Emmerich. Der Emmericher Haushalt 2020 wurde mit einem Defizit von vier Millionen Euro beschlossen. Was die Politik in ihren Haushaltsreden herausstellte.
Mit den 19 CDU- und SPD-Stimmen ist am Dienstag der Haushalt 2020 der Stadt Emmerich bei zehn Nein-Stimmen von BGE, Embrica, UWE und Grünen verabschiedet worden. Erträgen von gut 76,8 Millionen Euro stehen Aufwendungen von gut 80,8 Millionen Euro gegenüber. Somit müssen vier Millionen Euro aus der Ausgleichsrücklage entnommen werden. Ursprünglich war ein Defizit von 2,7 Millionen Euro geplant. Die Fraktionen hatte noch einige Wünsche nachgereicht. Hier eine Zusammenfassung der Haushaltsreden:
CDU stimmt nur mit Bauschmerzen dem Haushalt zu
Dr. Matthias Reintjes, CDU, erklärte, dass seine Fraktion „nur mit Bauchschmerzen“ dem Haushalt zustimme. Denn etliche Großprojekte seien „auf die lange Bank“ geschoben worden. Das neue Bürgerbüro, die ganzheitliche Planung für den Umbau der Gesamtschule, die neue Gestaltungssatzung, die Weiterentwicklung des Steintor-Geländes, nannte er einige Beispiele: „Es bleibt also die Feststellung, dass wir in Emmerich kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem haben.“
Die CDU sei der Überzeugung, „dass der Bürgermeister in der kommenden Legislaturperiode vor grundlegenden Herausforderungen und Verantwortungen stehen wird. Die Digitalisierung der Verwaltung, notwendige strukturelle Veränderungen im Rathaus, zunehmende Personalnot bei weiterhin zunehmenden Aufgaben, eine stärkere Bürgerorientierung und die Bereitschaft, der Innenstadt und dem Einzelhandel unbürokratisch zu helfen, sind nach unserer Auffassung Herausforderungen, die Chefsache sein müssen. Wegducken gilt hier nicht!“
CDU: Nicht weitere Projekte auf die lange Bank schieben
Ein „Weiter so“ würde dazu führen, dass „weitere Projekte auf die lange Bank geschoben werden“ – „Wir unterstützen daher ganz ausdrücklich die Anträge der anderen Fraktionen, ein Antrags- sowie Finanzcontrolling zu etablieren, sowie den Fachbereich 4 Schule, Jugend und Sport durch ein externes Büro beraten und untersuchen zu lassen.“
Reintjes listete auch positive Entwicklungen auf. Wie etwa die deutliche Senkung der Kita-Beiträge, die Einführung des Kommunalen Ordnungsdienstes, die anstehende Spielplatzoffensive, die Tatsache, dass kein Klimanotstand ausgerufen wurde, den breiten Glasfaserausbau oder das Dorfentwicklungskonzept für Praest.
SPD und Grüne gehen bei keinem AfD-Antrag mehr mit
Andrea Schaffeld, SPD, ließ mit einem Abschluss-Statement aufhorchen: „Zum Schluss versichere ich, dass die SPD-Fraktion keinem AfD-Antrag zustimmen wird und auch jede Verweisung in einen Ausschuss ablehnen wird. Wir haben lernen müssen, dass die AfD keine Mogelpackung ist. Wo AfD draufsteht, ist auch Rassismus und Menschenverachtung drin.“ Dem schlossen sich spontan die Grünen an.
Die SPD-Fraktion stimme dem Haushalt zu, „damit die großen Projekte erfolgreich weitergeführt werden können“. Man wolle die „positive Entwicklung der Stadt Emmerich in der Spur halten“. Dennoch sorge sich die SPD um die finanzielle Situation und die schwindende Ausgleichsrücklage und „hat deshalb selber auf die Beantragung von Wahlgeschenken verzichtet“.
SPD: Emmerich bekommt kleine praktische Lösungen nicht hin
„Die Entwicklungspotenziale der Stadt liegen in den Schulen – in Gebäuden und Ausstattung, liegen in der Innenstadt und der Wirtschaftsförderung, liegen im Gesundheitspark an der Kaserne und den Ortsteilen als lebenswerte Dörfer.“ Gerade die Investitionen in die Schulen seien „gut angelegtes Geld“. Es verstehe niemand, dass einstimmige Beschlüsse in den Gremien der Wirtschaftsförderungsgesellschaft, den Schwerpunkt auf Wirtschaftsförderung zu fokussieren, „nunmehr wiederum belastet werden von dem Begehren, die Wifö möge einen Firmenlauf organisieren. Das ist nicht mal eben getan.“
Als „Emmericher Krankheit“ hat Schaffeld ausgemacht, „dass in Emmerich offenbar keine kleinen praktischen Lösungen gesucht und gefunden werden“. Kleinigkeiten wie geforderte Querungshilfen würden absehbar nicht umgesetzt.
