Mauerstärke soll bis zu 70 Zentimeter betragen haben. Der untersuchte Bunker in Elten hatte zwei Eingänge, die direkt in den Deckungsgraben führten.

Auf halber Höhe des Berghanges folgt der erste Deckungsgraben

Die Befestigungsanlage schlängelt sich durch das Waldgebiet.
Die Befestigungsanlage schlängelt sich durch das Waldgebiet. © FUNKE Foto Services | Thorsten Lindekamp

„Das Befestigungssystem gliedert sich zunächst in eine Reihe von Bunkeranlagen, die vor dem ersten Deckungsgraben lagen und die vielleicht als Beobachtungsräume anzusprechen sind“, heißt es dazu von Wolfgang Wegener. „Auf halber Höhe des Berghanges folgte der erste Deckungsgraben, hinter dem und teilweise auch damit verbunden eine Reihe Unterstände folgen. Diese Anlagen dürften eine direkte Sicherungsfunktion für die Mannschaften gehabt haben. Im Abstand von circa 300 Metern folgte ein zweiter Deckungsgraben, wiederum mit dahinter liegenden Unterständen.“

Östlich des heutigen Wohn- und Industriegebietes Kattegatt liegt zwischen dem ersten und zweiten Graben eine einzelne zentrale Stellung. Sie besteht aus einem Graben und drei gesprengten, mit einem zentralen Hügel als Mittelpunkt. „Über die Funktion dieser Stellung gibt es keine weitere Informationen, auch nicht in den historischen Quellen zum Befestigungsbau“, so der Experte. „Noch weiter östlich, im Bereich der Kreuzung Hohe Heide/Stokkumer Straße ist ein dritter Deckungsgraben erhalten, der bis zum Funkmessturm auf dem Eltenberg dokumentiert ist. Bei allen drei Linien ist festzuhalten, dass sie ursprünglich weiter nach Nordosten und Südwesten reichten.“

Verwechslungsgefahr mit Laufgräben aus dem Zweiten Weltkrieg

Von den ursprünglich einmal 3,8 Kilometer angelegten Befestigungen sind allein ein Teilstück der Deckungsgräben an der Westspitze des Eltenberges und die Reste gesprengter Bunker direkt an der Bahnlinie erhalten. Der nordöstliche Teil der Befestigungslinie ist hingegen in den Waldgebieten vom Eltenberg bis zur Hohen Heide noch gut erhalten. Hier gibt es noch umfangreiche Deckungsgräben und gesprengte Bunkerstandorte. Wobei es an dieser Stelle auch zu Verwirrungen kommen kann. Denn im Herbst 1944 wurden Laufgräben für die Wehrmacht angelegt. Diese sind aber vollkommen anders geartet als die Vorgänger aus dem Ersten Weltkrieg.

Interalliierte Militär-Kontroll-Kommission überwachte Entfestigung der Westgrenze

Mit der Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg wurden nicht nur Reparationszahlungen auferlegt. Auch die so genannte Entfestigung der Westgrenze Deutschlands war eine Auflage des Versailler Vertrages. Dies überwachte die Interalliierte Militär-Kontroll-Kommission (IMKK), die im Juni 1920 bemängelte, dass die Schleifung der Bunker und Anlagen nicht schnell genug voranschreiten würde. Und eben erst durch die Arbeit der Kommission weiß die Nachwelt, dass es sich in Elten um 65 Untertret- beziehungsweise Beobachtungsräume in Zementbetonmauerwerk, teilweise mit Eiseneinlagen versehen, handelte.

Bestimmungen des Versailler Vertrages

„Die IMKK legte allerhöchsten Wert auf die sofortige Zerstörung der Beobachtungs- und Unterstände bei Elten, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass diese Anlagen auf der rechten Rheinseite lagen und entsprechend den Bestimmungen des Versailler Vertrages schon längst hätten zerstört sein müssen“, so Wegener.

Da sich einige der Unterstände direkt innerhalb der Ortschaft respektive direkt an der Eisenbahnlinie von Emmerich nach Arnheim befanden, stellte der Reichsschatzverwaltung Düsseldorf den Antrag zum Erhalt von zehn Unterständen. Dies wurde von der Kommission aber abgelehnt. Am 11. März 1921 wird auch die Abnahme der letzten, zerstörten Unterstände von den Vertretern der IMKK als ausreichend protokolliert

>>> Befestigung im Reichswald

Auf der linken Rheinseite zwischen Kleve-Donsbrüggen und dem Reichswald bei Kranenburg erstreckte sich eine vergleichbare Befestigung wie in Elten auf 12,5 Kilometern. Die IMKK forderte im Herbst 1920 von den zuständigen deutschen Behörden Pläne über diese Befestigungsanlagen. Das zuständige Wehrkreiskommando konnte aber dieser Aufforderung nicht nachkommen, da es keine Pläne zu diesen Anlagen gab. Im Zuge dieser Untersuchung wurde die Kommission dann auch erst aufmerksam auf die Deckungsgräben in Elten.