BGE wirft Bürgermeister Verstoß gegen Haushaltsrecht vor
Joachim Sigmund, BGE, erklärte, dass seine Fraktion den Haushalt ablehnt. Ausschlaggebend dafür sei „der als fehlend gerügte echte Sparwille“. Die Verwaltung sei „bis heute in Teilen nicht auf einer Stufe mit einem modernen und straff geführten Wirtschaftsunternehmen“. Es gebe ein „massives strukturelles Problem“ im Haushalt. Ursache sei die „seit Jahren fehlende und falsche Priorisierung von Projekten durch den Bürgermeister als Emmericher Verwaltungschef. Wir leben über unsere Verhältnisse und geben zu viel aus“.
„Die BGE kritisiert gebetsmühlenartig das fehlende Projektmanagement und Controlling der Verwaltungsführung bei wichtigen städtischen Vorhaben.“ Als Beispiel wird der Umbau der Gesamtschule genannt: „Nach der Kommunalhaushaltsverordnung NRW ist bei solchen großen Projekten eine Darstellung der Wirtschaftlichkeit und die Vorlage von Planung, Gesamtkosten und Folgekosten verpflichtend“, um planen zu können. Die BGE wirft dem Bürgermeister vor, bei der Gesamtschule „gegen kommunales Haushaltsrecht“ zu verstoßen.
Grüne sehen in Emmerich keine Lobby für Behinderte
Sabine Siebers, Grüne, sieht die Politik ihrer Partei im Aufwind: „Endlich werden unsere jahrelangen Forderungen nach mehr Klimaschutz und nach konkretem Handeln auch von anderen unterstützt und können nicht weiter ignoriert und belächelt werden.“ Zugleich wundert sie sich, „dass neuerdings viele der hier Anwesenden sich zu ihrer ‘grünen Seele’ bekennen und behaupten, im Grunde ihres Herzens schon immer grün gewesen zu sein.“
Auch die Grünen monieren das Tempo z.B. beim Integrierten Stadtentwicklungskonzept und beim Klimaschutzkonzept: „Die Umsetzung dauert uns viel zu lange.“ Die seit Jahren geforderte fahrradfreundliche Stadt „ist immer noch nicht umgesetzt.“ Bereits im Juli 2018 stellten die Grünen den Antrag, Emmerich behindertengerechter zu machen. Erst war es zu aufwendig, eine Vorlage zu erstellen, dann wurde eine Arbeitsgruppe gegründet, zu der nicht alle Parteien erschienen. Nun heiße es, „dass doch schon viel für Behinderte in unserer Stadt getan wird“. Man könne einzelne Anträge stellen, „wenn wir konkrete Missstände sehen. Das ist wirklich zum Fremdschämen“, so Siebers.
Embrica: Umverteilung von Mitteln kommt beim Bürger direkt an
Thomas Meschkapowitz, Embrica, erinnerte, dass diverse Punkte, die den Haushalt beeinflussten extern seien (verringerter Einkommenssteueranteil, geringere Schlüsselzuweisungen, höhere Kreisumlage). Ferner belasteten geringere Kita-Beiträge zwar den Haushalt, das Geld „verbleibt jedoch in der Stadt.“ Viele Bürger „konnten finanziell wesentlich entlastet werden“.
Sorgen macht sich Embrica um die zehn Millionen Euro Sondervermögen für die Innenstadtentwicklung, die sich womöglich nur auf die beiden Objekte Post-Gebäude und Bahnhof konzentrieren werden. Das berge die Gefahr, „dass ein Großteil der hier vorgesehenen Finanzmittel an der Innenstadt vorbeigeht.“ Es entstehe ein Schattenhaushalt, auf den der Rat keinen Einfluss habe. Eigentlich bräuchte Emmerich auch ein „Sondervermögen Umweltschutz“, das „genau wie bei den abgesenkten Elternbeiträgen direkt bei den Bürgern ankommt“.
UWE moniert die „Antrageritis“ anderer Fraktionen
Gerd Bartels, UWE, moniert die „Antrageritis“ in der Zeit, nachdem der Haushalt eingebracht wurde: „Wir glauben, dass es sich dabei teilweise bereits um Wahlgeschenke für den Herbst dieses Jahres handelt.“
Ferner bemängelt Bartels eine fehlende Kritikfähigkeit beim Bürgermeister, der sich immer loyal hinter die Verwaltungsmitarbeiter stelle. Wie bereits 2016 kritisiert Bartels, dass Kennzahlen und Fußnoten ungenau und zu wenig aufschlussreich seien, um als Ratsmitglied Schlüsse für eine Steuerung der Stadt zu ziehen. Geändert habe sich aber nichts.
„Die Stadt ist gezwungen aufgrund steigender Anforderungen die personelle Besetzung nahezu in jedem Jahr aufzustocken. Trotzdem werden unterdessen sehr viele Aufgaben ‘outgesourced’, d.h. Planungen, Gutachten etc. werden in aller Regel fremdvergeben und nicht mehr selbstverantwortlich im eigenen Haus erstellt.“